62. Bundeskammerversammlung - Mittelstandsgerechte Politik in Deutschland und Europa

Deutsches Ingenieurblatt 06/2018
Eine Politik, die die berechtigten Interessen der mittelständischen Unternehmer und Freiberufler berücksichtige – das versprach die Generalsekretärin der CDU, Annegret Kramp- Karrenbauer, am Vorabend der 62. Bundesingenieurkammer-Versammlung beim Empfang der BIngK den Delegierten. Die frühere saarländische Ministerpräsidentin betonte, sie sei mit Ingenieurthemen gut vertraut, schließlich sei sie seit mehr als 30 Jahren mit einem Ingenieur verheiratet.

Als eines der großen Ziele in dieser Legislaturperiode nannte Kramp-Karrenbauer das Vorantreiben der Digitalisierung. Die Anstrengungen,so Kramp-Karrenbauer, müssten sich dabei auf verschiedene Bereiche erstrecken. So sei insbesondere der Ausbau eines flächendeckenden Hochgeschwindigkeitsnetzes notwendig, um beispielsweise auch die Chancengleichheit zwischen Anbietern von Ingenieurdienstleistungen in ländlichen Gebieten zugewähr leisten. Nur wer an schnelles Internetangebunden sei, sei langfristig wettbewerbsfähig. Es gehe aber auch darum, die Digitalisierung von Planungsprozessen und zahlreichen anderen Aspekten in der öffentlichen Verwaltung zügig voranzubringen.

Berufspolitische Themen im Fokus

Bei der Bundesingenieurkammer-Versammlung am 20. April 2018 in Berlin widmeten sich Delegierte und Vorstand intensiv den aktuellenberufspolitischen Themen. Auch hier nahm das Thema „mittelstandsgerechte Politik“großen Raum ein. Die Vizepräsidenten der Kammern in Bayern und Hessen, Dr. Werner Weigl und Jürgen Wittig, stellten einige der im Vergabeausschuss der BIngK erarbeiteten Thesen zur Diskussion, auf deren Basis die berufspolitische Debatte künftig weitergeführt werden soll. Zentrale Forderungen, denen die BKV-Delegierten zustimmten, sind die Beibehaltung des Prinzips der Trennung von Planung und Ausführung, eine Auftragswertberechnung, bei der nur gleichwertige Leistungen zusammengefasst werden, und die Trennung von Planung und Ausführung auch bei BIM-Leistungen, die zudem nicht generell an Generalplaner vergeben werden sollen. Ebenfalls diskutiert wurde die Frage nachbundesweit einheitlichen Anforderungen an Sachverständige für Geotechnik. Der Vizepräsident der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein Harald Peter Hartmann erläuterte, dass Sachverständige für Geotechnik bislang keiner Bestellung durch eine Körperschaft bedürfen. Die Auftragsvergabe an einen nicht ausreichend qualifizierten Sachverständigen für Geotechnik könne jedoch gravierende Risiken sowie Kostennachteile beim Bau und Betrieb baulicher Anlagen haben. Daher beschlossen die Delegierten, dass ein Anforderungsprofil für einen Sachverständigen für Geotechnik auf der Basis der Empfehlungen der DGGT e.V. erarbeitet und der nächsten BKV zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Zum Thema HOAI berichtete Vorstandsmitglied Sylvia Reyer, dass Ungarn der Bundesregierung nun als sogenannte „Streithelferin“im Verfahren vor dem EuGH zur Seite stehe. Tschechien werde diesem Beispiel wohl folgen. Mittlerweile werde davon ausgegangen, dass es zu einer mündlichen Anhörung komme. Mit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, so Reyer, werde bis zum Ende des Jahres 2018 gerechnet.

Eines der zentralen Themen der kommenden Jahre ist auch in den Ingenieurbüros die Digitalisierung. Entsprechend soll auf Initiative der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein in nächster Zeit hierbei innerhalb der 16 Länder- und der Bundesingenieurkammer noch stärker zusammengearbeitet werden. Die entsprechenden Strukturen und Ressourcen sollen im Laufe der kommenden Monate entwickelt und geschaffen werden.

Bericht des Präsidenten

Vor der berufspolitischen Diskussion hatte BIngK-Präsident Hans-Ullrich Kammeyer in seinem Bericht auf die Arbeit der Bundesingenieurkammer und die politische Agenda der vergangenen Monate zurückgeblickt. Bezüglich des Koalitionsvertrags von CDU,CSU und SPD zeigte sich Kammeyer zufrieden, dass die Infrastruktur künftig weiterausgebaut und modernisiert werden solle. Das bisherige Rekordniveau an Investitionen solle mindestens auf dem heutigen Niveau fortgeführt werden. Zwei Aussagen des Vertrags scheinen wesentlich zu sein: Nur die noch nicht fertiggestellten Öffentlich-Privaten Partnerschaften sollen realisiert werden – und auch nur dann, wenn deren Wirtschaftlichkeit auf Basis der mit dem Bundesrechnungshof abgestimmten Regularientransparent nachgewiesen worden ist. Darüberhinaus bleibt eine Privatisierung der Straßeninfrastruktur und der Infrastrukturgesellschaft Verkehr ausgeschlossen.

Kammeyer lobte außerdem das klare Bekenntnisder Koalition zum Kammer-Systemder Freien Berufe und das Eintreten der Bundesregierungfür den Erhalt der HOAI.
„Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir von den hohen Anforderungen an die Ingenieurausbildung abrücken“ – mit klaren Worten plädierte Kammeyer für die Beibehaltung der hohen Qualität der Ingenieurausbildung in Deutschland. „Es muss eine klare Grenze eingezogen werden“, so der BIngK-Präsident, „die definiert, wer ‚Ingenieur‘ist und wer nicht.“
Dies sei auch wichtig im Hinblick auf die Anerkennung von im Auslander worbenen Studienabschlüssen. Kammeyer: „Was wir hier für uns an Qualitätskriterien und Studieninhalten nicht umsetzen und sichern können, das können wir dann künftigauch nicht von anderen erwarten, die bei unsals Ingenieure tätig sein möchten.“ Denn eines, so Kammeyer, sei klar: „Wir brauchen in Deutschland viele Ingenieure. Vor allem aber brauchen wir viele gute Ingenieure.“ Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit verwies der BIngK-Präsident auf die zahlreichen erfolgreichen Aktivitäten, so beispielsweise auf die jüngst erfolgte Verleihung des Deutschen Brückenbaupreises und die Auslobung des Deutschen Ingenieurbaupreises. Beide Preise werden gemeinsam mit wichtigen Partnern aus Wirtschaft und Politik realisiert und repräsentieren auf hervorragende Weise die Leistungsfähigkeit deutscher Ingenieurbüros.

Gleiches, so Kammeyer, gelte auch für das Jahrbuch der Ingenieurbaukunst. Der wissenschaftliche Beirat sei bereits wieder an der Arbeit, um das Jahrbuch für 2019 vorzubereiten und die Projekte auszuwählen, die dort veröffentlicht werden sollen.

Lobende Worte gab es für den bundesweiten Schülerwettbewerb 2018 der Ingenieurkammern mit dem Motto „Brücken verbinden“.Er wurde in diesem Jahr erstmals unter dem neuen Titel „Junior.ING“ gestartet. Die Landessieger qualifizieren sich jeweils automatisch für den Bundeswettbewerb. Die Deutsche Bahn vergibt in diesem Jahr erneut einen Sonderpreis für ein besonders erfolgreiches Mädchenteam. Der Schülerwettbewerb findet bereits zum 13. Mal statt und wird derzeit getragen von zwölf Länderingenieurkammern sowie von der BIngK. Im kommenden Jahr werden sich erstmals die Kammern aus Niedersachsen und Bayern beteiligen. Mit rund 5.000 Teilnehmenden gehört der Schülerwettbewerb zu einem der größten deutschlandweit.

Kooperation bei BIM-Ausbildung

Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer haben am 23. Januar 2018 die Zusammenarbeit für die Fort- und Weiterbildung von Architekten und Ingenieuren im Bereich des digitalen Planens vereinbart. Angesichts der Vielzahl der Anbieter von Fortbildungen sei die Formulierung gemeinsamer Standards zur Sicherung der Qualität im Sinne der planenden Berufe geboten, betonte aus diesem Anlass die Präsidentin der BAK, Barbara Ettinger-Brinckmann. BIngK-Präsident Hans-Ullrich Kammeyer hatte bei der Unterzeichnung darauf hingewiesen, dass die Planer immer am Anfang jedes Planungsprozesses stünden. Daran werde sich auch durch BIM nichts ändern. Wichtig ist beiden Kammern darüber hinaus die Aufgabenteilung zwischen Planung und Bauausführung. Die von den Architekten- und Ingenieurkammern deutschlandweit angebotenen Fortbildungsbasisseminare beruhen auf der VDI/buildingSMART-Richtlinie 2552 Blatt 8.1 und garantieren damit höchste Weiterbildungsqualität.

Europa

Eine immer wichtigere Rolle spielen bei der Arbeit der BIngK die berufspolitischen Aktivitäten auf europäischer Ebene, betonte Präsident Kammeyer in seinem Bericht. Eines der Beispiele hierfür ist das sogenannte „Dienstleistungspaket“, das die EU-Kommission (KOM) im Januar 2017 vorgestellt hat. Im Hinblick auf die drei Legislativ vorschläge zur Dienstleistungskarte, zur Reform des Notifizierungsverfahrens und der einheitlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung gab es vor allem aus Sicht der deutschen Freiberufler und des Handwerks erhebliche Bedenken.

Auch die Bundesingenieurkammer lehnte in ihren Stellungnahmen die Vorschläge ab.

Im weiteren Verfahren im Rat und im Europäischen Parlament konnten viele problematische Punkte aus den Vorschlägen der Kommission, auch mit massiver Unterstützung der Bundesregierung und deutscher EU-Parlamentarier, herausdiskutiert werden. Die Verhandlungsergebnisse zur Reform des Notifizierungsverfahrens befinden sich nun in der Phase des sogenannten „informellen Trilogs“, in dem die drei beteiligten Institutionen der EU– Kommission, Rat und Parlament – eruieren, ob es eine gemeinsame Linie gibt, die das Gesetzgebungsverfahren erheblich abkürzen würde. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist man sogar schon einen Schritt weiter und hat sich auf eine gemeinsame Position verständigt, die jetzt aber noch durch Rat und Parlament gebilligt werden muss. Das Verfahren zur Dienstleistungskarte scheint dagegen erfolgreich gestoppt worden zu sein.

Die Legislativvorschläge zur Dienstleistungskarte sahen die Einführung eines besonderen elektronischen Verfahrens zur Erleichterung der Mobilität von Dienstleistungserbringern im europäischen Binnenmarkt vor. Die Vorschläge waren jedoch in sich nicht schlüssig und hätten vielmehr zu einerüberborden den Bürokratie und – vor allem –zu einer Einführung des Herkunftsland prinzips „durch die Hintertür“ geführt, da bewährte und erforderliche Standards hätten unterlaufen werden können. Umso erfreulicher ist es, dass der zuständige IMCO-Ausschuss und auch alle begleitenden Ausschüsse die Vorschläge der KOM de facto abgelehnt haben. Aller Voraussicht nach wird die KOM die Vorschläge daher zurückziehen.

Vorstand entlastet

Wie üblich befassten sich die Delegierten der BKV in ihrer Frühjahrssitzung auch mit einigen Regularien. Nach der Vorstellung des Jahresabschlusses 2017 und einem Bericht der Rechnungsprüfer wurden der Vorstand sowie der Hauptgeschäftsführer Martin Falenski entlastet.

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