Die fremdverschuldeten Unfälle eines Arbeitnehmers

Regressansprüche eines Beratenden Ingenieurs

Deutsches Ingenieurblatt 7-8/2020
FKT
Recht

Schon die Berufsbezeichnung „Beratender Ingenieur“ weist auf die Personalintensität des Geschäftsmodells hin, kann eine Beratung doch nur durch Menschen erbracht werden. Fallen Mitarbeiter krankheitsbedingt aus, muss Lohnfortzahlung geleistet werden. Ist die Arbeitsunfähigkeit allerdings durch einen fremdverursachten Unfall entstanden, besteht die Möglichkeit, die Kosten auf den Unfallgegner zu übertragen. Wenn Beratungsleistungen durch hochqualifizierte Mitarbeiter erbracht werden, liegen diese Kosten verhältnismäßig hoch.

Fällt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit aus, ist ein Beratender Ingenieur nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, dem Betroffenen das Gehalt für bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen. Für die Leistung wird vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verursacht hat (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG) und dass das Arbeitsverhältnis bereits mindestens vier Wochen ununterbrochen bestand (§ 3 Abs. 3 EFZG).
Dass damit für das Büro eines BeratenIanValerio/unsplashWird ein Arbeitnehmer beispielsweise auf der Fahrt vom Ingenieurbüro nach Hause auf seinem Fahrrad von einem Auto mit überhöhter Geschwindigkeit angefahren, kann sich der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung durch den Unfallverursacher anteilig zurückerstatten lassen.den Ingenieurs erhebliche Kosten anfallen, ist offensichtlich, aber nicht vermeidbar. Bei Lohnnebenkosten von aktuell ca. 28 % wären bei einem Mitarbeiter, der monatlich 4.000 € verdient, für einen Zeitraum von sechs Wochen somit über 7.088 € Lohnfortzahlung fällig, wobei Urlaubsansprüche und zusätzliche Leistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld noch nicht berücksichtigt sind. Die beispielhafte Berechnung verdeutlicht, dass es beim hier behandelten Sachverhalt nicht um Kleinigkeiten geht.
Bei Unfällen des Mitarbeiters besteht für einen Büroinhaber die Möglichkeit, dass diese Kosten durch den Dritten, der die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters verursacht hat, übernommen werden müssen.

Schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers

Unfälle geschehen selten zufällig – in den meisten Fällen beging einer der Beteiligten einen Fehler. Ein schuldhaftes Verhalten liegt nach Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 18.03.2015, AZ. 10 AZR 99/14, Rn. 13) vor, wenn „[…] der Arbeitnehmer in einem erheblichen Maß gegen das von einem verständigen Menschen in seinem Interesse zu erwartende Verhalten verstößt […].“
Bei der Ausübung gefährlicher Sportarten ist ein Verschulden des Arbeitnehmers nicht immer auf den ersten Blick feststellbar. Ein Verschulden des Arbeitnehmers liegt nach BAG (Urt. v. 07.10.1981, AZ. 5 AZR 338/79; BAG AP Nr. 45 zu § 1 LohnFG) vor, wenn sich „[…] der Arbeitnehmer in einer seine Kräfte und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise sportlich betätigt […]“ oder wenn gegen die Regeln der jeweiligen Sportart in besonders grober Weise und leichtsinnig verstoßen wird (BAG, Urt. v. 07.10.1981, AZ. 5 AZR 338/79; BAG AP Nr. 45 zu § 1 LohnFG). Zu solchen Sportarten gehören u. a. Bungeespringen und Kickboxen, wogegen Fußballspielen, Motorradrennen, Fallschirmspringen und Karate nicht als gefährlich eingestuft werden (BAG, Urt. v. 21.01.1976, Az. 5 AZR 593/74). Wird dem Arbeitnehmer ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen, kann ggf. die Lohnfortzahlung anteilig oder gänzlich entfallen.

Regressansprüche des Arbeitgebers bei fremdverschuldeter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

Die meisten Menschen sind im Lauf ihres Lebens zumindest einmal in einen Unfall verwickelt, meist im Straßenverkehr. Auch wenn die Sicherheit der Fahrzeuge zugenommen und die Anzahl von Todesfällen und schweren Verletzungen zurückgegangen ist, gibt es auch gegenteilige Entwicklungen, wie bspw. vermehrte Unfälle mit E-Bikes.
Erleidet ein Arbeitnehmer aufgrund eines nicht von ihm verschuldeten Unfalls eine Arbeitsunfähigkeit, stehen dem Arbeitgeber Regressansprüche zu. Der Büroinhaber, beispielsweise ein Beratender Ingenieur, wird nicht aus der Pflicht entlassen, dem verletzten Arbeitnehmer den Lohn weiterzuzahlen (§ 3 EFZG), ihm steht jedoch bei der Haftung eines Dritten Schadenersatz zu (§ 6 EFZG).
Nach einem Verkehrsunfall mit Personenschäden erfolgt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, wenn es sich lediglich um eine geringe Pflichtverletzung handelt und dem Täter keine Vorstrafen angelastet werden können.
Vieles kann unmittelbar mit der Versicherung des Verursachers geklärt werden. Sollten alle notwendigen Beweise vorliegen, kann die Versicherung des Verursachers herangezogen werden. Die Versicherung des Unfallgegners wird aufgefordert, für die Lohnfortzahlung des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers aufzukommen. Sollte sich die Versicherung weigern, dessen Lohnfortzahlung zu übernehmen, kann eine gerichtliche Durchsetzung erfolgen. Die Kosten für den Rechtsanwalt trägt der Schädiger. Während der Verhandlung muss der Geschädigte seine Verletzung, die Schuld des Schädigers sowie die Kausalität detailliert vortragen.
Bei Verkehrsunfällen erfolgt häufig eine Schuldverteilung auf die Beteiligten.
Dazu ein verdeutlichendes Beispiel: Arbeitnehmer A fährt abends mit einem unbeleuchteten Fahrrad vom Ingenieurbüro nach Hause. Unterwegs wird er von Schädiger S angefahren, der mit leicht überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Der Schaden wird aufgeteilt, da beide Beteiligte ein Mitverschulden zu tragen haben. A hätte sein Fahrrad mit Licht ausstatten und S sich an die Geschwindigkeit halten müssen. Dann wäre A von S eher gesehen worden und S hätte ggf. noch ausweichen können. Das Amtsgericht verteilt den Schaden bspw. nach einer 60:40-Quote, wobei S mit dem größeren Anteil haftet, da er sich die Betriebsgefahr seines Pkws zurechnen lassen muss. Da A die Arbeitsunfähigkeit zu 40 % mitverursacht hat, gehen auch nur 60 % auf den Arbeitgeber über. Demnach kann sich ein Beratender Ingenieur 60 % der Lohnfortzahlung durch den S zurückerstatten lassen, die fehlenden 40 % müsste A tragen.

Krankmeldung: Wer war der Verursacher?

Ein nach § 6 Abs. 1 EFZG übergegangener Anspruch kann nur erfolgreich durchsetzt werden, wenn gem. § 286 ZPO nachgewiesen werden kann, dass es durch den Unfall zu einer Primärverletzung des Arbeitnehmers gekommen ist. Mit der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht die tatsächliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer infolge einer Krankheit arbeitsunfähig ist. Sodann kann der Arbeitgeber (mit dem Beweis, dass der Arbeitnehmer durch einen Dritten geschädigt wurde), den Forderungsübergang geltend machen. Das hat ggf. zur Folge, dass vorerst die Lohnfortzahlung zu leisten ist. Diese kann später zurückgeholt werden. Dabei kann der Arbeitgeber den Bruttolohn, Arbeitgeber-Anteile zur Sozialversicherung, vermögenswirksame Leistungen, anteilige Jahreszuwendungen, Gefahrenzulagen und Beiträge zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung geltend machen. Es ist allerdings nicht möglich, Umsätze bzw. Gewinne einzufordern, die aufgrund des Ausfalls des Mitarbeiters nicht realisiert werden konnten.
Wie lange ein Ermittlungsverfahren und die Erstattung der Lohnfortzahlung dauern, hängt vom Einzelfall und den gegebenen Umständen ab. Hier besteht kein gesetzliches Zeitfenster.
Liegt das Verschulden folglich bei einem Dritten, geht der Anspruch auf Ersatz seines Erwerbsschadens auf den Arbeitgeber über, sodass ein Regressanspruch gegen den Unfallverursacher/Schädiger in Höhe der Entgeltfortzahlung (Bruttolohn zzgl. Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung) auf Basis von § 4 EFZG geltend gemacht werden kann. Dem Arbeitnehmer steht kein eigener Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger zu, da dieser nach § 6 EFZG übergegangen ist. Weitere Ansprüche, wie bspw. Schmerzensgeld, sind davon nicht betroffen.
Deshalb sollte ein Büroinhaber bei jeder Krankmeldung klären, wer die Arbeitsunfähigkeit verursacht hat, um ggf. Regressansprüche geltend machen zu können. Ist für den Arbeitnehmer ersichtlich, dass der Verursacher seiner Arbeitsunfähigkeit ein Dritter ist, muss dieser seinem Arbeitgeber alle erforderlichen Informationen unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) bereitstellen (§ 6 Abs. 2 EFZG). Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit erhalten, den Forderungsübergang sowie den Ersatzanspruch zu prüfen. Informationen wie Datum und Uhrzeit des Vorfalls, Name, Anschrift und Telefonnummer des Schädigers, der Beteiligten und Zeugen, Ansprechpartner und Ermittlungsergebnisse der zuständigen Polizei, mögliches Autokennzeichen sowie Versicherungsdaten des Schädigers muss der Arbeitnehmer bereitstellen. Sollte der Arbeitnehmer diese Informationen willentlich nicht weiterleiten, kann die Lohnfortzahlung verweigert werden (allgemeines Leistungsverweigerungsrecht; § 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG).
Der Forderungsübergang bei Dritthaftung nach § 6 EFZG gilt auch dann, wenn dem Verunfallten für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bezahlter Urlaub gewährt wird. Der Schädiger muss folglich auch den auf diesen Zeitraum anfallenden Teil des Urlaubsentgelts ersetzen (BGH, Urt. v. 13.08.2013, AZ. VI ZR 389/12). Der Anspruchsübergang gilt nur für die angeführten sechs Wochen, also die Zeit, in der das EFZG Anwendung findet und nicht darüber hinaus.
Deckt der Schadenersatzanspruch die Lohnfortzahlung des Geschädigten nicht ab, weil ggf. eine Haftungsbeschränkung des Schädigers gilt (z.B. § 12 StVG), muss der Beratende Ingenieur den restlichen Schaden begleichen (Vorrang des Schadensausgleichs des Arbeitnehmers vor Arbeitgeber).

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