Die Stadt der Zukunft

Parlamentarischer Abend der Bundesingenieurkammer

Deutsches Ingenieurblatt 04/2018
Politik

Eine scheidende Bundesministerin, zahlreiche Abgeordnete und viele Bekannte: Zum parlamentarischen Abend der Bundesingenieurkammer sind 150 Gäste der Einladung in die Räume der Parlamentarischen Gesellschaft gefolgt. Die Digitalisierung und die Baukultur waren die Themen des Abends – und natürlich stand der generelle Dialog zwischen der Politik und den Ingenieuren im Mittelpunkt der Gespräche.

Einmal im Jahr lädt die Bundesingenieurkammer zu ihrem Parlamentarischen Abend ein, um mit Abgeordneten des Bundestags ins Gespräch zu kommen und für die Anliegen der Ingenieure zu werben. Die Veranstaltung ist mittlerweile fester Bestandteil in den Kalendern derjenigen, die den Austausch über die berufspolitischen Themen der Berufsgruppe suchen – und ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort erkannt haben.
„Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch uns Ingenieuren gut. Ich sage mal vorsichtig: Ohne uns Ingenieure würde es der Wirtschaft auch nicht gut gehen“, begrüßte Bundesingenieurkammerpräsident Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer die Anwesenden. Die Ingenieure dürften ihre Rolle nicht unterschätzen, sie leisteten einen wesentlichen Beitrag für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Umso wichtiger sei es, dafür zu sorgen, dass es auch in Zukunft gute Ingenieure gibt: „Wir setzen viel Hoffnung in das neue Musteringenieurgesetz.“ Für jeden anderen Freiberufler sei es selbstverständlich, dass seine Kammer kontrolliere, ob er das Niveau für eine Eintragung mitbringe. Die Ingenieure bildeten da eine Ausnahme. Neben den Beratenden Ingenieuren als Pflichtmitgliedern entscheiden sich alle übrigen Kammermitglieder freiwillig für eine Mitgliedschaft. „Wir sind die einzigen Freiberufler, die eine freiwillige Mitgliedschaft haben“, so Kammeyer. „Diese Selbstverständlichkeit, dass die Ingenieure trotzdem zu ihrer Kammer kommen, finde ich toll.“ Dennoch seien die Ingenieurgesetze für die tägliche Berufsausübung enorm wichtig. Um die Verantwortung tragen zu können, die die Tätigkeit des Ingenieurs mit sich bringt, sei ein klares Qualitätslevel erforderlich: „Wo Ingenieur draufsteht, muss auch Ingenieur drin sein.“ Ein Ingenieur müsse sein Fachgebiet wirklich beherrschen, um das Vertrauen der Gesellschaft in ihn zu rechtfertigen, betonte Kammeyer. „Wir haben dieses Vertrauen in der Gesellschaft, dem müssen wir gerecht werden und dazu brauchen wir die Sicherheit, dass jemand, der sich Ingenieur nennt, diese Anforderungen auch erfüllen kann.“ 

Ein Staatspreis für die Stadt der Zukunft
Ein zentrales Thema in den Reden des Bundesingenieurkammerpräsidenten und später auch der Bundesbauministerin war die Auslobung des Deutschen Ingenieurbaupreises am Vormittag. „Ich finde es eine ganz tolle Idee“, konstatierte Kammeyer. Seit vielen Jahren gebe es bereits den Deutschen Staatspreis für Architektur, mit dem insbesondere die  baukulturellen Leistungen der Architekten ausgezeichnet würden. Dass auch die Ingenieure eine ganz wesentliche Rolle in der Baukultur spielen, sei dagegen nicht so sichtbar. „Wir gestalten Fassaden, wir gestalten Plätze, wir gestalten die Stadt der Zukunft“, sei die selbstbewusste Aussage der Architekten zur Baukultur. Doch dahinter verberge sich mehr, erklärte der Bundeskammerpräsident: „Es geht um die Stadt der Zukunft. In dieser Stadt der Zukunft muss man sich als Mensch wohlfühlen. Und dazu gehört eine ganze Menge mehr, als nur gestaltete Fassaden und Plätze. Es muss zum Beispiel die Entwässerung klappen. Und wie wir das vor zwei Jahren bei der Auszeichnung mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis gesehen haben, zählen dazu auch Küstenschutzbauwerke. An vielen Stellen gehört sogar die Versorgung mit modernen Medien oder In-frastrukturaufgaben dazu. Das macht die Stadt der Zukunft aus und das sind Beiträge der Ingenieure zur Baukultur. Auch wenn sie nichts direkt mit Ästhetik zu tun haben, tragen sie doch wesentlich zur Kultur der Städte bei.“ Auch Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks unterstrich die Teilhabe der Ingenieure an der Baukultur und warum sie sich in ihrer Amtszeit für einen Deutschen Ingenieurbaupreis so stark gemacht habe: „Das ist eine Initiative, über die ich wirklich glücklich bin, weil sie genau das tut, was angesprochen wurde: Sie bringt als Staatspreis zum Ausdruck, welche baukulturellen Leistungen eben die Ingenieure in unserer gebauten Umwelt erbringen.“ Durch die Davos-Deklaration, die zu Beginn dieses Jahres verabschiedet wurde, erhalte dieses wichtige Thema auch europaweit mehr Aufmerksamkeit. 

Klare Unterstützung bei der Digitalisierung notwendig
Hendricks hob hervor, dass die Förderung der Baukultur nur eines der vielen Projekte sei, welche die Bundesingenieurkammer und das Bundesbauministerium gemeinsam voran gebracht hätten. Weitere aktuelle Themen von beiderseitigem Interesse seien die Digitalisierung (Stichwort Builiding Information Modeling) und die Zukunft der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Das verbindliche Preisrecht der HOAI sei wichtig – daher habe sich das Bundesbauministerium in den vergangenen Jahren für den Erhalt und Fortbestand eingesetzt und das auch in den Koalitionsvertrag geschrieben. „Aus meiner Sicht ist die HOAI eine Kernvoraussetzung für leistungsgerechte Vergütung, mit der die für Deutschland charakteristische hohe Planungs- und Bauqualität auch in Zukunft gesichert werden kann“, erklärte Ministerin Hendricks. Mit der Einreichung der Klagen vor dem europäischen Gerichtshof habe das Vertragsverletzungsverfahren nun seine letzte Stufe erreicht. In diesem Zusammenhang dankte die Ministerin der Bundesingenieurkammer herzlich dafür, dass diese mit ihrer fachlichen Expertise wertvolle Unterstützung für die Argumentation gegenüber dem EuGH geleistet und zur Festigung der Position der Bundesregierung beigetragen habe.
Vor großen Herausforderungen stünden der Berufsstand der Ingenieure und die Politik auch im Bereich des bezahlbaren Wohnens und Bauens, der gemeinsam im gleichnamigen Bündnis diskutiert und vorangebracht worden seien. Viele der anstehenden Aufgaben würden in Zukunft in das Ressort des Bundesinnenministeriums fallen, das unter der neuen Regierung auch die Bereiche Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung beherbergen werde.
Wer zukünftig konkurrenzfähig sein möchte, müsse sich natürlich mit neuer Technik, neuen Methoden und neuen Arbeitsprozessen auseinandersetzen, betonte Dr. Hendricks.
Um den digitalen Transformationsprozess zu unterstützen, wurde außerdem in den vergangenen Jahren der Branchendialog „Digitaler Hochbau“ initiiert.
Bundesingenieurkammerpräsident Kammeyer hatte in seiner Rede bereits den Druck geschildert, der auf der Branche liege: „Der deutsche Markt ist mittelständisch aufgestellt“, so Kammeyer. Das sei einer der Gründe gewesen, weshalb Deutschland in der Wirtschaftskrise bestanden habe. Man sei jederzeit bereit und in der Lage, sich neuen Dingen zu stellen. Doch dazu brauche es eine Regierung, die Randbedingungen festlege, mit denen auch kleinere Ingenieur- und Architekturbüros anteil haben könnten. Und er formulierte seine Sorge, dass es eine Reihe an Firmen gebe, die nicht bereit seien, sich am Open-BIM zu beteiligen. Diese wollten beispielsweise nur mit speziellen Programmen arbeiten, und das schließe andere von dem Prozess aus. „Wir wollen sicherstellen, dass sich alle Ingenieur- und Architekturbüros am BIM beteiligen können. Wir sind bereit, dazuzulernen und uns einzusetzen“, sagte der Beratende Ingenieur und richtete deutliche Worte an die anwesenden Politiker: „Wir wollen diese Chance nutzen und dazu brauchen wir ganz klar Unterstützung – die wir in den vergangenen Jahren ein bisschen vermisst haben.“ Noch einmal vier Jahre Stillstand aufgrund unklarer Verantwortlichkeiten könne man sich in dem Bereich nicht erlauben, das würde für die deutsche Planungswirtschaft ein Desaster. 

Von Anfang an gemeinsam planen
Ein weiteres Thema auf dem Parlamentarischen Abend war die Zusammenarbeit zwischen Technischen Ausstattern (kurz TA) und Architekten. „Früher war das so: Der Architekt entwarf ein Haus, dann holte er einen Tragwerksplaner hinzu und später den TGA-Mann und der musste zusehen, wie er seine Leitungen unterbringen konnte“, beschrieb der Bundeskammerpräsident die jahrzehntelang praktizierten Abläufe. Das habe immer wieder zu Problemen geführt, wenn „der Ingenieur genau da hindurch wollte, wo ihn weder der Statiker noch der Architekt haben wollten.“ Kammeyer verdeutlichte, dass die TA-Planung mittlerweile nicht mehr nur 10 oder 15 Prozent sondern zum Teil sogar 50 Prozent der Gesamtbaukosten ausmache, und dass bei großen Projekten, wie zum Beispiel beim Bau eines Schwimmbads, die TA-Planung das Wesentliche sei. Daher sei es überfällig gewesen, dass sich TA und Architektur zusammensetzten und von Anfang an gemeinsam planten. Eine Arbeitsgruppe aus Architekten und Ingenieuren habe sich auf Bundesebene dem Thema angenommen und ein entsprechendes Leitbild sowie die dazugehörige Internetseite www.gemeinsam-planen.de entwickelt.

Ein offenes Ohr in der breiten Öffentlichkeit
Die scheidende Bundesbauministerin brachte in ihren abschließenden Worten zum Ausdruck, dass sie ein wenig wehmütig sei; immerhin hätten Ingenieure und Politik in den vergangenen Jahren nicht nur den Wohnungsbau massiv gestärkt und viele Schnittmengen zwischen dem Umwelt- und dem Baubereich identifiziert, sondern auch mehr Verständnis füreinander auf beiden Seiten entwickeln können. Sie unterstrich, dass die hohe Qualität der Ausbildung im Ingenieurbereich gesichert werden müsse und möglichst viele junge Frauen und Männer für den Beruf der Ingenieurin und des Ingenieurs begeistert werden sollten. „German Engineering ist für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit Deutschlands unverzichtbar“, so Dr. Hendricks. Auch im Energiesektor seien Ingenieure gefragt, denn die Energiewende stelle enorme Anforderungen. Eines der Ziele für die Zukunft sei der nahezu klimaneutrale Gebäudebestand bis zur Mitte des Jahrhunderts, eine Frage von modernen und innovativen Gebäudekonzepten.„Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit bis heute sehr herzlich zu bedanken“, schloss Barbara Hendricks ihre Ansprache. „Ich wünsche Ihnen für Ihre wichtige und wertvolle Arbeit weiterhin viel Erfolg und ein immer offenes Ohr in der breiten Öffentlichkeit, vor allem natürlich bei der Politik.“

Ähnliche Beiträge