Partnerschaftliche, agile Projektsteuerungsverträge als Ziel

Infrastrukturprojekte und andere Großprojekte

Deutsches Ingenieurblatt 09/2022
Tiefbau und Infrastruktur
Ingenieurbüro – Recht & Finanzen
Recht
Management
TVN Production GmbH & Co. KG
Quantum
Lange Projektlaufzeiten bei Infrastrukturvorhaben und von Auftraggebern gewünschte pauschale Festpreise je Projektstufe auf der Grundlage von Standardleistungsbildern führen immer wieder zu Vertragsanpassungen und langwierigen Nachtragsverhandlungen mit hohem Konfliktpotenzial zwischen dem Auftraggeber und der Projektsteuerung. Der Beitrag stellt einen agilen und partnerschaftlichen Ansatz und ein darauf ausgerichtetes Vertrags- und Vergütungsmodell vor, das eine bedarfsgerechte Anpassung der Leistungsanforderungen in jeder Projektphase ermöglicht und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Vergütung regelt.

Große Infrastrukturprojekte haben in der Regel sehr lange Laufzeiten von zwischen zehn und 25 Jahren. Sie absolvieren dabei mehrere Legislaturperioden und unterliegen im Zuge der Projektabwicklung weitreichenden Veränderungen, auf die beide Parteien zu großen Teilen keinen Einfluss haben, sich hierauf aber einstellen müssen, um das Projekt zum gewünschten Erfolg zu bringen. Bisher lassen Ausschreibungen für solche Maßnahmen veränderungsaffine Regelungen zu großen Teilen vermissen, sodass Streitigkeiten über Anpassungserfordernisse solcher Verträge die Folge sind. Diese bringen für beide Seiten Unsicherheiten, die auch existentielle Bedeutung bekommen können.

Agil steht für die Fähigkeit, schnell auf wechselnde Anforderungen und Randbedingungen reagieren zu können. Agile Arbeitsweisen haben sich zunächst in der Softwareentwicklung etabliert. Sie eignen sich insbesondere dann, wenn aufgrund hoher Komplexität, langer Projektlaufzeiten und unklarer Anforderungen eine genaue und umfassende Vorausplanung der Projektabwicklung unmöglich ist. Diese Randbedingungen treffen auch auf große Bauprojekte insbesondere im Bereich der Infrastruktur zu. Daher benötigen wir Verträge, die eine agile Anpassung der Leistungsanforderungen an den Bedarf des AG in allen Projektphasen ermöglichen und dafür eine partnerschaftliche Anpassung der Vergütung vorsehen. Das anzuwendende Vergaberecht engt die Handlungsspielräume für solche Verträge bedauerlicherweise ein, weil im Fall von wesentlichen Auftragserweiterungen eine Neuausschreibung erforderlich ist.

Um dies zu vermeiden, müssen alle Parameter zur Anpassung von Leistungen und Vergütung bereits im Wettbewerb ermittelt und im Hauptvertrag fixiert worden sein. So können beispielsweise Rahmenverträge – insbesondere Mehrfachrahmenverträge – eine Möglichkeit der Umsetzung agiler Verträge sein, solange sich im Vergaberecht nichts betreffend der Laufzeit von Rahmenverträgen geändert hat. Nach § 132 (2) Nr. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) „ist die Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn in den ursprünglichen Vergabeunterlagen klare, genaue und eindeutig formulierte Überprüfungsklauseln oder Optionen vorgesehen sind, die Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen möglicher Auftragsänderungen enthalten, und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert“, was u. a. in Rahmenverträgen umsetzbar ist und – wenn auch nicht flächendeckend – praktiziert wurde und wird. Rahmenverträge können nur mit einer Laufzeit von drei bzw. vier Jahren, je nach Auftraggeberart, ausgeschrieben werden, was nur durch Mehrfachrahmenverträge, d. h. die Sicherung mehrerer Auftragnehmer für dieselbe Projektaufgabe, teilweise gelöst werden kann. Unsere nachfolgende Darstellung will Gedankenanstöße zur Umsetzung offener, d. h. anpassungsfähiger Vertragsklauseln für typische Herausforderungen bei langlaufenden Projekten mit dem Schwerpunkt auf Vergütungsthemen und partnerschaftliches Vorgehen vermitteln.

Ursachen für Anpassungserfordernisse
Schon die von der Bundesregierung 2015 ins Leben gerufene „Reformkommission Bau von Großprojekten“ entwickelte nach der Auswertung fehlgelaufener Großprojekte einen Aktionsplan, der zehn Punkte umfasste und dabei u. a.:

  • kooperatives Planen im Team,
  • ein Risikomanagement und die Erfassung von Risiken im Haushalt sowie
  • die Vergabe an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten, forderte. Umgesetzt wurde davon wenig bis gar nichts, was insbesondere Vergaben der DB AG im Bereich der Projektsteuerung betrifft. Nach wie vor werden AG-seits Pauschalfestpreise (ohne Preisgleitung), Vetragserfüllungssicherheiten, eine einheitliche Abnahme, eine durchgehende Personaleinsatzplanung bei unklarer Abwicklungslage etc. gefordert.

Die Bauindustrie setzt sich seit vielen Jahren für Vertrags- und Abwicklungsformen ein, die auf „Partnering“ beruhen und sich dadurch auszeichnen, dass Risiken, die aus dem Projekt resultieren, von beiden Parteien gelöst und mithin daher nicht einseitig von der Auftragnehmerseite – soweit überhaupt möglich – kalkuliert werden müssen. Gleiches trifft auf Projektsteuerungsverträge und das in noch höherem Maß zu, weil der Projektsteuerer als enger Partner und Vertrauter des Auftraggebers fungiert und mit Forderungen zur Anpassung seines Vertrags und Honorars in der Regel „die Seite wechseln muss“, mit bleibenden Auswirkungen auf das Vertrauensverhältnis zu seinem Auftraggeber. Diese Zwickmühle sollte im Projektinteresse daher soweit wie möglich vermieden oder durch einen von vornherein strukturierten gemeinsamen Lösungsprozess im Sinn einer partnerschaftlichen Vertragsabwicklung vermieden werden. Bei einem Auftrag für ein Großprojekt ergibt sich für den Projektsteuerer in der Regel nur der Vorteil des geringeren Akquiseaufwands. Dieser Vorteil wird von den vielen Nachteilen nach diesseitiger Sicht um ein Mehrfaches aufgebraucht, weshalb die Ausgangsbasis für den Vertragsschluss eine bei weitem andere ist als bei durchschnittlichen Auftragsverhältnissen. Dem wird von Auftraggeberseite jedoch bisher nicht bzw. nur unzureichend Rechnung getragen.

Aktuelle Praxis im Vergabewesen
Große öffentliche Auftraggeber und Sektoren- Auftraggeber verfügen i.d.R. über eigene
Vergabe- bzw. Einkaufsabteilungen, die standardisierte Prozesse und Vergabeunterlagen für die Ausschreibung von Projektsteuerungsleistungen unabhängig von der Projektgröße und -dauer anwenden. Die verwendeten Vertragsmuster basieren zudem auf Standardleistungsbildern und dazu abgefragten Pauschalpreisen. Diese eignen sich für kleine und mittlere Projekte, jedoch erfahrungsgemäß nicht für Großprojekte.

Hierzu zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:

Beispiel 1: Verkehrsinfrastrukturprojekt, Ausschreibung 2021

  • Leistungsbild: PS-Standardleistungsbild des AG und zusätzlich BIM-Leistungen
  • Projektumfang: 18 Planfeststellungsabschnitte
  • Projektstand: Teilprojekte überwiegend in der Entwurfsplanung, jedoch zeitlich versetzt zu planen und auszuführen
  • Honorar: Festpreise pauschal, unabhängig von der Entwicklung der Herstellkosten
  • Leistungszeitraum: 17 Jahre
  • Preisgleitklausel: nein
  • Zuschlagskriterium: 100 % Honorar

Beispiel 2: Kommunales Hochbauprojekt, Ausschreibung 2021

Leistungsbild: PS-Standardleistungsbild des AG und besondere Leistungen
Projektumfang: rd. zehn Gebäude/Teilprojekte, z. T. zeitlich versetzte Abwicklung

  • Projektstand: Beginn der Vorplanung, jedoch noch kein rechtsgültiger Bebauungsplan
  • Honorar: Festpreise pauschal, unabhängig von der Entwicklung der Herstellkosten
  • Leistungszeitraum: 7 Jahre
  • Preisgleitklausel: nein
  • Zuschlagskriterium: 15 % Honorar

In beiden Fällen wurden die beim jeweiligen AG üblichen Vertragsmuster und Leistungsbilder verwendet, ohne diese zuvor an die besonderen Anforderungen und Risiken der einzelnen Großprojekte anzupassen.

Neues Vertragsmodell, partnerschaftlich und agil: anpassungsbedürftige Vertragsinhalte
Vertragsart: Ist der Werkvertrag die „richtige“ Vertragsform für langlaufende Verträge oder sollte man – vor allen Dingen mit dem Blick auf die Vergütung – eine Mischform aus Dienstvertrag mit werkvertraglichen Teilerfolgen, die messbar sind, anstreben? Gibt es nicht gerade bei langlaufenden Projekten im Schwerpunkt de facto einen hohen Beratungsanteil hinsichtlich der Leistungen des Projektsteuerers? Passt die Risikoverteilung des Werkvertrags auf einen langlaufenden Vertrag? Ist sie „gerecht“ genug, um Streitigkeiten über Anpassungserfordernisse auszuschließen?

Welche faktischen vertraglichen Sicherheiten erhält der Auftraggeber über die Vertragsart und kann man mit abweichenden Regelungen gegensteuern?
Sollten langlaufende Leistungen als Rahmenvertrag – insbesondere Mehrfachrahmenvertrag – vergeben werden? Und sollten dadurch mehrere Bewerber den Auftrag für den Mehrfachrahmenvertrag erhalten, um dem Auftraggeber mehr Spielraum bei veränderter Sachlage und auch für den Fall von Streitigkeiten zu geben?

Wir meinen: Hier muss neu gedacht werden. Das Vergaberecht müsste an langlaufende Projekte, insbesondere Infrastrukturprojekte, angepasst werden, weil es durch die jetzigen Risikovermeidungsabsichten zugunsten des Auftragnehmers bei Rahmenverträgen den Wettbewerb in langlaufende und sehr risikobehaftete Einzelverträge drängt.

Vergütungsform: Kann man bei einem langlaufenden Projekt den erforderlichen Aufwand bei Vertragsschluss so einschätzen, dass die Vereinbarung eines Pauschalpreises wirklich möglich ist? Macht das aus Auftraggebersicht bei relativ sicher eintretenden Vertragsänderungen – insbesondere in Bezug auf die Verlängerung der Ausführungsfrist – Sinn? Was spricht gegen eine zeit- und aufwandsbezogene Vergütung? Steht die Kostensicherheit einer aufwandsbezogenen Vergütung wirklich entgegen?

Wir meinen: Hier muss eine den typischen Projekterfordernissen angepasste Honorarstruktur mit Anpassungsmechanismen festgelegt werden, auch wenn damit auf den ersten Blick die Kosten, die sich aus der Beauftragung des Projektsteuerers ergeben, nicht bzw. nur in Teilen feststehen.

Vertragsfristen: Vertragsfristen und Termine sind als Projektziele und Vergütungsgrundlage wichtig, aber leider bei langlaufenden Projekten meist nicht realistisch. Eine Ausnahme wäre, wenn alle möglichen Projektrisiken zeitlich abgepuffert, d. h. bei der Festlegung der Vertragsfristen entsprechend berücksichtigt würden. Das ist z. T. aber quasi nicht möglich, was z. B. die realistische Einschätzung des Eintritts von Vergabeaufhebungen und Vergabenachprüfungsverfahren betrifft. Gleiches gilt für zeitliche Risiken aus Veränderungen der Rahmenbedingungen, die nachfolgend kurz angerissen werden. In der bauvertraglichen Praxis reagiert man bereits mit der Umsetzung von Lean-Management-Methoden und in einem Mehrparteienverfahren mit partnerschaftlich fortgeschriebenen Terminen.

Wir meinen: Der Anlass, die Art und der Umfang der Fortschreibung von Terminen müssen neu gedacht werden.

Anforderungen an Leistungen nach geänderten Rahmenbedingungen z. B. geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen, örtliche Gegebenheiten weichen ab, politische Vorgaben wechseln, etc.: Eine lange Laufzeit birgt das hohe Risiko der Änderung von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften sowie von anerkannten Regeln der Technik und Verfahrensweisen. Rechtlich kann, muss sich aber nicht in jedem Fall ein Anspruch auf Anpassung der Leistungen, der Vertragsfristen und der Vergütung auf AN-Seite ergeben. Zudem sind solche Änderungen auch von den weiteren Projektbeteiligten umzusetzen und begründen dort eben solche und insofern von dem Projektsteuerer zu managende Vertragsanpassungsansprüche. Gleiches gilt für politisch und sonst begründete Änderungen der Planung bzw. Anforderungen des Auftraggebers, der Projektziele im Übrigen oder solcher Erschwernisse, die jetzt die Coronapandemie nach sich gezogen hat.

Wir meinen: Risikopotenziale müssen bei Vertragsschluss nur evaluiert, aber nicht vertraglich einer Partei zugewiesen werden.

Ort der Leistungserbringung: Das Bauwesen leidet besonders stark unter dem zunehmenden Fachkräftemangel, dessen gravierende Auswirkungen bereits deutlich in Form von längeren Projektlaufzeiten und nachlassenden Qualitäten erkennbar sind. Der Fachkräftemangel betrifft sowohl die Projektleitungsaufgaben des Auftraggebers als auch die Projektsteuerungsleistungen der Auftragnehmer. Die Bereitschaft der Mitarbeitenden, projektbezogen zu pendeln, schwindet in diesem Zusammenhang mehr und mehr, ebenso wie der bisher in den meisten Fällen praktizierte Einsatz mit einem hohen Anteil von Überstunden. Hochqualifizierte Leistungsträgerinnen und Leistungsträger erwarten heute attraktive Arbeitsplätze, die eine optimale Vereinbarkeit von Beruf und Familie zulassen. Hierzu gehören überschaubare Auswärtseinsätze, flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, einen Teil der Arbeitszeit im Homeoffice zu leisten. Aus der Corona-Pandemie haben wir gelernt, dass bei der Nutzung der verfügbaren digitalen Methoden und Werkzeuge eine örtliche Präsenz des Projektmanagementpersonals nur noch in reduziertem Maß zur Umsetzung der Leistungen erforderlich ist.

Sofern Auftraggeber weiterhin darauf bestehen, dass Projektsteuerungsleistungen überwiegend am Projektort oder im Büro des AG zu erbringen sind, wird es nicht gelingen, die „besten Köpfe“ für das Projekt zu gewinnen und langfristig zu binden.

Wir meinen: Eine Verpflichtung zu einer kontinuierlichen oder überwiegenden örtlichen Präsenz ist nicht mehr zeitgemäß.

Abnahme- und Gewährleistungsrisiken: Bereits die grundsätzliche Länge der Vertragsabwicklung ist bei Großprojekten hinsichtlich der Haftungsdauer für Mängel und für sonstige Ansprüche des Auftraggebers eine Umsetzungsherausforderung für den Auftragnehmer. Wie soll man durchgängig bei einer sehr personenabhängigen Leistung eine konstant hohe und den berechtigten Erwartungshorizont des Auftraggebers befriedigende Qualität erbringen? Kann und soll es hier Entlastung geben, um alle Energie auf die Umsetzung der Projektziele und nicht auf Verteidigungsstrategien zu richten?

Wir meinen: Der Projektsteuerer sollte von einem ständig anwachsenden Vorwurfspotenzial zumindest in Teilen entlastet werden.

Sicherheiten: Mit der langen Vertragsabwicklung sind Vertragserfüllungssicherheiten z. T. über mehr als zehn Jahre zu stellen und belasten die Auftragnehmerseite finanziell und hinsichtlich der gesamten bilanziellen Bewertung des Auftrags erheblich. Die Honorierung ist, pro rata temporis gesehen, die gleiche wie bei verschiedenen, sich aneinanderreihenden kleineren Aufträgen, bei denen viel früher die Sicherheit besteht, dass die Vertragserfüllungssicherheit nicht verwertet wird.

Wir meinen: Das Erfordernis von durchlaufenden Sicherheiten muss überdacht werden. Die damit abgedeckten Risiken sind bei weitem geringer, als die gewährte Sicherheit abdeckt.

Versicherung: Bei Großprojekten wird es immer populärer, dass Projektversicherungen AG-seits abgeschlossen werden, an denen die Auftragnehmer des Projekts beteiligt und damit gemeinsam abgesichert werden. Das führt zu einem vermeintlich geringeren Aufwand in der Abwicklung von Schadensfällen, weil Haftungsschnittstellen wegfallen. Damit einher geht aber, dass bei großen Schadensfällen, wie z. B. den städtischen Bühnen Köln, die Versicherungssumme ausgeschöpft ist, bevor das Projekt zu Ende gebracht wurde. Damit müssen Beteiligte trotz Umlage ihre eigene Berufshaftpflichtversicherung wieder in Anspruch nehmen. Ein weiteres Problem sind gesellschaftliche Veränderungen auf Auftragnehmerseite, der Wegfall des Versicherungsschutzes etc.

Wir meinen: Der Versicherungsschutz für Großprojekte muss in Bezug auf die langlaufenden Verträge, d. h. insbesondere die Projektsteuerungs- und sonstigen Architekten- und Ingenieurverträge, neu überdacht und mit der Versicherungswirtschaft verhandelt werden.

Vorschläge für Vertragsanpassungen
Ausschreibung und Vertragsart: Ein Mischvertrag mit im Schwerpunkt dienstvertraglicher Ausrichtung entspricht nach diesseitiger Auffassung der Risikoverteilung bei langlaufenden Verträgen. Werkvertragliche Teilleistungen im Sinn von zeitunabhängigen Einmalleistungen sind dabei eindeutig zu beschreiben und vergütungstechnisch zu bewerten. Sie können ähnlich einer Einheitspreisliste vergütet werden, die bei Generalunternehmerverträgen für noch unbekannte Mieterausbauleistungen als vertragliches Instrument gerne eingesetzt wird. Dazu müssen die entsprechenden Teilleistungen evaluiert und insofern hierzu ein Teilleistungskatalog vom DVP für solche Projekte entwickelt und empfohlen werden. Erfahrungsgemäß machen zeitunabhängige Einmalleistungen in der Summe jedoch nur einen geringen Anteil an der Gesamtleistung der verlangten Projektsteuerungsleistungen aus (ca. 20 %). Aufgrund des hohen Anteils der zeitabhängigen Teilleistungen kann auch in Erwägung gezogen werden, den Vertrag vollständig dienstvertraglich auszurichten. Die dienstvertragliche Komponente führt bei der Haftung, d. h. der Inanspruchnahme des Projektsteuerers durch den Auftraggeber, zu Darlegungs- und Beweiserschwernissen auf AG-Seite. Die haftungsrechtlichen Nachteile des Auftraggebers können durch die vertraglichen Regelungen zu partnerschaftlich ausgerichteten Aufklärungsinstrumenten abgemildert werden. Solche partnerschaftlichen Aufklärungsinstrumente kennt man bereits aus der Feststellung von örtlichen Zuständen vor der Durchführung von Bauarbeiten, in der eine gemeinsame Beweissicherung durchgeführt wird. So sind Dokumentationsstadien und -formen denkbar, die eine solche gemeinsame Zustandsfeststellung bezogen auf die Leistungen und Leistungsergebnisse des Projektsteuerers umfassen, die damit von beiden Parteien im Streitfall nicht mehr infragegestellt werden können. Zusätzlich sollten für den verbleibenden Streitfall auch zugelassene Beweismittel wie Personen und Dokumentationsmittel verbindlich festgelegt werden.

Bei der Ausschreibung und Zuschlagserteilung hat in der Folge das Zuschlagskriterium Preis nicht mehr die tragende Rolle, sondern die Qualifikation, die Leistungsfähigkeit und die Referenzen des Projektsteuerungsunternehmens sowie des für die Abwicklung vorgesehenen Personals. Nützliche Empfehlungen zu Eignungs- und Zuschlagskriterien enthält bereits jetzt das AHO Heft Nr. 9, Pkt. 8, Leitfaden zur Beauftragung und Vertragsgestaltung von Leistungen des PM, das in der Vergabepraxis weiter in den Fokus der Vergabestellen gerückt werden sollte.

Vergütungsform und Personalkapazitäten: Wie schon vorstehend angeführt, empfehlen wir eine pauschale Vergütung nur noch für im Vorhinein bestimmte Teilleistungen im Sinne von Teilleistungserfolgen. Aufgrund der langen Vertragslaufzeit, deren Ende jedoch nicht bestimmbar ist, ist aus diesseitiger Sicht die zeitbezogene Vergütung mit vorab geschätzten Aufwendungen im Sinn von Personaleinsatz nahezu alternativlos. Mit der zeit- und gleichzeitig aufwandsbezogenen Vergütung kann AG-seits zudem schnell auf Fehleinschätzungen des Auftragnehmers hinsichtlich der Qualifikation und Leistungsfähigkeit sowie der Menge des erforderlichen Personals ohne langwierige Streitigkeiten über schwer messbare Schlechtleistungen reagiert werden. Dies muss mit Puffern zugunsten des Auftraggebers versehen werden, um die umfassende Nachbesserung falscher Angebote auf Auftragnehmerseite auszuschließen. Auch hier empfehlen wir eine Dokumentation, die im Sinn einer Beweissicherung für die Vertragsparteien verbindlich wird, z. B. indem man gemeinsam nach einem Zeitraum von z. B. sechs Monaten feststellt, welche Kapazitäten für welche Anforderungen ausreichend erscheinen und mithin die Pflichten des Projektsteuerers zum Personaleinsatz auch für die Zukunft definieren. Weiterhin sollte in gewissen Zeiträumen für beide Parteien mit einem zu definierenden Vorlauf die Möglichkeit bestehen, den Vertrag zu beenden. Hierzu empfehlen wir für die Auftraggeberseite den möglichen Abschluss von Mehrparteien-Rahmenverträgen wie vorstehend ausgeführt, um auf andere Projektsteuerer im Fall des vorzeiten Projektausstiegs zurückgreifen zu können.

Für die zeit- und aufwandsabhängige Vergütung sollte in Jahresscheiben eine index- oder kostensteigerungsabhängige Anpassung der Zeitvergütung vorgesehen werden. Eine aufwandsbezogene Vergütung bei der Beauftragung eines Rahmenvertrags lässt alle Vergütungsvariationen bei Abruf/Einzelbeauftragung und damit zeitnah zur Umsetzung und nicht schon lange im Voraus zu.

Hinsichtlich der Auswahl des Personaleinsatzes und der Qualifikation sollten drei bis vier Kategorien jeweils mit Mindestanforderungen und zugehörigen Vergütungssätzen vereinbart werden (z. B. Projektleitung, Senior-PM, Junior-PM, Projektassistenz). Die oben erwähnte Vorausschätzung und im Projektverlauf ggf. erforderliche Anpassung des Personaleinsatzes schließen immer auch die Prüfung und mögliche Anpassung der Zusammensetzung des Projektteams unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Qualifikationen und zugehörigen Kategorien ein.

Vertragsfristen und Mindestlaufzeit von Verträgen: Würde der Vorschlag des Rahmenvertrags aufgegriffen, dann macht eine längere Mindestlaufzeit unter Berücksichtigung der vergaberechtlichen Beschränkungen bzw. deren Überwindung Sinn, sofern auch die Anpassungen der zeitbezogenen Vergütungsätze an die Preisentwicklung auf Basis eines geeigneten Index geregelt sind.

Je nach Projektgröße empfiehlt es sich, einfache oder Mehrfach-Rahmenverträge mit einem oder mit mehreren Unternehmen abzuschließen. Aus vergaberechtlichen Kriterien muss mit Abschluss der Rahmenverträge den Auftragnehmern ein Mindestumsatz auf Basis einer Mindestdauer und des mindestens erwarteten Personaleinsatzes für ein kontinuierlich tätiges Kernteam zugesichert werden. Alle zusätzlichen Leistungen, Leistungsänderungen und ggf. erforderliche Kapazitätsanpassungen könnten dann zu den Bedingungen des Rahmenvertrags abgerufen werden.

Sofern Rahmenverträge mit mehreren Unternehmen abgeschlossen werden, erhöhen sich die Chancen, kurzfristig und agil auf einen geänderten Kapazitätsbedarf im Projekt und bei etwaigen Streitigkeiten mit einem Vertragspartner reagieren zu können, was zudem die Streitsituation merklich entschärfen würde.

Anforderungen an Leistungen nach geänderten Rahmenbedingungen, z. B. geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen, örtliche Gegebenheiten weichen ab, politische Vorgaben wechseln etc.: Die Evaluation von Risikopotenzialen mit einer entsprechenden Budgetierung vermeidet Streitigkeiten hierüber. Im Fall des Eintritts der Risiken bestimmen beide Parteien, welche Anteile aus dem Risikobudget darauf verwendet und wie die übrigen Projektziele angepasst werden. Im Vertrag sollen die „Leitlinien“ für die Anpassung geregelt sein, ähnlich den Abwägungsgrundlagen bei § 315 BGB, ohne dass dem Auftraggeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zukommen soll.

Ort der Leistungserbringung: Aus den bereits weiter vorne im Artikel genannten Gründen sollte dem Auftragnehmer der Ort der Leistungserbringung in angemessenem Umfang freigestellt werden. Das bedeutet nicht, dass auf persönliche Treffen und Baustellenbesuche vollständig verzichtet werden kann und darf. Die Vorstellungen vom Umfang des regelmäßigen Einsatzes vor Ort müssen vertraglich abhängig vom jeweiligen Projekt fixiert werden (ähnlich, aber genauer als der jetzige Vorschlag gem. Heft 9, dort Projektstufe 4). Bisher war in der Projektstufe 4 eine anlassbezogene Erhöhung dieses Standardeinsatzes geregelt, die in der Kalkulation des Projektsteuerers von wesentlicher Bedeutung und mangels Einschätzbarkeit quasi nicht greifbar war. Wir schlagen daher vor, diesen anlassbezogenen Einsatz zukünftig nach Aufwand, d. h. Tagessätzen, zu vergüten und hierfür vorher eine Einschätzung, also ein Budget festzulegen, das ebenfalls einer turnusmäßigen Überprüfung und Anpassung unterliegt. Der persönliche Austausch zwischen Auftraggeber und Projektsteuerer wird auch künftig einen wichtigen, wenn nicht sogar noch wichtigeren Beitrag zur Vertrauensbildung und Verbesserung der Zusammenarbeit leisten. Dafür steht eine nicht auswechselbare Projektleitung auf Projektsteuerungsseite zur Verfügung, was auf Basis eines Dienstvertrags von Auftragnehmerseite mangels hoher Haftungsrisiken einfacher und unbeschränkter leistbar ist.

Abnahme- und Gewährleistungsrisiken: Hier besteht die Möglichkeit der Teilabnahme, sofern es sich um die werkvertraglichen Bestandteile der Leistungen handelt. Bei einem Rahmenvertrag mit Einzelbeauftragung hängt das Recht auf Teilabnahme von der Vertragslänge eines Einzelauftrags ab.
Die Gewährleistung beginnt dann zum Nachteil des AG früher, was mit einer langlaufenden Projektversicherung und der Verhandlung einer entsprechenden Verlängerung der Gewährleistungsphase kompensiert werden könnte.

Sicherheiten: Sollte man sich als Auftraggeber tatsächlich nicht von Vertragserfüllungssicherheiten verabschieden können, dann sollten diese nicht länger als drei Jahre bzw. nur leistungsabschnittsbezogen gewährt werden müssen, bzw. in dieser Range abhängig von der Laufzeit eines ggf. nur per Einzelauftrag nach einem Rahmenvertrag beauftragten Teils der Gesamtleistung. Die maßgebliche Absicherung des Auftraggebers sollte über eine Projektversicherung erfolgen.
Versicherung: Ein Partneringprojekt ohne Projektversicherung ist kaum denkbar, weil es den Parteien und besonders dem Auftraggeber viele Streitthemen erspart und damit den Partnerschaftsgedanken umsetzt.

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