Schlechter Vertrag bleibt schlechter Vertrag: Nein!

HOAI 2021 und Basishonorarsatz

Deutsches Ingenieurblatt 6/2021
FKT
Ulf Genzel Consulting
HOAI
Recht

Können sich die Parteien nicht über die Höhe der Vergütung einigen oder treffen keine Vereinbarung in Textform, gilt der Basishonorarsatz der HOAI als vereinbart. Der Basishonorarsatz ermittelt sich unter richtiger Anwendung aller Parameter der HOAI und damit nicht nach der ursprünglichen Vereinbarung der Parteien. Er kann höher, aber auch niedriger liegen.

Frage 1: Ein Auftraggeber: Ich habe mit einem Tragwerksplaner ein Pauschalhonorar von 50.000 € vereinbart. Wir sind zwar fertig, haben uns jedoch wegen vieler Dinge gestritten. Nun will er „nach HOAI“ 60.000 € abrechnen. Kann er das?

Frage 2: Eine Planerin: Ich habe mit meinem Auftraggeber einen Vertrag über die Planung einer Straßenverkehrsanlage von A nach B über rd. 500 m. Wir haben die Honorarzone II vereinbart, obwohl eigentlich Honorarzone III zutrifft. Jetzt soll ich dieselbe Straße auch noch von B nach C, also über weitere 100 m mehr planen. Bin ich auch für diese Auftragserweiterung an Honorarzone II gebunden?

Frage 3: Ein Planer: Ich habe mit meinem Auftraggeber die Planung einer komplizierten Lüftungsanlage eines Gebäudes in Honorarzone III Mittelsatz vertraglich vereinbart. Jetzt soll das Nebengebäude auch bei der Lüftung mit integriert werden und er will mir dafür nur die Honorarzone III Basishonorarsatz zahlen. Muss ich das akzeptieren?

Frage 4: Eine Auftraggeberin: Ich habe mit einem Planer für Technische Ausrüstung einen Vertrag geschlossen und wir haben die anrechenbaren Kosten der Anlagengruppe 4 und 5 nicht getrennt. Ich möchte die Entwurfsplanung wesentlich geändert haben und nun kommt der Planer und möchte das Honorar mit getrennten anrechenbaren Kosten vergütet haben. Darf er das?

Frage 5: Eine Planerin: Ich habe mit meiner Auftraggeberin einen Vertrag über die Planung einer Wasserleitung und habe wegen Vorleistungen die Leistungsphase 2 nur mit 10 % bewertet. Jetzt muss diese vollständig geändert werden, aus Gründen, die ich nicht zu vertreten habe. Bleibt es bei den 10 % oder kann ich nun 20 % abrechnen?

Frage 6: Eine Auftraggeberin: Wir haben den Umbau eines Kindergartens bei einem Architekten in Auftrag gegeben und im Vertrag 10 % Umbauzuschlag vereinbart. Aktuell hat sich ergeben, dass der Kindergarten nochmal anders geplant werden soll, und zwar als Ganztagesbetreuung. Nun will der Architekt 20 % Umbauzuschlag. Kann er das fordern?

Vorab: Bei allen Fragen geht es, wie bei dem Artikel der Autoren im Monat zuvor, um § 7 Abs. 1 HOAI 2021. Dieser regelt: „Das Honorar richtet sich nach der Vereinbarung, die die Vertragsparteien in Textform treffen. Sofern keine Vereinbarung über die Höhe des Honorars in Textform getroffen wurde, gilt für Grundleistungen der jeweilige Basishonorarsatz als vereinbart, der sich bei der Anwendung der Honorargrundlagen des § 6 ergibt.“ Was „Textform“ ist, haben die Autoren im Artikel des vergangenen Monats umfassend behandelt. Bei den Fragen 1 bis 6 geht es um Satz 2 der Norm. Treffen die Parteien nämlich keine anderslautende Vereinbarung in Textform, gilt der Basishonorarsatz unter zutreffender Anwendung aller Parameter nach § 6 HOAI als vereinbart. Damit wollte der Verordnungsgeber in solchen Fällen auf einfachem Weg Rechtssicherheit schaffen (so die amtliche Begründung zu § 7 Abs. 1 S. 2 HOAI in der BR-Ds. 539/20).

Antwort 1: Auf Rückfrage hat der Auftraggeber, ein Bauträger, mitgeteilt, dass das Honorar nur mündlich vereinbart worden sei. Ohne eine Vereinbarung in Textform ist die pauschale Vereinbarung aber unwirksam und nach § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2021 gilt der Basishonorarsatz als vereinbart. Der Basishonorarsatz lag hier in der Tat bei 60.000 €, sodass der Tragwerksplaner das höhere Honorar zurecht geltend macht. Das hätte der Bauträger wissen können und als Profi auch wissen müssen. Er ist nicht besonders schutzwürdig (ausführlich Kalte/Wiesner im Deutschen Ingenieurblatt 04/2008, S. 60), selbst wenn sich der Tragwerksplaner hier durchaus nicht nett verhält.

Antwort 2: Nein! Die Erweiterung der Verkehrsanlage um 100 m ist eine gesondert zu beauftragende Zusatzleistung, rechtlich ein neuer Vertragsgegenstand. Die Parteien könnten zwar auch für diese erweiterte Planungsleistung wirksam die Honorarzone II vereinbaren, wenn sie dies in Textform vornehmen. Kommt es allerdings nicht zu einer solchen Vereinbarung, weil eine Partei, hier die Planerin, dies nicht akzeptieren möchte, gilt der Basishonorarsatz als vereinbart. Da es sich im vorliegenden Fall um eine innerörtliche Straße mit normalen verkehrstechnischen Anforderungen handelt und auch sonst keine Besonderheiten erkennbar sind, greift tatsächlich die Honorarzone III. Mit HOAI 2021 gilt aus Sicht der Planerin: Schlechter Vertrag (Honorarzone II) wird guter Nachtrag (Honorarzone III)!

Antwort 3: Ja! Führt der Planer die Zusatzleistungen aus, fehlt es aber an einer Vereinbarung in Textform über den Mittelsatz, gilt auch hier nach § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI der Basishonorarsatz, § 6 HOAI und § 2a HOAI. Weigert sich der Planer, Zusatzleistungen zu diesen Konditionen zu erbringen, hat der Auftraggeber nach 30 Tagen ergebnisloser Preisverhandlungen ein einseitiges Anordnungsrecht, § 650q Abs. 1 BGB und § 650b Abs. 2 BGB. Dann muss der Planer die Zusatzleistung erbringen. Vergütet wird dann ebenfalls der Basishonorarsatz statt Mittelsatz, § 650q Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2021. Aus Sicht des Planers: Guter Vertrag (Mittelsatz) wird schlechter Nachtrag (Basishonorarsatz)!

Antwort 4: Ja! Eine gewünschte Änderung der Entwurfsplanung betrifft grundsätzlich verschiedene Anforderungen. Es handelt sich um wiederholte Grundleistungen, sodass dies planerische Nachtragsleistungen sind. Auch hier gilt, dass dann, wenn es zu keiner Vereinbarung in Textform über die erneute Zusammenfassung von zwei Anlagengruppen kommt, nach § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI der Basishonorarsatz nach § 6 HOAI gilt. Und nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HOAI sind die zutreffenden anrechenbaren Kosten für jedes Objekt maßgeblich. Die Objekte der Technischen Ausrüstung ergeben sich wiederum aus § 54 Abs. 1 HOAI und das sind die Anlagengruppen. Der Planer hat hier die formal stärkeren Argumente. Aus Sicht des Planers wird aus einem schlechten Vertrag (kumulierte Anlagengruppen) ein guter Nachtrag (getrennte Anlagengruppen).

Antwort 5: Ja, 20 % statt 10 %, siehe die Antworten 3 und 4 zuvor! Denn ohne Vereinbarung gilt der Basishonorarsatz, § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2021. Dieser ergibt sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HOAI 2021 nach dem Leistungsbild. Für Ingenieurbauwerke regelt § 43 Abs. 1 HOAI 2021, dass die Leistungsphase 2 mit 20 % vergütet wird. Aus Sicht der Planerin: Aus schlechtem Vertrag (10 % Vorplanung) wird ein guter Nachtrag (20 % Vorplanung).

Antwort 6: Ja. Mangels Honorarvereinbarung zur wiederholten Grundleistung ist auch der Umbauzuschlag ein Fall von § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2021, weil über die Verweisung zu § 6 HOAI 2021 auch die Auffangregelung in § 6 Abs. 2 Satz 4 HOAI 2021 gilt. Diese regelt, dass bei fehlender Vereinbarung eines anderen Umbauzuschlags in Textform ein Zuschlag von 20 % (ab durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, was hier gegeben ist) als vereinbart gilt. Der Architekt kann also nun einen Umbauzuschlag in Höhe von 20 % für die wiederholte 20Grundleistung verlangen. Für den Architekten wird aus einem schlechten Vertrag (10 % Umbauzuschlag) nun ein guter Nachtrag (20 % Umbauzuschlag).

Fazit
§ 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2021 regelt, dass bei fehlender Vereinbarung in Textform der Basishonorarsatz der HOAI nach den Regelungen von § 6 HOAI 2021 als vereinbart gilt. Ändert sich die vereinbarte Leistung, sind die Parteien gehalten, eine neue Vereinbarung in Textform zu finden. Gelingt das nicht, ist der Basishonorarsatz vereinbart, der sich unter richtiger Anwendung aller Parameter von § 6 HOAI 2021 ergibt, und das sind: Objektbildung, anrechenbare Kosten, Honorarzone, Leistungsphasenbewertung, Basishonorarsatz der Honorartafel und Umbauzuschlag. Mit der HOAI 2021 muss ein schlechter Vertrag kein schlechter Vertrag bleiben, aber ein guter Vertrag muss auch kein guter Vertrag bleiben. Wollen Auftraggebende das verhindern, sollten sie Änderungen vermeiden. Dann bleibt es beim vereinbarten Honorar. Im Übrigen sind Honorarveränderungen auch vergaberechtlich zu prüfen, falls öffentliche Auftraggeber betroffen sind (ausführlich Kalte/Wiesner im Deutschen Ingenieurblatt 01/2020, S. 44).

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