Wir wollten die Zeichen nicht sehen

Die Politik und CO2

Deutsches Ingenieurblatt 04/2022

Die klimatischen Veränderungen sind für uns alle spürbar. Immer häufiger sehen sich auch die Menschen in Deutschland mit den Folgen entfesselter Naturereignisse konfrontiert. Kohlendioxid ist das Zünglein an der Waage und für das Gleichgewicht der Natur und im Zusammenspiel mit den Aerosolen und dem Wasser für das Klima verantwortlich.

Worauf kommt es nun an und können wir etwas tun? Reicht es aus, auf den Selbsterhaltungsmechanismus der Erde zu bauen? Eins muss klar sein: Naturkatastrophen und Klimaveränderung sind die Reaktion der Natur auf unsere Eingriffe in dieselbe.

Der CO2-Ausstoß bedarf einer näheren Betrachtung: Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war das Klima fast im Gleichgewicht, auch wenn immer mehr eiszeitliches Wasser abfloss. Im 19. Jahrhundert begann mit dem Siegeszug der Dampfmaschine die industrielle Revolution. Noch war das Klima im scheinbaren Gleichgewicht. Doch dann nahmen sie zu, die Schornsteine und Hausbrände in Berlin, dem Ruhrgebiet und anderen industriellen Zentren, alles auf Basis von Kohle. Das Dampfmaschinenzeitalter ging zu Ende und auch der Kohlehausbrand hat sich mindestens halbiert. Das gilt für alle großen Ballungszentren.

Wie wirkt sich das nun auf das Klima aus und wie sieht die CO2-Bilanz heute aus? Die Menschen wissen nur eines: Die Luft ist besser als früher (Das belegen auch zeitgenössische Berichte, Gemälde, Fotos und Filme.). Die Atmosphäre ist zwar durchsichtiger, aber das CO2 ist nach wie vor vorhanden; denn nach der Dampfmaschine kamen die Verbrennungsmotoren mit ihrem CO2-Ausstoß. CO2 ist zudem ein Element des Wassers und wird bei Verdunstung freigesetzt. Damit das Wasser wieder breit gefächert auf die Erde zurückfällt, muss es in der Atmosphäre verdunsten. Dieser Kreislauf ist für die Menschheit überlebenswichtig und darf nicht gestört werden.

Klima und Wetter kennen keine Grenzen
Wir müssen also zunächst die Fehler aus den vergangenen Jahrhunderten analysieren und dann behutsam korrigieren. Denn nicht nur in der Tragwerkslehre, sondern auch in der Natur folgt auf Actio die Reactio. Demnach muss der gesamte Wasserhaushalt ausgeglichen werden und für die Wasserhaltung und Wasserspeicherung muss mehr gemacht werden. Dazu gehören die Aufforstung ungenutzter Waldflächen, die Speicherung überschüssigen Niederschlagswassers und seine kontrollierte Abgabe. Die atmosphärische Staubverschmutzung ist mit der Verdunstung in Einklang zu bringen, das Klimagleichgewicht muss wieder hergestellt werden. Das muss Länder- und Kontinente überschreitend geschehen, denn Klima und das Wetter schlechthin, kennen auf der Erde keine Grenzen. Die „Wetter- und Klimaschmieden Europas“ sind der Golfstrom, El Niño und Grönland.

Wird dieses Zusammenspiel der Natur weiterhin gestört, wird die Klimakatastrophe ihren weiteren Lauf nehmen. Doch Europa kann sich noch nicht einmal auf eine gemeinsame Straßenverkehrsordnung einigen – wie soll das bei Klimaschutz dann anders und besser sein?

Wissenschaft und Technik müssen hier eine Einheit bilden und in ihren Bemühungen von der Politik zwingend unterstützt werden.

Den Absichtserklärungen und großen Konferenzen müssen Taten folgen, die für die Menschen auch einen Sinn aufzeigen. Ein großes Thema ist dabei die Energiepolitik. Auf der einen Seite schaffen wir die Atomkraft und die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen ab, um auf der anderen Seite die Elektrifizierung bisheriger Verbrennungskraftantriebe zu fördern. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die Fertigung dieser Elektroantriebe viele unersetzliche Ressourcen verbraucht, die aufwendig gewonnen werden müssen und deren Vorräte nicht unendlich sind. Für ihre Produktion wird ebenfalls Energie benötigt – die einen nicht unerheblichen CO2-Ausstoß verursacht.

Es ist ein Thema, das emotional diskutiert wird und zahlreiche Denkverbote hat: Aber wäre es nicht ein sinnvoller Gedanke, einige Milliarden Euro zu investieren, um damit die Atomkraft beherrschbarer zu machen und Ideen für eine sichere Entsorgung der radioaktiven Endprodukte zu entwickeln? Das Geld sollte da sein – immerhin kann die Bundeswehr nun kurzfristig um 100 Mrd. Euro aufgestockt werden. Wir müssen langfristig über Alternativen zu unseren vorhandenen Energieressourcen für eine sichere und stabile Versorgung in der Zukunft nachdenken. Gas und Öl sind endlich vorhanden und können auch nicht nachwachsen. Frankreich geht nun diesen Weg, steckt Milliardenbeträge in die atomare Zukunft des Landes und plant, mit neuen sicheren Technologien den Weltmarkt zu erobern.

Natürlich ist Wasserstoff ebenfalls eine Alternative. Aber um Energie aus Wasserstoff zu gewinnen, werden wir unser wertvolles Wasser verbrauchen – und CO2 wird im Kreis fahren.

Auf Eventualitäten ausgerichtete Gebäude
Wir Ingenieure müssen die Wissenschaft bei der Umsetzung ihrer Vorschläge und Ideen bestmöglich unterstützen und zukunftsorientiert planen und ausführen. Es gibt viel zu tun: Packen wir es an, im Kleinen wie im Großen.
Energetisch zu Planen und zu Bauen, kann da nur der Anfang sein. Unsere verwendeten Baustoffe müssen eines Tages nahezu immer wiederverwendbar sein, auch muss noch stärker die Gebäudeerhaltung und Umnutzung im Fokus stehen. Funktionslose Bauten abzureißen und das verwendbare Material wieder dem Baustoffmarkt zuzuführen, muss Inhalt der Lehre an unseren Hochschulen und Universitäten werden. Die BTU Cottbus geht hier mit gutem Beispiel voran und hat einen Lehrstuhl für Baustoffrecycling eingerichtet.

Der Ausbau unserer Ver- und Entsorgungssysteme gehört noch stärker ins Pflichtenheft unserer Stadt- und Infrastrukturplanung. Dazu gehört es ebenso, Mischwasserkanäle zu trennen, wie Absalzwasser versickern zu lassen und in Flüsse abzuleiten. Auch muss das Wasser von versiegelten Flächen vor Ort versickert werden und ist ggfs. zunächst in großen Zisternen zwischenzuspeichern. Das gilt insbesondere in gebirgigen Gegenden und der Oder, damit das Niederschlagswasser nicht wieder zu Hochwasserkatastrophen führt, wie sie an vielen Flüssen in Deutschland und anderswo eingetreten sind. In gefährdeten Gebieten ist es zwingend erforderlich, Bauwerke so zu errichten, dass sie Naturkatastrophen auch widerstehen können. Es ist keine Lösung, an den Stellen, wo Hochwasser in Innenstädte eingedrungen ist, aufgrund bestehender Hochwassergefahr keine Gebäude mehr zu errichten. Das ist auch schon aus emotionalen Gründen nicht möglich: Es entwurzelt die Menschen und verunstaltet die betroffenen Kommunen. Gefährdete Gebäude lassen sich auf sicheren Bohrpfählen mit auftriebssicheren Erdgeschossen aus wasserundurchlässigem Beton und druckfesten Öffnungsverschlüssen, wie im Schiffbau, bauen. Das auf Eventualitäten ausgerichtete Bauen kennen wir schon aus anderen Bereichen, beispielsweise bei erdbebensicheren Bauwerken. Hier sind auch die Versicherungen gefordert, im Schadenfall flexibler zu werden.

Information ohne Polemik, Neid und politische Rücksichtnahme
Wir müssen endlich ein Klimagleichgewicht herbeiführen, sonst wird die Natur immer und immer wieder erbarmungslos zurückschlagen. Das optimale Klima ist durch mäßige Wärme und häufige Tiefdruckgebiete, die genügend Regen bringen, geprägt. Das begünstigt auch die Stimulanz des Wetterwechsels. Ein weiterer Faktor ist hierbei der Wind, der als Transporteur des Wetters wesentlich zur Klimabildung beiträgt. Wind ist die physikalische Druckausgleichsbewegung, die durch die unterschiedlichen Luftdruckgebiete entsteht. Diese Luftdruckunterschiede sind das Ergebnis von Wasserdampfbildung und Sonneneinstrahlung. Damit das gut funktioniert, muss die Luft sauber gehalten werden. Das ist noch einmal ein ganz anderer Aspekt, wenngleich auch ein sehr wichtiges und das Klima beeinflussendes Thema. Mittlerweile ziehen sich die Tiefdruckgebiete immer mehr zur Arktis zurück und dadurch verschiebt sich auch die Reibungsgrenze zwischen den Hochdruck- und den Tiefdruckgebieten weiter nach Norden. Das führt zu einem geringeren Luftaustausch in Europa und zu den vereinzelt auftretenden zerstörerischen Starkwinden.

Klimaschutz und Klimaerneuerung, wie man diese Maßnahmen auch immer nennen will, ist nur ein Teilgebiet des Umweltschutzes insgesamt – wenngleich der wichtigste Teil. Das müssen alle Menschen auf der Erde als ihre Aufgabe verstehen und daher fällt den Medien die große Aufgabe zu, sich ihrer Informationspflicht frei von Polemik, Neid und politischer Rücksichtnahme zu stellen.

Diesbezüglich ist bei den deutschen Medien, speziell dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, bereits ein großer Fortschritt festzustellen. Wetterberichte, Wettervorschauen und Sendungen zum Wetter/Klima werden von kompetenten Wissenschaftlern und nicht von themenfremden Kommentatoren moderiert. Großartig war dazu der ARD-Themenabend vom 17. März 2022 zum Thema Wasser. Der Film zeigte sehr eindrucksvoll, wie gewissenlos die Gesellschaft mit der Wasserproblematik umgeht. Insbesondere die Wettervorhersagen haben Dank der Weltraumbeobachtung an Treffsicherheit gewonnen und geben dem Zuschauer einen nachvollziehbaren und verständlichen Einblick in die Klimaproblematik. Die sachliche und informative Berichterstattung zu Naturkatastrophen in vielen Medien ist ein guter Schritt in die richtige Richtung – auch wenn manch befragter „Experte“ kein wirklicher Fachmann auf dem Gebiet ist. Der erste Fernsehmeteorologe der Welt, Dr. Heinz Runge, würde heute von der Erfüllung seines Lebenstraums sprechen, hätte er vor 70 Jahren die technischen Möglichkeiten der Satellitenbeobachtung und Computerberechnungen für die Wettervorhersage gehabt.

Fazit
Viele Gedanken habe ich in meinen drei Veröffentlichungen nur kurz angerissen. Mein Ziel war aufzuzeigen, wie groß, widersprüchlich und allumfassend die Thematik Klima ist und dass das alles für uns nichts Neues sein kann und ist. Wir Menschen haben die Anzeichen nicht gesehen oder wollten sie nicht sehen und haben aus der Geschichte und von den Wissenschaften nichts gelernt. Wenn das so ist und bleibt, dann war die UN-Klimakonferenz in Glasgow 2021 wieder nur eine von vielen Politshows. Das darf nicht sein!

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