Appartementhaus mit modernem Brandschutzkonzept

Fünfgeschosser in Holzbauweise realisiert

bauplaner 05/2021
SMT-Streaming Media Technologies GmbH
Objekte

In der Region Aachen entsteht ein fünfgeschossiges Boardinghouse in Holzbauweise mit insgesamt 59 barrierefreien Appartements. Mit einer brandschutztechnisch wirksamen Bekleidung der tragenden und nicht tragenden Innen- und Außenwände aus Gipsfaserplatten konnte ein von der Landesbauordnung NRW abweichendes Brandschutzkonzept realisiert werden, das mit dem geforderten Sicherheitsniveau gleichzeitig eine hohe Wirtschaftlichkeit gewährleistet.

Boardinghouses sind oft hip und funktionell eingerichtete Appartementhotels. Gäste wohnen dort für einen begrenzten Zeitraum auf kleinem Raum, teilweise stehen ihnen hotelähnliche Leistungen zur Verfügung. Anders als im Hotel profitieren die Bewohner jedoch von einem hohen Maß an Privatsphäre und Individualität. Kein Wunder, dass sich das Segment im Aufwind befindet. Laut Handelsblatt wurden 2017 rund 12,8 Millionen Übernachtungen in Boardinghouses gebucht. Das bedeutet einen Anstieg von knapp 33 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig steigt laut Handelsblatt auch das Angebot rasant. So sei der Markt für Boardinghouses 2017 um etwa 30 Prozent gewachsen, für 2019 gibt die Wirtschaftszeitung ein Wachstum von weiteren 40 Prozent an.

Aktuell entsteht auf einem in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof gelegenen Grundstück in Herzogenrath ein fünfgeschossiges Appartementhaus in Holzbauweise. Insgesamt 59 Appartements mit Größen zwischen 32 und 52 Quadratmetern sind in dem Bau mit einer Grundfläche von ca. 1.270 Quadratmetern untergebracht. Jeweils 16 Wohneinheiten sind im Erdgeschoss, im ersten und im zweiten Obergeschoss angeordnet. Im 3. Obergeschoss befinden sich neun Appartements sowie die Technik und Wasch- bzw. Trockenräume. Zwei weitere rollstuhlgerechte Appartements sind im vierten Obergeschoss eingeplant. Der vom Architekturbüro Claudia Weber aus Geilenkirchen in Zusammenarbeit mit dem Holzbausachverständigen Stefan Schebesta geplante Bau wird über zwei Treppenhäuser auf der Nord- bzw. Südseite erschlossen. Sie werden ebenso wie der Aufzugschacht im nördlichen Treppenhaus, das gleichzeitig den Haupteingang bildet, in Stahlbetonbauweise erstellt. Die Wände der einzelnen Geschosse dagegen entstehen in Holzrahmenbauweise. Dabei werden die tragenden und nicht tragenden Innen- und Außenwände mit einer brandschutztechnisch wirksamen Bekleidung aus fermacell Gipsfaserplatten realisiert. Die Decken sind als Holzmassivdecken mit sichtbarer Untersicht geplant.

Das Brandschutzkonzept
Mit Abmessungen von 46,18 x 27,51 Metern sowie einer Fußbodenhöhe des obersten Aufenthaltsraumes von 12 Metern über Straßenniveau und Nutzungseinheiten unter 400 Quadratmetern wird das Gebäude gemäß der zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen BauO NRW 2000 als Gebäude mittlerer Höhe eingestuft und entspricht damit der Gebäudeklasse 4. Nach § 29 Abs. (1) der BauO NRW 2000 müssen in dieser Gebäudeklasse tragende Wände, Pfeiler und Stützen feuerbeständig, also in F90-A-Qualität, hergestellt werden. Das bedeutet, dass die tragenden und aussteifenden Teile aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen. Geplant war jedoch, die fünf oberirdischen Geschosse des Gebäudes in Holzmassivbauweise auszuführen. Ein Ingenieurbüro erarbeitete ein individuelles Brandschutzkonzept, das von diesen Vorgaben abweicht. Auf Basis einer umfassenden Risikobewertung des gesamten Bauvorhabens weisen die Sachverständigen nach, dass durch geeignete Kompensationsmaßnahmen und durch das Zusammenwirken von baulichen und anlagetechnischen Maßnahmen die allgemeinen bauaufsichtlichen Schutzziele der nordrheinwestfälischen Bauordnung auch dann erreicht werden, wenn tragende Wände, Pfeiler und Stützen nicht in F90-A-Qualität ausgeführt werden. Als Begründung verweisen sie auf die beiden massiven Treppenhäuser im Norden und Süden der Anlage. Damit kann in den unteren Geschossen die Forderung nach zwei voneinander unabhängigen, möglichst entgegengesetzt liegenden Flucht- und Rettungswegen erfüllt werden, die mit Längen von maximal 32 Metern unter den zulässigen 35 Metern bleiben. Lediglich im Dachgeschoss ist der zweite Fluchtweg über die Dachterrassen mit Drehleitern der Feuerwehr zu gewährleisten.

Die Sachverständigen verweisen darauf, dass die Holztragkonstruktion wegen der fehlenden Einkapselung der Holzdecke durch nicht brennbare Bekleidungen früher am Brandgeschehen teilnimmt. Dieses Risiko wird jedoch durch die kleinen und übersichtlichen Nutzungseinheiten von 32 bis 52 Quadratmetern minimiert, die mit hoch feuerhemmenden Trennwänden abgeteilt werden. Dies sowie die flächendeckende Installation von Rauchwarnmeldern ermöglichen es, einen eventuellen Brand schnell zu entdecken. „Durch die Kleinteiligkeit der Wohneinheiten“, heißt es im Gutachten, „wird die Brandbekämpfung bzw. das Auffinden vermisster Personen im Brandfall erheblich erleichtert.“ Aufgrund der beiden Stahlbetontreppenhäuser können außerdem wirksame Löscharbeiten durchgeführt werden, zumal das Gebäude selbst durch seine innerstädtische Lage für die Feuerwehr gut zu erreichen ist und auf ausreichende Hydranten zur Löschwasserentnahme zurückgegriffen werden kann.

In Kombination mit diesen anlagentechnischen und organisatorischen Maßnahmen halten die Sachverständigen eine von der BauO NRW 2000 abweichende hoch feuerhemmende statt einer feuerbeständigen Ausführung der tragenden und aussteifenden Wände für unbedenklich, die durch Bauteile in F60-B K260 sichergestellt werden kann. „Zur Kompensation der Verwendung brennbarer Baustoffe für die tragenden und aussteifenden Wände“, heißt es im Brandschutzkonzept, „erhalten diese eine Brandschutzbekleidung der Kapselklasse K260 gemäß DIN EN 13501-2 in Anlehnung an die Musterholzrichtlinie.“ Eine Entzündung der Holztragglieder vor der sechzigsten Minute kann damit zuverlässig ausgeschlossen werden. Gleichzeitig dient die Anforderung K260 dazu, einen Brandeintrag in die Bauteile bei einem Brandereignis in einer Nutzungseinheit zu verhindern und den zusätzlichen Eintrag von Brandlasten auszuschließen. „Damit besteht für mindestens 60 Minuten nach Brandbeginn eine Gleichwertigkeit der Konstruktion zu einer massiven Stahlbeton- oder Mauerwerksbauweise“, so der Sachverständige. Die Decken werden ebenso wie die Außenwände statisch auf Abbrand mit einem Feuerwiderstand von 60 Minuten bemessen. Die Außenwände erhalten abweichend eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen in K230 gemäß DIN EN 13501-2 in Anlehnung an die Musterholzrichtlinie. Eine Entzündung vor der dreißigsten Minute kann damit ausgeschlossen werden.

Wandkonstruktionen
Umgesetzt werden die Vorgaben des Brandschutzkonzeptes mit fermacell Gipsfaserplatten des Herstellers James Hardie. Diese gewährleisten je nach Konstruktion Brandschutz bis zur Feuerschutzklasse F120 und sind gemäß der DIN EN 13501 als nicht brennbarer Baustoff der Baustoffklasse A2 klassifiziert. Die Platten, die aufgrund ihrer hohen Stabilität im Holzbau sowohl tragend als auch aussteifend verwendet werden können, bieten mit ihrer homogenen Struktur aufgrund ihrer Faserarmierung (recycelte Papierfasern) eine hohe mechanische Beanspruchbarkeit und stellen mit Material- und Verarbeitungseigenschaften, die dem Holz sehr ähnlich sind, eine gute Ergänzung zur Holzunterkonstruktion dar.

Sämtliche Wohnungstrennwände sowie die Trennwände zwischen den Nutzungseinheiten und anders genutzten Räumen werden gemäß Brandschutzgutachten als tragende Holzwände in F60-B- und K260-Kapselung hergestellt. Sie erhalten beidseitig eine doppelte Beplankung mit fermacell Gipsfaserplatten mit darunter angeordneter Dämmung aus Mineralwolle (Baustoffklasse A1, nicht brennbar, Schmelzpunkt > 1.000 °C) sowie einer Holzwerkstoffplatte.

Die raumseitige Beplankung der Außenwände erfolgt mit einer 18 mm dicken Gipsfaserplatten. Eine einfache Lage aus Gipsfaserplatten schließt die Konstruktion nach außen hin ab. Sie dienen als Trägerplatte für das anschließend aufzubringende Wärmedämmverbundsystem. Zur Dämmung im Wandhohlraum kommt Mineralwolle (Baustoffklasse A1, nicht brennbar, Schmelzpunkt > 1.000 °C) in Kombination mit einer Dampfbremse zum Einsatz. Den Abschluss der Außenwandkonstruktion bildet ein nicht brennbares Wärmedämmverbundsystem mit einem mineralischen Oberputz.

Ähnliche Beiträge