Arbeitszeitgesetze und tarifliche Regelungen

Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung

Deutsches Ingenieurblatt 05/2022

Beratende Ingenieure können ihre Arbeitszeit und die ihrer Mitarbeiter nicht immer perfekt planen. Notfälle müssen gelöst werden, Zeitpläne werden umgestoßen, Projektrückstände müssen aufgeholt werden. Gleichzeitig ist die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten. Der folgende Beitrag zeigt Möglichkeiten auf, ohne die vorgegeben Gesetzesgrenzen zu überschreiten.

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) enthält die gesetzlichen Vorschriften, die für jedes Arbeitsverhältnis gelten. Das ArbZG bezieht sich explizit auf Arbeitnehmer. Ein selbständiger Ingenieur kann so lange und viel er möchte, bzw. vermag, arbeiten.

Ist ein Ingenieurbüro tarifgebunden, sind die hier ausgeführten Regelungen einzuhalten. Nach § 7 ArbZG sind in einem Tarifvertrag abweichende Regelungen zugelassen, welche auch von nicht tarifgebundenen Betrieben in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung angewandt werden können. Diese Ausnahmen bestehen für spezielle Branchen, in denen Wochenendarbeit erforderlich ist, bspw. in der Gastronomie oder der Landwirtschaft. Regelungen für Beratende Ingenieure oder selbständig tätige Ingenieure liegen nicht vor. Unzulässig sind allerdings Regelungen, die bezüglich der Arbeitszeit darüber hinausgehen, selbst wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer darüber Einigkeit erzielen. Hier schränkt der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit zugunsten des Arbeitnehmerschutzes ein. Damit ist für die Beratenden Ingenieure ein Tarifvertrag relevant. Da es nicht den „einen, universellen“ Tarifvertrag gibt, ist eine begründete Auswahl erforderlich, die für Dritte nachvollziehbar ist.

Wöchentliche Arbeitszeit: Gemäß ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann nur auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Sonn- und Feiertagsarbeit: Sonn- und Feiertage sind gemäß § 9 ArbZG grundsätzlich arbeitsfrei. Ausnahmen werden in § 10 ArbZG aufgeführt, wobei die folgenden Punkte für Ingenieurbüros relevant sein können: Absatz 11 „Arbeiten in Energie- und Wasserversorgungsbetrieben sowie in Abfall- und Abwasserentsorgungsbetrieben", Absatz 14 bei der Reinigung und Instandhaltung von Betriebseinrichtungen, soweit hierdurch der regelmäßiges Fortgang der eigenen oder fremden betriebsbedingt ist, sowie Absatz 16 zur Vermeidung einer Zerstörung oder erheblichen Beschädigung der Produktionseinrichtungen.
Im Einzelfall kann eine Aufsichtsbehörde die Arbeiten genehmigen. Diese Genehmigung ist vorab einzuholen.

Pausenzeiten: Paragraf 4 des ArbZG schreibt vor, dass Arbeitnehmer regelmäßig Pausen machen müssen:

  • ab sechs Stunden Arbeit mindestens 30 Minuten Pause
  • ab neun Stunden Arbeit mindestens 45 Minuten Pause

Da Arbeitnehmer in Pausen keine Arbeit leisten, werden diese nicht bezahlt. Durchzuarbeiten, statt Pause zu machen, ist unzulässig.

Der Toilettengang ist ein natürliches Bedürfnis und muss vom Arbeitgeber geduldet und bezahlt werden. Ärger bereiten hingegen oft Raucherpausen, zumal an vielen Arbeitsplätzen Rauchen verboten ist und entsprechende Wege zu Raucherplätzen anfallen. Diese Zeiten müssen nicht bezahlt werden, sofern sie eindeutig untersagt sind.

Ruhezeiten: Arbeitnehmer müssen nach Beendigung ihrer täglichen Arbeitszeit (= Arbeitszeit + Pause) allgemein eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.

Dokumentationspflichten: Es besteht eine Dokumentationspflicht gem. § 16 Abs. 2 ArbZG bei: 

  • Arbeitszeit, die über 8 Stunden hinausgeht,
  • Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen.

Die Unterlagen sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Die Dokumentation kann auf unterschiedliche Art erfolgen, eine spezielle Form ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Aus den Nachweisen muss lediglich der zeitliche Umfang der Überschreitung der 8-Stunden-Grenze, bezogen auf den einzelnen Tag, sowie gegebenenfalls der Ausgleichstag und der zeitliche Umfang des Ausgleichs hervorgehen. Eigenaufschriebe der Beschäftigten sind möglich.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet auf seiner Website kostenlos sowohl einen einfachen Stundenzettel als auch eine Smartphone App zur Erfassung der Arbeitszeit an.

Diese Dokumentationspflicht sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Spätestens wenn es zu Arbeitsunfällen kommt, prüfen die zuständigen Arbeitsschutzämter die Dokumentation genau.

Bereitschaftsdienste: Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer im Betrieb oder in unmittelbarer Nähe aufhalten muss, um bei Bedarf den Dienst sofort aufzunehmen. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2000 ist der Bereitschaftsdienst im Sinne des europäischen Arbeitszeitrechts Arbeitszeit (Rs C-303/98). Das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wurde 2004 entsprechend angepasst.

Verbunden mit der Definition der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit ist die Entlohnungspflicht. Da dieser Dienst aber i.d.R. zu einer weniger anstrengenden Belastung führt, muss dieser nicht im gleichen Umfang wie die restliche Arbeitszeit vergütet werden. Arbeitgebern ist es deshalb erlaubt, in Arbeits- und Tarifverträgen einen geringeren Stundenlohn für die Zeit des Bereitschaftsdienstes festzulegen, wobei der gesetzliche Mindestlohn die Untergrenze bildet.

Rufbereitschaft: Anders als beim Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und der europäischen Arbeitszeitrichtlinien; deshalb muss keine Vergütung erfolgen.

Während einer Rufbereitschaft muss der Mitarbeiter nicht am Arbeitsplatz sein. Er hat sich in der Regel in einem vereinbarten Gebiet aufzuhalten und ständig erreichbar zu sein. Nach Paragraf 5 des ArbZ gilt die Rufbereitschaft als Ruhezeit. Oft einigen sich Arbeitgeber und -nehmer aber auf vertraglich festgehaltene Rufbereitschaftszulagen.

Wenn der Mitarbeiter zur Arbeitsleistung aufgefordert wird (einschließlich Fahrtzeit), hat er einen Anspruch auf Vergütung, wobei auch Sonn- und Feiertagszuschläge fällig werden.

Der Hin- und Rückweg zur Arbeit, die sogenannten Wegezeiten, gehören nicht zur Arbeitszeit und werden nicht bezahlt. Fahrten zu Kunden zählen jedoch dazu.

Regelung im Arbeitsalltag: Regelungen im Arbeitsalltag sind weder im Arbeitszeitgesetz noch in Manteltarifverträgen festgelegt. Der rechtliche Rahmen wird vielmehr durch Urteile der Arbeitsgerichte präzisiert.

Wenn auch körperlich anstrengende Tätigkeit bei Ingenieuren häufig die Ausnahme darstellt, ist die intellektuelle Anstrengung oftmals sehr hoch. Daher benötigen selbst die leistungsfähigsten Mitarbeiter wiederholt Pausen. Kein Vorgesetzter wird ständig auf die Uhr schauen, diese Zeiten erfassen und von der Arbeitszeit abziehen. Dennoch sollten alle Beteiligten klar definiert haben, was zur Arbeitszeit gehört und was nicht. Nicht zuletzt, weil es um entsprechende Kosten geht. Selbst zehn zusätzliche Minuten am Tag summieren sich im Monat zu mehr als zwei Arbeitsstunden auf. Wer hier eine Betrachtung der Arbeitsleistung mehrerer Mitarbeiter über ein Jahr vornimmt, erkennt, dass es sich nicht um „Peanuts“ handelt.

Rüstzeiten, An- und Ausziehen von Arbeitskleidung: Das Einrichten einer Maschine, das Beladen von Fahrzeugen oder Hochfahren eines PC sind sog. Rüstzeit, welche erforderlich sind, um die vom Arbeitgeber vorgegebenen Aufgaben ausführen zu können, weshalb eine Entlohnung vorgeschrieben ist. Damit wäre bspw. eine Zeiterfassung am PC über eine arbeitstägliche Pauschale anzupassen.

Das An- und Ausziehen gehört dann zur Arbeitszeit, wenn es sich um vorgeschriebene Arbeitskleidung handelt, was bei Ingenieuren bei Außeneinsätzen relevant sein kann. 2012 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass ein Arbeitgeber, der eine bestimmte Arbeitskleidung vorschreibt, die Umkleidezeit bezahlen muss (Az.: 5 AZR 678/11).

Dabei müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein, damit Arbeitszeit vorliegt:

  • Der Mitarbeiter muss die Arbeitsbekleidung bereits bei Arbeitsbeginn tragen.
  • Der Mitarbeiter darf sich nicht bereits zuhause umziehen.
  • Es bestehen keine vertraglichen oder tarifvertraglichen Vereinbarungen, dass das Umziehen schon mit der Vergütung abgegolten ist.

Einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen (Az.: 16 Sa 494/15) zufolge müssen Arbeitgeber das An- und Ausziehen von Schutzkleidung/Sicherheitskleidung bezahlen, auch wenn Mitarbeiter diese theoretisch schon zuhause anziehen können. Die Richter entschieden hier zugunsten eines Mitarbeiters eines Müllkraftwerks, da es ihm, so das Urteil, nicht zuzumuten sei, seine Schutzkleidung in der Öffentlichkeit zu tragen.

Kurze Ruhepausen: Kurz einen Kaffee zu trinken, sich einmal hinzusetzen und bei anstrengender Tätigkeit durchzuschnaufen, gehört rein formell nicht zur Arbeitszeit, sondern ist eine „Pause“. In der Praxis werden solche Kurzpausen meist vom Arbeitgeber geduldet, wobei Umfang und Dauer von der Tätigkeit abhängen.

Wenn ein Arbeitgeber möchte, dass seine Mitarbeiter sich ausschließlich in der gesetzlichen Pause ein Getränk holen oder er eine zu lange Kaffeepause vermeiden will, kann er dies vertraglich festlegen. Sind Kurzpausen erlaubt, kann der Arbeitgeber eine vorgegebene Zeit im Vertrag festhalten. So ist bspw. der folgenden Passus möglich: „Dem Arbeitnehmer ist es erlaubt, eine Kaffeepause von maximal zehn Minuten während der Arbeitszeit zu machen. Diese Zeit kann über den Arbeitstag aufgeteilt werden.“

Sind Kurzpausen nicht erlaubt, bietet sich folgende Präzisierung an: „Dem Arbeitnehmer ist es untersagt, während der Arbeitszeit Kaffee zu holen oder andere Mitarbeiter ohne geschäftlichen Anlass aufzusuchen. Solche Aktivitäten sind in die geregelten Pausen zu verlegen.“

Werden Kurzpausen ohne Erwähnung im Vertrag geduldet, aber dem Arbeitsgeber fällt auf, dass der Mitarbeiter vier- oder fünfmal in der Stunde eine Kaffeepause einlegt, ist eine Abmahnung möglich. Welche Anzahl bzw. Dauer von Kurzpausen zu viel sind, muss jeder Büro- oder Unternehmensinhaber individuell entscheiden.

Außendienstmitarbeiter: Bei Mitarbeitern, die ständig unterwegs zu Kunden sind, gehört die Reisetätigkeit zur Vertragspflicht (Paragraf 611 Absatz 1 BGB). Deshalb müssen Arbeitgeber ihnen die Fahrtzeit vergüten. Dabei zählen nicht nur die Fahrten zwischen den einzelnen Kunden als vergütete Arbeitszeit, sondern auch die erste und letzte Fahrt von zuhause zum Kunden und zurück. Vergleichbares gilt für Kraftfahrer und Vertreter.

Ist der Hauptarbeitsplatz allerdings im Ingenieurbüro und betreut der Mitarbeiter nur gelegentlich Geschäftspartner außer Haus, zählt die Fahrt von zuhause zum Kunden nicht zur Arbeitszeit.

Dienstreisen: Eine Dienstreisezeit in der regelmäßigen Arbeitszeit zählt zur Arbeitszeit und muss vergütet werden. Differenzierter verhält es sich, wenn die Reisezeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegt.

Ob diese Zeit Arbeitszeit ist, hängt vor allem davon ab, ob der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern verlangt, während der Reisezeit zu arbeiten, zum Beispiel E-Mails zu beantworten oder Telefonate anzunehmen. Wenn dies der Fall ist, ist die Reisezeit als Arbeitszeit zu werten. Autofahrten gelten für den Fahrer bei Dienstreisen stets als Arbeitszeit. Kann der Mitarbeiter dagegen im Zug entspannen, gilt die Reisezeit nicht als Arbeitszeit, auch wenn die Reise aufgrund der Arbeit vorgenommen wurde.

Wird ein Mitarbeiter mit einem Stundenlohn bezahlt, tritt für die Zeit der Reise das Mindestlohngesetz in Kraft. Zum Beispiel: Ein Mitarbeiter verdient 18 Euro in der Stunde. Fährt dieser auf Dienstreise, muss der Arbeitgeber während der Ausübung der regulären Arbeit die 18 Euro zahlen. Für Fahrtzeiten, ob mit Auto, Bahn oder Bus, muss der Arbeitgeber zumindest den Mindestlohn von aktuell 9,60 Euro (Stand Januar 2022) zahlen. Die Zeit vor Ort oder im Hotel ist Freizeit und muss – wenn nicht vertraglich anders geregelt – nicht vergütet werden.

Für Dienstreisen können alternativ Pauschalen gezahlt werden. Allerdings muss bei einer genauen Umrechnung die Vergütung zumindest dem Mindestlohn entsprechen, unabhängig davon, ob bei Stundenlohn oder Monatsgehalt.

Feiern: Willkommens- oder Abschiedsfeiern, aber auch Geburtstagsfeiern gehören nach dem ArbZG nicht zur vergüteten Arbeitszeit. Diese Zeit ist eine kommunikative Pause. Da aber oftmals über die Arbeit geredet wird, dulden viele Vorgesetzte solche Feierlichkeiten während der Arbeitszeit. Ist die Teilnahme angeordnet, handelt es sich um Arbeitszeit.

Sonderregelungen: Arbeitgeber dürfen Überstunden anordnen, sofern es Regelungen dazu im Arbeits-, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung gibt. Werden Überstunden angeordnet, müssen diese vergüten werden. Es gibt hierzu keine gesetzlichen, allerdings manteltarifliche Vorgaben, die auch herangezogen werden müssen, wenn der Unternehmer keinem Arbeitgeberverband angehört.

Bei freiwilligen Überstunden besteht kein Anspruch auf Gehalt. Außer das aufgetragene Arbeitsvolumen ist derart groß, dass der Mitarbeiter es während der regulären Arbeitszeit nicht bewältigen kann. Hier ist eine vorherige Rücksprache geboten. Als Alternative zur Vergütung können Arbeitnehmer und -geber vereinbaren, dass Mitarbeiter Überstunden abbauen können, statt sie ausgezahlt zu bekommen. Dabei sind zusätzliche Urlaubstage oder ein kürzerer Arbeitstag möglich.

Arztbesuche sind keine Arbeitszeit und werden nicht entlohnt. Kann der Arztbesuch nicht in die Freizeit des Arbeitnehmers gelegt werden, hat der Mitarbeiter laut § 616 BGB und einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29.02.1984, AP Nr. 64, Anspruch auf eine bezahlte Freistellung. Dies gilt vor allem bei akuten Beschwerden, etwa plötzlich auftretenden Schmerzen oder bei einer Verletzung. Routineuntersuchungen sollten hingegen in der Freizeit erfolgen.

Beschäftigungsrisiko: Das Beschäftigungsrisiko trägt der Arbeitgeber, auch wenn dies zum Geschäftsmodell des Beratenden Ingenieurs gehört. Ein Arbeitnehmer ist nur verpflichtet, seine Arbeitsleistung anzubieten. Sind keine Aufgaben für den Mitarbeiter vorhanden, läuft die Arbeitszeit dennoch weiter und muss bezahlt werden. Bei regelmäßigen Schwankungen werden oft die Möglichkeiten von Beschäftigungskonten genutzt, die Mitarbeiter auf- und abbauen, wobei die oben aufgezeigte maximale Arbeitszeit nicht überschritten werden darf. 

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