Bemessung von Fensterbrüstungen aus Mauerwerk bei teilaufliegender Decke

Optimiertes Nachweisverfahren

bauplaner 09/2020
BIC 4 Broadcast + IT Consulting GmbH
Baustoffe

Fensterbrüstungen aus Mauerwerk weisen in üblichen Anwendungsfällen eine offensichtliche Tragfähigkeit auf, weshalb der statische Nachweis in der Regel ohne Probleme erbracht werden kann. In einigen Sonderfällen können jedoch ungünstige Randbedingungen, beispielsweise eine teilaufliegende Decke in Kombination mit großen Brüstungshöhen und Fensterbreiten, dazu führen, dass die Tragfähigkeit nicht mehr offensichtlich gegeben ist und eine Bemessung nach DIN EN 1996/NA nur schwer durchzuführen ist.

Im nachfolgend vorgestellten Bemessungsansatz für Fensterbrüstungen aus Mauerwerk bei einer teilaufliegenden Decke wird die Biegezugfestigkeit senkrecht zur Lagerfuge sowie die Deckenrandschale des Mauerwerks explizit berücksichtigt, wodurch sich höhere Traglasten und somit wirtschaftlichere Konstruktionen als bei einer normativen Bemessung ergeben.

Bemessung von Brüstungsmauerwerk bei teilaufliegender Decke unter Ansatz der Deckenrandschale

Der Ansatz zur Bemessung von Brüstungsmauerwerk bei einer teilaufliegenden Decke basiert auf dem in Abbildung 1 dargestellten System. Die Ermittlung der Tragfähigkeit erfolgt auf der Grundlage des Hookeschen Gesetzes und unterstellt somit einen linearen Zusammenhang zwischen Spannung und Dehnung. Diese Annahme ist gerechtfertigt, da bei Brüstungsmauerwerk infolge der geringen Normalkrafteinwirkung nur sehr geringe Druckspannungen auftreten und sich eine ggf. vorhandene Nichtlinearität der Arbeitslinie nicht auswirkt.
Neben dem Wandeigengewicht G leistet – je nach Art der Befestigung – lediglich das Eigengewicht des Fensters VF einen zusätzlichen Beitrag zur einwirkenden Normalkraft. Da das Fenster aus bauphysikalischen Gründen in der Regel exzentrisch nach außen angeordnet ist, resultiert aus dem Eigengewicht des Fensters gleichzeitig eine Biegebeanspruchung in der Wand. Diese ist mit der aus der angreifenden Windlast entstehenden Biegebeanspruchung zu überlagern. Durch einen Vergleich der in DIN EN 1991-1-4/NA definierten Außendruckbeiwerte lässt sich feststellen, dass eine Windsogbeanspruchung in der Regel den maßgebenden Bemessungsfall darstellt. Weiterhin wird unterstellt, dass das Fenster die auf sich einwirkende Windlast jeweils zur Hälfte nach oben und unten abträgt, weshalb am Wandkopf der Brüstung eine zusätzliche Horizontalkraft HF nach Gleichung (1) wirkt.

Der resultierende Bemessungswert der einwirkenden Normalkraft NEd sowie der Bemessungswert des auf die Auflagerachse bezogenen Moments MEd berechnen sich für das in Abbildung 1 dargestellte System mit Hilfe von Gleichung (2) und (3).

t Wanddicke
hB Brüstungshöhe
VF Bemessungswert der Vertikallast aus dem aufstehenden Fenster
gMW Bemessungswert des Eigengewichts des Mauerwerks in kN/m²
eF Exzentrizität des Fensters zur Wandachse
a Auflagertiefe

Um die Tragwirkung der Deckenrandschale bei der Bemessung des Brüstungsmauerwerks miteinzubeziehen, ist eine iterative Ermittlung der Dehnungsverteilung notwendig. Der dafür benötigte Elastizitätsmodul im Druckbereich entspricht dem Rechenwert nach DIN EN 1996-1-1/NA.

Weiterhin wird in Anlehnung an den in DIN EN 1996-1-1/NA, Abs. 7.2 angegebenen Randdehnungsnachweis angenommen, dass die Biegezugfestigkeit des Mauerwerks bei einer Dehnung von εR = 10–4 erreicht wird. Bei der Iteration der Dehnungsebene wird die Dehnung auf der Zugseite des Brüstungsquerschnitts mit εR = 10–4 konstant gehalten, während die Dehnung auf der Druckseite (Seite der Deckenrandschale) variiert wird. Sobald ein Gleichgewichtszustand der resultierenden Kräfte erreicht ist (D1 + D2 = Z + NEd), kann die Momententragfähigkeit des Brüstungsmauerwerks mithilfe von Gleichung (5) berechnet werden:

Übersteigt das aufnehmbare Biegemoment MRd den Bemessungswert des einwirkenden Biegemoments MEd, ist der Nachweis des Brüstungsmauerwerks erfüllt. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass dieser Bemessungsansatz nur für den Beanspruchungszustand Zugspannung auf der Wandinnenseite zutreffend ist.

Zulässige Brüstungshöhen von Ziegelmauerwerk

Der Nachweis der Tragfähigkeit einer Mauerwerksbrüstung mit einer teilaufliegenden Decke ist aufgrund des iterativen Berechnungsverfahrens nicht praktikabel für schnelle Handrechnungen. Daher werden die iterativ ermittelten zulässigen Brüstungshöhen für praxisübliche Anwendungsfälle in eine anwenderfreundliche Bemessungstabelle überführt. Für die Berechnung der in Tabelle 2 angegebenen zulässigen Brüstungshöhen liegen die in Tabelle 1 aufgeführten Randbedingungen zugrunde. Bei der angesetzten Deckenrandschale handelt es sich um das Produkt Poroton-DRS.

Ähnliche Beiträge