Das Biologische Haus – die Zukunft der Wohnarchitektur?

green BUILDING 02/2018 (#84)

Reduce, Reuse, Recycle – dieser Ansatz hat nun auch die Architektur erreicht. In Dänemark hat das Architekturbüro Een til Een unter Verwendung ausschließlich biologischer Baustoffe ein innovatives, modulares Wohnkonzept umgesetzt. Die gesunden Wohnräume erhielten mit einer langlebigen Holzfassade eine überzeugende, zeitlos ästhetische Außenwirkung. Bei allen positiven Eigenschaften für Mensch und Umwelt ist das Objekt mit seiner zeitgemäßen Raumaufteilung nicht nur ansprechend, sondern zudem für eine breite Zielgruppe finanzierbar.

Bauen und dabei die Umwelt möglichst wenig belasten, ein hehres Ziel, das derzeit in nur kleinen Schritten in die tägliche Arbeit von Architekturbüros einfließt. Entsprechende Projekte haben so oftmals nur Konzeptcharakter – „zu kompliziert, zu aufwändig und nicht realistisch“ lauten die Einwände. Einmal umgesetzt sorgen die „Öko-Objekte“ aber immer für Aufsehen. Das Ziel zukunftsbewusster Architekten ist eben doch umsetzbar: eine möglichst geringe Belastung für die Umwelt bereits während der Materialwahl und die stringente Umsetzung der kühnen Idee. Wenn sich zudem der Bau vergleichsweise günstig realisieren lässt und sogar Bauherren mit vergleichsweise kleinem Budget anspricht, werden viele Wünsche der Baubranche Wirklichkeit. Dazu gehört auch, dass die äußere Hülle dauerhaft und pflegeleicht ist. Für die Fassade des Biologischen Hauses wurden Kebony-Elemente verwendet, denn das norwegische Holz hat 30 Jahre Garantie und bedarf keiner Nachbearbeitung mit Holzschutzmitteln oder ähnlichem.

Upcycling: Jetzt auch für Wohnkonzepte

Een til Een, unterstützt vom dänischen Umweltministerium, hat ein modulares Wohnkonzept entwickelt, das mit dem Prinzip des Upcyclings arbeitet: Abfall wird zu wertvollen Baumaterialien, während das Verfahren zeitgleich das Entstehen und den Verbrauch an grauer Energie reduziert. Im Detail bedeutet das: Die Baustoffe bestehen teils aus recycelten Reststoffen der Landwirtschaft wie Gras, Stroh oder Seetang. Eigentlich waren diese zur Energiegewinnung durch Verbrennen vorgesehen. Dieser Prozess hätte umweltbelastendes CO2 freigesetzt, das nun in den Baumaterialien des Biologischen Hauses gebunden ist – auch im Innenausbau fanden die innovativen Werkstoffe eine ästhetische und funktionale Verwendung. Für die Fassade wählten die Planer umweltschonend behandeltes und besonders dauerhaftes Holz. Es unterstreicht mit der im Lauf der Zeit entstehenden silbergrauen Patina die Architektursprache des Biologischen Hauses. 

Holz selbst bringt als ökologischer Baustoff bereits hervorragende Attribute mit: So bindet jeder Kubikmeter verbautes Holz langfristig eine Tonne Kohlendioxid (CO2). Das FSC-zertifizierte Holz optimiert diese Voraussetzungen noch weiter. Die Kebony®-Technologie wurde in Norwegen entwickelt und wertet die Eigenschaften von nachhaltigen Weichhölzern durch eine bio-basierte Flüssigkeit auf. Als Ergebnis wird die Zellstruktur des Holzes permanent verändert, es erhält Premium-Eigenschaften und eine dunkelbraune Farbe.

Alle verwendeten Hölzer (astrein oder mit sichtbaren Ästen) entwickeln bei direkter Bewitterung mit der Zeit eine attrak­tive, silbergraue Patina. Sie tragen z. B. das Umweltsiegel Swan, das offizielle Ökosiegel der nordischen Länder. Das Swan-Logo dokumentiert die gute Umweltverträglichkeit und bestätigt, dass das Holz keinerlei Schwermetalle oder Pestizide aufweist. 

Die Zukunft des Wohnens: nachhaltig flexibel, nachhaltig ökologisch

Das Biologische Haus ist ein modernes, nachhaltiges und modulares Wohnkonzept mit einem besonderen Fokus auf Materialien, Raumluftqualität und einem einzigartigen Design. Für die Wände beispielsweise wurde Stroh zu weichen Holzplatten zusammengepresst und mit einem Biobrennstoff erhitzt. Die Platten werden durch die sich bildenden Polymere nun ähnlich stabil wie Furniersperrholz und können für den Häuserbau benutzt werden. Algen dienen als Dämmmaterial zwischen den Holzplatten. Für Balken wird Material aus Hanffasern und Sojabohnen genutzt, der Fußboden ist aus Maisstärke.

Natürlich ist auch die im 145 m2 großen Haus benutzte Energie grün: Solarpanels produzieren den Strom und eine Salzwasserbatterie speichert ihn ab. Diese ist nicht entflammbar, ein wichtiger Faktor bei einem komplett aus natürlichen Materialien gebauten Haus. Selbst konstruktiv wird das Biologische Haus dem Nachhaltigkeitsgedanken gerecht: Anstelle eines gängigen, aber kaum recycelbaren Betonfundaments wählten die Architekten eine Pfahlgründung. Deren großer Vorteil besteht im Sinne des versetzbaren Modulhauses darin, dass sie die Umwelt nach dem Verlassen kaum beeinträchtigen und den Boden nicht unnötig versiegeln. Nachhaltig bedeutet langfristig gedacht: Nach dem Bau lässt sich das Modulhaus im Prinzip auch an einen beliebigen anderen Ort versetzen. So könnte dieses Projekt wegweisend werden für die Zukunft des Wohnens in flexiblen Zeiten. 

An dem Projekt waren über 40 verschiedenen Unternehmen beteiligt. Das dänische Umweltministerium finanzierte es mit dem Umweltfonds für ökologisches Bauwesen. Das Biologische Haus ist der erste Bau im Zusammenhang mit der Eröffnung des Biotope (Middelfart, Dänemark), eines neuen Ausstellungsparks und Wissenszentrums für nachhaltiges Bauen. Besucher können sich seit November 2017 von dem gekonnten Zusammenspiel aus Entwurf und umgesetztem Upcycling überzeugen – die verantwortlichen Architekten gaben den Prototyp in Dänemarks größter ständiger Bauausstellung zur Besichtigung frei.

BAUTAFEL:

Bauherr: Volksbank BraWo, Braunschweig/DE

Architekt: Hartmut Rüdiger, Braunschweig/DE

Membranstatik und Konfektionierung: formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau gmbh, Radolfzell/DE, www.form-TL.de

Pläne: formTL

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