Durch geeignete Maßnahmen zukunftsfähig bleiben

Nachfolge – auch ein Thema für Ingenieurbüros

Deutsches Ingenieurblatt 04/2022

Im Arbeitsalltag wird die Frage gerne verdrängt, was einmal aus dem eigenen Ingenieurbüro werden soll, wenn man selbst in den Ruhestand gehen möchte. Der folgende Beitrag zeigt auf, wie wichtig es ist, sich frühzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen, damit das eigene Unternehmen in gute Hände gelangt – und keine Arbeitsplätze verloren gehen.

Mehr als 90 Prozent der rund 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland sind laut einer aktuellen Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn eigentümergeführt. Von den rund 81.000 Ingenieurbüros dürften demnach rund 73.000 inhabergeführt sein, wenn nicht noch mehr. Irgendwann werden sich deren Eigentümerinnen und Eigentümer die Frage stellen müssen, wer einmal ihr Ingenieurbüro übernehmen soll. Naturgemäß ist die Loslösung vom eigenen Unternehmen keine leichte Aufgabe. Schließlich haben die Inhaberinnen und Inhaber meist viel Zeit und Herzblut in den Aufbau und die Führung des Ingenieurbüros investiert. Da es bei der Lösung der Nachfolgefrage aber nicht nur darum geht, eine neue Unternehmensführung zu finden, sondern zugleich auch jemanden, der das Eigentum am Unternehmen übernimmt, muss man sich bewusst machen, dass die Übergabefrage nicht einfach neben dem Alltagsgeschäft beantwortet werden kann. So gilt es, jemanden aus der Belegschaft oder einen externen Käufer zu finden, wenn es familienintern keine Nachfolgeinteressierten gibt. Diese Suche kann sich schwierig gestalten – insbesondere, wenn die Vorstellungen über den Kaufpreis divergieren. Doch wie viele Unternehmen, insbesondere Ingenieurbüros, stehen tatsächlich in näherer Zukunft vor der Herausforderung, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden?

Gemäß den aktuellen Schätzungen des IfM Bonn wird es insgesamt in rund 190.000 oder 5,7 Prozent der eigentümergeführten Unternehmen in den kommenden fünf Jahren zu einer Übergabe kommen. Das IfM Bonn nimmt in diesen Schätzungen zwar keine feingliedrige Branchendifferenzierung vor. Die Schätzergebnisse zusammen mit weiteren Informationen zu den Ingenieurbüros lassen jedoch erwarten, dass dieser Anteilswert unter den Ingenieursbüros etwas höher liegt. Nehmen wir der Einfachheit halber an, er läge bei 6 Prozent. Dann stünden 4.380 Ingenieurbüros bis 2026 zur Übergabe an. Das sind pro Jahr etwa 875 Ingenieurbüros.

Der Weg von der Gründung zur Übergabe
Im Vergleich mit der Anzahl der pro Jahr gegründeten Ingenieurbüros erscheint die Zahl derjenigen, für die letztlich ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gesucht werden, gering. Im Jahr 2019 wurden beispielsweise rund 6.000 Ingenieurbüros gegründet. Unterstellt man, dass diese Anzahl an Gründungen dem Durchschnitt der vergangenen Jahre und Jahrzehnte entspricht, stellt sich die Frage, was aus den mehr als 5.000 Ingenieurbüros eines Gründungs-jahrgangs bis zum gedachten Zeitpunkt einer Übergabe geworden ist.

Auch darüber geben die Daten erste Auskunft. Sie zeigen, dass es den neu gegründeten Ingenieurbüros wie vielen anderen neu gegründeten Unternehmen ergeht: Es gelingt ihnen nicht, sich dauerhaft am Markt zu etablieren. So ziehen sich rund 60 Prozent der neu gegründeten Unternehmen eines Jahrgangs innerhalb der ersten fünf Jahre wieder vom Markt zurück. Aber auch Unternehmen, die dort Fuß fassen konnten, stehen weiterhin jeden Tag vor der Aufgabe, sich im Wettbewerb zu behaupten. Zwar nimmt die sogenannte Überlebenswahrscheinlichkeit von Unternehmen mit zunehmendem Alter zu, dennoch schließen auch ältere Unternehmen jedes Jahr aus wirtschaftlichen (und auch aus persönlichen) Gründen. Wie viele ältere Ingenieurbüros dies genau sind, ist nicht bekannt. Klar ist aber, dass nur ein kleinerer Teil von ihnen die Phase erreicht, in der die Nachfolgefrage relevant werden könnte.

Was zur Stilllegung führt
Nach Untersuchungen des IfM Bonn strebt insgesamt betrachtet das Gros aller Unternehmerinnen und Unternehmer, die vor der Nachfolgefrage stehen, eine Übergabe an. Nur gut 4 % von ihnen entscheiden sich frühzeitig für eine Stilllegung. Gleichwohl gelingt nicht allen eine erfolgreiche Übergabe. Etwa ein knappes Viertel der Unternehmen wird im Zuge des Nachfolgeprozesses stillgelegt.

In diesem Zusammenhang ist ein Bündel an Faktoren zu nennen, die Einfluss darauf haben, ob ein Unternehmen erfolgreich übergeben werden kann. Gute Erfolgsaussichten besitzen größere Unternehmen, Unternehmen mit guter Ertragslage, Unternehmen, in die investiert wurde und die eine hohe Exportorientierung aufweisen. Eine größere Schließungswahrscheinlichkeit besitzen entsprechend kleinere Unternehmen, solche mit mangelhafter Ertragslage, mit geringen Investitionen und mit geringer Exportorientierung. Diese Befunde unterstreichen, wie wichtig es ist, die Zukunftsfähigkeit eines Ingenieurbüros auch und gerade angesichts einer angestrebten Nachfolge durch geeignete betriebliche Maßnahmen aufrechtzuerhalten.

Fazit
Unabhängig von der durch den bevorstehenden Ruhestand ausgelösten Nachfolgefrage empfiehlt es sich, rechtzeitig für den „Fall der Fälle“ vorzusorgen. Zwar werden die meisten Übergaben aus Altersgründen vollzogen. Einige stehen aber auch plötzlich und unerwartet an, weil die Person an der Spitze aufgrund von langwieriger Erkrankung oder eines plötzlichen Tods das Unternehmen nicht mehr weiterführen kann. Für diese Situation sollte in jedem Ingenieurbüro Vorsorge getroffen sein. Das Stichwort lautet hier: Notfallkoffer. Dieser sollte alle wichtigen Verträge und behördlichen Unterlagen, Vollmachten, Versicherungspolicen, ein Testament, Schlüssel und Zugangscodes sowie Kerninformationen zum Geschäft enthalten. Zudem empfiehlt es sich, eine Stellvertretung zu benennen, die mithilfe dieses Notfallkoffers die Geschäfte zunächst weiterführen und gegebenenfalls die Nachfolge regeln kann.

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