Ein besonderer Baustoff

Einfamilienhaus aus Infraleichtbeton

bauplaner 6/2019

Der Neubau eines Einfamilienhauses in Würzburg überzeugt durch die Kraft des Reduzierten und Einfachen. Zur Straße hin zeigt sich ein monolithischer, geschlossener Betonkörper, der den dahinter liegenden offenen Gebäudeteil  aus Glas und Stahl und das rückwärtige Grundstück schützt. Die Außenwände des Betonkörpers bestehen aus hoch wärmedämmendem Infraleichtbeton.

Infraleichtbeton ist ein konstruktiver Leichtbeton. Seine tragende und zugleich wärmedämmende Funktion ermöglicht das Bauen mit einem einzigen monolithischen Material. Anders als bei mehrschichtigen komplexen Wandaufbauten können mit dem Baustoff einfache, robuste, dauerhafte und ressourcenschonende Konstruktionen realisiert werden. Der spezielle  Beton ist mit Blähton, Blähglas oder Blähschiefer versetzt und enthält dadurch relativ viel Luft. Die Rohdichte eines gefügedichten Leichtbetons gemäß DIN EN 206-1/DIN 1045-2 liegt zwischen 800 kg/m³ und 2000 kg/m³. Infraleichtbeton bietet aufgrund einer Rohdichte von weniger als 800 kg/m³ eine sehr gute Wärmedämmung. Die wärmedämmenden Eigenschaften des Leichtbetons wurden Anfang der 2.000er Jahre zunächst von Schweizer Architekten wiederentdeckt. Mit der Weiterentwicklung dieses Baustoffs und der Reduktion seiner Rohdichte unter 800 kg/m³ wurde der Infraleichtbeton – die Bezeichnung spielt auf den infraroten Bereich des Lichtspektrums an – erfunden. Der beauftragt  Architekt Thomas Mensing verwendete für die Basisstruktur des Würzburger Einfamilienhauses einen Infraleichtbeton mit einer Rohdichte von 700 kg/m³ bei einer Druckfestigkeit von >8 N/mm2. Um eine niedrige Wärmeleitfähigkeit von Lambda < 0,185 W/ mK zu erzielen, wurde ein Blähglasgemisch   Liaver) und Blähton (Liapor) zugeführt. Die 45 Zentimeter starken Außenwände ermöglichen den Niedrigenergiehausstatus.

Infraleichtbeton ist ein neuer Baustoff, der derzeit noch nicht in der amtlichen Bauregelliste enthalten, noch nicht durch die technischen Regeln und durch technische Baubestimmungen verbindlich erfasst ist. Dennoch darf damit gebaut werden, wenn die oberste Bauaufsichtsbehörde eine Zustimmung im Einzelfall erteilt. Für das Würzburger Einfamilienhaus holte Architekt Mensing diese Genehmigung mit Bezug auf die bereits erteilte Zustimmung im Einzelfall ein. Die Genehmigung wurde bereits nach vier Wochen erteilt.

Reduktion als Leitgedanke
Der Neubau ist in die bestehende Bebauung eines Wohngebietes eingefügt und liegt an einer relativ befahrenen Straße. Der geschlossen wirkende Betonkörper liegt zur Straße hin  und schützt den rückwärtigen zweigeschossigen Gebäudeteil aus Glas und Stahl. Außerdem erfüllt er die Aufgabe des Schallschutzes. Beide Gebäudeteile sind über einen zwischengeschalteten Trakt miteinander verbunden. Dieser beinhaltet die Küche und ist gleichzeitig Treffpunkt des Hauses. Im Betonkörper befindet sich das Schlaf- und Badezimmer der Bauherren sowie ein Gästezimmer. Der hintere offene Gebäudeteil beinhaltet das Wohnzimmer sowie im oberen Geschoss drei Kinderzimmer und ein Badezimmer.

Im monolithischen Betonkorpus sind die Fenster flächenbündig in den Sichtbeton eingebaut.  Dies gilt auch für die Fenster im rückwärtigen  Gebäudeteil aus Stahl und Glas. BesondererWert wurde auch auf die Belichtung und das Erleben der Tageszeiten gelegt. So ist die Ostfassade im Eingangsbereich mit einem Oberlicht versehen; die nach Osten hin geschlossene  Sichtbetonwand ist durch einen schmalen Glasstreifenzum Verbindungstrakt hin geöffnet, sodass Zenitlicht das Gebäude erhellt.

Die Außen- und Innenwände der Basisstruktur  Destehen aus unbehandeltem Infraleichtbeton  mit seidenmatter Oberfläche. Sämtliche Decken sind Sichtbetondecken. Alle Fußböden bestehen aus geschliffenem und geöltem Zementestrich.

An der Gebäudefassade der Stahl- Glas-Konstruktion wurde als Außenhaut eine Schalung aus sägerauen Douglasienbrettern angebracht. Das Holz ist unbehandelt und hat inzwischen den Grauton des Sichtbetons angenommen.

Klima und Akustik
Das gesamte Gebäude wird mit einer Luftwärmepumpe über eine Fußbodenheizung temperiert. Die Wärmepumpe wird zusätzlich von einer Photovoltaikanlage unterstützt. Im Sommer wird so das Gebäude mit niedrigen Vorlauftemperaturen gekühlt. Dadurch wird – gerade auch wegen des Sichtbetons – ein angenehmes Klima erzeugt. Die offenen Betonwände und -decken des Gebäudes erfüllen als angenehmen Nebeneffekt auch eine raumakustische Funktion. So ist der Hall im gesamten Gebäude deutlich gedämpft.

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