Energieautark wohnen

green BUILDING 06/2018 (#88)

Eine ambitionierte Wohnungsbaugenossenschaft steckt sich hohe Ziele: Die eG Wohnen 1902 realisiert derzeit  zwei viergeschossige Wohnbauten, die sich zum Großteil selbst mit Wärme und Strom versorgen.

Cottbus, Stadtteil Sandow: Hier entstehen derzeit zwei besondere Mehrfamilienhäuser. Die Wohnungsbaugenossenschaft eG Wohnen 1902 mit Sitzen in Cottbus und Burg realisiert in Zusammenarbeit mitdem Wienerberger Projektmanagement (WPM) die beiden energieautarken Viergeschosser  nach dem „Sonnenhaus-Konzept“.So bezeichnete Gebäude decken  ihren Jahreswärmebedarf für Heizung und Warmwasser mindestens zur Hälfte durch eine eigene Solarthermie-Anlage. Beim Cottbusser Projekt streben die Projektverantwortlichen sogar 70 Prozent an, was Solarexperten als wirtschaftliches Optimum empfehlen. Zusätzlich sollen 70 Prozent des Strombedarfs aus Eigenproduktion gedeckt werden.

Susanne Weichold, Projektentwicklerin, und Carsten Rünger, Technischer Berater, beide aus dem Wienerberger Projektmanagement (WPM), betreuen dieses  Leuchtturmprojekt. Erfahrungen zum energieautarken Bauen, die der Solarpionier Professor Timo Leukefeld bislang bei Einfamilienhäusern sammelte, werden auf den Geschosswohnungsbau übertragen.

Optimierte Solarenergienutzung
 Das Planungsteam optimierte die beiden identischen Häuser sowohl für die aktive als auch die passive Nutzung  solarer Energie. Dazu zählt beispielsweise, dass die Dachfläche und die Wohnräume nach Süden ausgerichtet sind und die Dächer mit 50 Grad stärker geneigt als üblich. Als Baustoff für die thermische Gebäudehülle entschieden sich die Projektbeteiligten für ein massives, hochwärmedämmendes Ziegelmauerwerk. Der ausgewählte Poroton S8-MW aus dem Hause Wienerberger ist mit Mineralwolle verfüllt und wird  xxxxxxxx iesem Projekt mit einer Dicke von  42,5 Zentimetern verwendet. Auch alle Innenwände werden – je nach Anforderungen an Statik und Schallschutz – aus  unterschiedlichen Poroton-Ziegelprodukten erstellt.

Ein Blick auf die Bauphysik
Die Ziegelwände der beiden Gebäude mit je 600 Quadratmetern beheizter  Wohnfläche puffern aufgrund ihrergroßen Speichermasse Temperaturschwankungen   gut ab. Daraus resultiert   im Innern eine geringe Temperaturamplitude, was sich positiv auf die Kosten für   Heizung und Klimatisierung auswirkt – und im Hinblick auf heißer werdende Sommer bedeutender wird. Davon profitieren  eben der Umwelt vor allem die künftigen Bewohner, die in einem Haus mit relativ konstanten Innentemperaturen leben werden. Im Sommer bleibt es im Vergleich zur Außentemperatur angenehm kühl, im Winter komfortabel warm.

Nahwärmenetz verdoppelt Solarthermie-Ausnutzung   
Um möglichst viel Sonnenwärme nutzen zu können, steht in jedem der beiden Häuser ein Wasserspeicher mit 24 Kubikmetern Inhalt. Dort wird Sonnenwärme zwischengespeichert. Über ein Nahwärmenetz lassen sich in der warmen Jahreszeit sogar zwei benachbarte Gebäude versorgen. Die Solarthermie-Ausnutzung wird dadurch nahezu verdoppelt. Sollte der Wärmebedarf für Heizung und Warmwasser in den Wintermonaten größer sein als die Einträge, wird in jedem Gebäude einfach eine wirtschaftlich arbeitende Gas-Brennwerttherme zugeschaltet.

Der Stromeintrag über die Photovoltaik-  nlagen wird für Haushaltsgeräte, Anlagentechnik und Elektroautos verbraucht. Insgesamt vier Lithium-Ionen-  Akkus mit je 54 Kilowattstundenpeicherkapazität nehmen Überschüsse auf.

Qualitätssicherung
Die hochwärmedämmende Außenhülle mit einem U-Wert von 0,18 W/(m2k) und der verminderte Wärmebrückenzuschlag nach DIN 4108, Beiblatt 2, bringen weitere Vorteile mit sich. Der Transmissionswärmeverlust wird nur 66 Prozent im Vergleich zum Referenzgebäude betragen (KfW-Haus 55, Vorgabe:< 70 Prozent). Beim Jahresprimärenergiebedarf  geht das Planungsteam von  ,40 kWh/(m2a) aus, was nur 14 Prozent des Referenzgebäudes entspricht (Vorgabe: < 55 Prozent). Grundlage dafür ist eine Vorbemessung der wärmeübertragenden Umfassungsfläche durch das WPM-Team, die auch eine Überprüfung der Wärmebrücken mit pauschal 0,05 W/ (m²K) beinhaltet. Dazu verwendeten  die Experten Planungsbeispiele nach DIN 4108, Beiblatt 2, beziehungsweise das Poroton-Wärmebrücken-Tool.

Für die Einhaltung des erhöhten Schallschutzes nach DIN 4109, Beiblatt 2,  übernahm Carsten Rünger vom WPM ebenfalls die Vorbemessung. Außerdem  beriet er die Planer der Helma Eigenheimbau AG bei der Ausbildung verschiedener konstruktiver Details.  Dadurch ließen sich die Außenwände bezüglich der Anforderungen an Schallund  wärmeschutz sowie Statik und Ausführbarkeit optimieren. Auch vor Ort unterstützte Wienerberger seinen Kunden: Anwendungstechniker Tino Ansky gab auf der Baustelle praktische Einweisungen, beispielsweise beim Einsatz der Poroton-Deckenrandschale DRS Neo.

Bewährte Bausteine neu kombiniert
 Timo Leukefeld freut sich, in der größten Baugenossenschaft des Landes Brandenburg einen Partner gefunden zu haben, der sich für zukunftsweisende Lösungen interessiert: „Unser gemeinsames Ziel ist es, den Gedanken wirtschaftlich vernetzter Energieautarkie auch in der Wohnungswirtschaft auf breite Schultern zu stellen.“ Uwe Emmerling, Vorstandsvorsitzender der Cottbusser Wohnungsbaugenossenschaft, ist sich sicher, dass gerade diese Eigentumsform solche Entwicklungen fördert. „Das Faszinierende daran ist, dass wir bewährte Bausteine, wie die monolithische Ziegelwand, den Solarspeicher und die Gas-Brennwerttherme neu zusammengeführt haben und nicht ins Experimentelle abgeglitten sind.“

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