Harte Schalen, weicher Kern

Mehrfamilienhaus aus zweischaligem Leichtbetonwandsystem

bauplaner 6/2019

Besonders energieeffizient sollen Neubauten sein. Gleichzeitig dürfen auch Schallschutz und Wohngesundheit nicht vernachlässigt werden. Doch bleibt die Wirtschaftlichkeit auf der Strecke, erstickt das Projekt bereits im  Keim. In Andernach beweist ein Wohnhaus mit 32 Wohneinheiten, dass sich all diese Vorgaben auch im Mehrgeschossbau umsetzen lassen.

Mit seiner über 2.000-jährigen Geschichte gehört Andernach zu den ältesten Städten Deutschlands. Fast ebenso lang wird in der Region am östlichen Rand der Vulkaneifel bereits der reichlich vorhandene Rohstoff Bims genutzt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann schließlich auch die industrielle Verwertung des Rohstoffes zu sogenannten Schwemmsteinen, einem Vorläufer des heute im Wohnbau gebräuchlichen Leichtbetons. „Der Zuschlag Bims sorgt im Leichtbeton für kleine Lufteinschlüsse“, erklärt der Architekt Egon Schäfer. „Diese gewährleisten einen ausgezeichneten Wärmeschutz.“ Wegen der grobporigen Struktur weist Leichtbeton auch gute Werte beim Schallschutz auf. So bekommen Leichtbetonsteine nach den gültigen Massekurven der Schallschutznorm DIN 4109 einen Zwei-Dezibel-Bonus gegenüber vergleichbaren Mauerwerkskonstruktionen. Zwei gute Gründe für Egon Schäfer, beim Großprojekt in Andernach auf diesen Wandbaustoff zu setzen. Dass Abbau und Produktion in der Region stattfinden, bedeutete zudem kurze Transport- u d Lieferwege. „So konnten wir schon beim Rohbau die Energiebilanz positiv beeinflussen“, erläutert Schäfer.

Wirtschaftlicher Winkelbau
32 Wohneinheiten verteilt auf insgesamt fünf Geschosse umfasst das Wohnhaus am Birkenring in Andernach. Besonders wichtig war dem  Architekten und dem Bauherrn ein Gebäude mit guter Energiebilanz zu realisieren, das ohne außen liegendes Wärmedämmverbundsystem (WDVS) auskommen sollte. Die Lösung stellte schließlich der zweischalige Wandaufbau „KLB-Triotherm“ dar. Aufgrund massiver Schalen aus Leichtbetonmauerwerk wird bei diesem System der innen liegende, mineralische Dämmstoffkern vor Witterungseinflüssen geschützt und kommt ohne eine Behandlung mit Algiziden und Fungiziden aus. „Da der Aufbau die Feuchtigkeit abhält, wird das Risiko von  Veralgung oder Schimmelpilzbildung deutlich minimiert“, betont Vertriebsleiter Axel Zeuner vom Leichtbeton-Produzenten KLB Klimaleichtblock. „Selbst starker Schlagregen kann der massiven Außenschale nichts anhaben.“ Und es zeigt sich noch ein weiterer Vorteil gegenüber außen liegenden WDV-Systemen: Während diese zuletzt in Bezug auf den baulichen Brandschutz immer wieder in der Kritik standen, ist die rein mineralische Triotherm-Wand – mit innen liegender Dämmung – dagegen quasi immun. Ihre Robustheit zeigt sich sowohl bei Bränden als auch in Fällen von Vandalismus und Anprall. Gleichzeitig gewährleistet das großformatige, rationelle Leichtbetonmauerwerk eine hohe  ffizienz auf der Baustelle.

Wohngesund und leistungsstark
Das Wandsystem Triotherm überwindet dabei  die klassische Funktionstrennung, die herkömmlichen zweischaligen Wänden zugrunde liegt. Diese bestehen häufig aus tragendem Mauerwerk, einer Dämmschicht und einem Verblendmauerwerk. Dabei hat jede Komponente ihre klar abgegrenzte Funktion. Beim KLB-Triotherm-Wandsystem dagegen übernehmen die innere und äußere Mauerwerksschale ebenfalls Teile des Wärmeschutzes – und das, ohne ihre anderen bauphysikalischen Aufgaben zu vernachlässigen. Durch den gezielten Einsatz von Naturbims in den Leichtbetonblöcken  kann der Wärmeschutz der Wandkonstruktion insgesamt optimiert werden. Massives Außenmauerwerk aus Leichtbeton übertrifft damit in seiner Wärmedämmleistung das übliche Verblendmauerwerk um das Vier- bis Sechsfache. Über die Wärmedämmung hinaus weist der Triotherm-Wandaufbau einen hohen Schallschutz sowie gute statische Werte auf. Die Realisierung der fünf Geschosse in Andernach war damit problemlos möglich.

Aufgrund der Verwendung von großformatigem Leichtbetonmauerwerk für die Innenund Außenschale waren zudem weniger Versetzvorgänge nötig als bei einer zweischaligen Wand mit äußerem Verblendmauerwerk. „Die Erstellung des Mauerwerks erfolgte sowohl innen als auch außen ausschließlich mit KLBLeichtbeton“, erklärt Architekt Schäfer. „Zusammen mit dem mineralischen Außenputz haben wir daher eine besonders atmungsaktive Wand.“ Eine Kollektoranlage für die Warmwasserbereitung auf dem Dach sowie dreifachverglaste  Fenster runden das energetische Konzept ab. Offene Wohnräume und große Fensterflächen sorgen für viel Tageslicht. Die Bäder liegen überwiegend an den Außenwänden für eine natürliche Lüftung über die Fenster. Dass das gesamte Gebäude stufenfrei geplant wurde, macht es für sämtliche Lebenssituationen nutzbar. Eine Aufzugsanlage führt dabei vom Park- bis hinauf zum Staffelgeschoss. Zu jeder Wohneinheit gehört außerdem ein eigener Balkon, der über einen breiten Austritt zu erreichen ist. Auf diese Weise ist garantiert, dass jeder Bewohner freien Zugang zu Sonne und frischer Luft hat – ohne dafür jedes Mal den Weg aus der Wohnung in Kauf nehmen zu müssen.

Schallschutz nach innen – Lärmschutz nach außen
Zum guten Lärm- und Schallschutz in dem großen Wohnobjekt trägt ebenfalls der Wandbaustoff bei – und zwar sowohl nach außen als auch zwischen den 32 Wohneinheiten: So bietet das verwendete Mauerwerk aus Leichtbeton für die Innen- (24 Zentimeter) und Außenwand (11,5 Zentimeter) mit einer 12 Zentimeter starken Kerndämmung einen erhöhten Schallschutz (gemäß DIN 4109). Gleichzeitig liegt der Wärmedämmwert der Außenwand mit 0,16 W/(m²K) im Effizienzhausbereich. Damit trägt der Leichtbeton dazu bei, einen Endenergiebedarf von 31,2 kWh/ m²a sowie einen Primärenergiebedarf von 35,7 kWh/m²a zu erreichen. Und auch beim Innenausbau überzeugt er: „Eine Vorbehandlung oder Grundierung für den Innenputz war bei den verwendeten Plansteinen aus Leichtbeton nicht nötig“, erläutert Schäfer. „Notwendige Wandausbauten, wie beispielsweise Elektroschlitze, waren außerdem schnell und einfach zu ziehen – ein ideales Material für die Handwerker also.“ Mit seinen vielen positiven Eigensch ften wird der Traditionsbaustoff dem modernen Mehrfamilienhaus in Andernach damit mehr als gerecht

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