Klimaneutral bauen

green BUILDING 02/2019 (#90)

Die neue Alnatura-Firmenzentrale in Darmstadt setzt Zeichen – mit Außenfassaden, die in Lehmbauweise errichtet wurden und einer integralen, zukunftsweisenden Planung. Weiträumig, lichtdurchflutet und von einer natürlichen Ästhetik geprägt, bietet das offen gestaltete Haus eine attraktive Arbeitsatmosphäre und dient zugleich als Erholungs-, Lern- und Begegnungsort.

Das zukunftsweisende Bürogebäude mit Konferenzräumen und Restaurant für rund 500  Alnatura-Mitarbeiter bildet das Herzstück des Alnatura-Campus, der derzeit auf einem 55.000 Quadratmeter großen ehemaligen Kasernengelände im Südwesten Darmstadts entsteht. Zentral für den gesamten Planungs- und Ausführungsprozess war der hohe Anspruch des Bauherrn an eine nachhaltige Bauweise der neuen Firmenzentrale. So entstand das ganzheitliche Gebäudekonzept in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit der Architekten von haas cook zemmrich STUDIO2050 mit Fachplanern sowie Experten für spezifische Bauweisen. Von Knippers Helbig, Stuttgart, stammen

der Entwurf und die Konstruktion des Tragwerks und die technische Konzeption der verglasten Fassaden. Dazu kam die statisch-konstruktive Entwicklung der Lehmfassaden einschließlich einer Betreuung der dafür erforderlichen Versuche.

Bestechend ist der offene Charakter des Gebäudes: Von außen eher schlicht anmutend mit viel Glas und Fassaden, die in Lehmbauweise errichtet wurden, zeigt sich die Arbeitswelt  von innen hell, mit geschwungenen Ebenen und einem weit spannenden Holzdach, das auf schlanken Stützen ruht. Das Zentrum bildet ein lichtdurchflutetes Atrium, um das sich die verschiedenen Arbeitsbereiche auf drei Ebenen mit insgesamt 13.500 m2 gruppieren. Eine Stahlbetonskelett konstruktion mit Flachdecken und aussteifenden Kernen bildet das Haupttragwerk für die Arbeitswelt. Brücken, Treppen und Stege verbinden die einzelnen Büroetagen miteinander. Während die Treppen in Stahl ausgeführt wurden, sind die Stege aus Brandschutzgründen als Holzbetonverbundkonstruktion ausgeführt.

Den oberen Abschluss des Gebäudes mit Abmessungen von 91,4 x 41 m bildet ein Satteldach mit asymmetrischem  Dachfirst und einem Oberlichtband über die gesamte Gebäudelänge. Das von oben einfallende Nordlicht führt zu einer optimalen Tageslichtausleuchtung im Innenraum und vermeidet solare Wärmeeinträge. Das Tragwerk für die Holzsatteldachkonstruktion bilden markante Brettschichtholzträger mit einer Gesamtlänge von 22 m. Die Trägerhöhe von 2,3 m über der Stütze ist auf die weite Auskragung von 11,6 m zurückzuführen. Das großzügige Raumgefühl wird auf diese Weise unterstrichen. Aufgrund des Standorts des Gebäudes in einer Erdbebenzone lag besonderes Augenmerk auf der Planung der Verbindungsdetails. Insbesondere die Anschlussbereiche  on Oberlicht und Fassade an das Tragwerk müssen im Erdbebenfall auftretende Differenzverformungen aufnehmen können.

Während die Stirnseiten des Gebäudes völlig verglast den Blick nach Westen  in den Naturraum und Richtung Osten in die städtische Umgebung freigeben, wurden die Nord- und Südfassaden geschlossener gestaltet. Sie bestehen aus 12 m hohen und 4,5 m breiten selbsttragenden Wandscheiben aus Stampflehm, die vor Ort gefertigt und mit Ankern an den Geschossdecken fixiert wurden. Damit ist die Alnatura- Arbeitswelt das europaweit größte Bürogebäude mit einer zweischaligen Fassade aus Stampflehm. Entwickelt wurden diese innovativen Elemente in Zusammenarbeit mit Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins, einer auf Lehmbau spezialisierten Fachfirma. Knippers Helbig hat neben der statisch- konstruktiven Entwicklung auch die erforderlichen Prozesse für die Zustimmung im Einzelfall begleitet von der Aufstellung eines geeigneten Versuchsprogramms bis zur Auswertung und Anwendung der Versuchsergebnisse  für die statische Berechnung. Erstmals wurden Stampflehmelemente mit einer durch Geothermie gespeisten Wandheizung, die in den zweischaligen Aufbau integriert ist, ausgeführt.

Die intelligente Nutzung nachwachsender Rohstoffe sowie der Einsatz wiederverwertbarer Materialien – unter anderem wurde für die Lehmfassade Aushub des Bauprojektes Stuttgart 21 verwendet – ermöglichten es, in der Gesamtbilanz ein nahezu klimaneutrales Gebäude zu errichten.

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