Open BIM statt Insellösungen

Effiziente Übernahme von Gebäudedaten

bauplaner 04/2021
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Planungsbüros sehen sich bei der Gründung und im Wachstum vielerlei Herausforderungen gegenüber: Aufträge akquirieren, an Wettbewerben teilnehmen, bestmögliche Entwürfe und technische Planungen abgeben, darüber hinaus sämtliche betriebswirtschaftlichen Aspekte im Auge behalten. Die Frage nach Software, digitalen Möglichkeiten und Entwicklungen kann dabei schon mal als zweitrangig oder mühsame Pflicht angesehen werden: Ist BIM überhaupt schon ein Thema? Ist es nötig, sich damit zu beschäftigen? Wo wird der richtige Anfang gemacht? Fragen, denen das Büro AI.Studio offensiv begegnet. Die technikaffinen Inhaber investierten von Beginn an in Software. Nun nutzen sie die effiziente Übernahme von Gebäudedaten aus einer CAD in die Ausschreibungssoftware ORCA AVA (Abb. 1). Für sie der erste Schritt im BIM-Prozess.

Viele Jahre haben die Architekten Martin Bethge und Marcus Gbur als freiberufliche Dienstleister Ingenieurleistungen für andere Büros erbracht, sie lernten vieles kennen und sammelten Erfahrungen. Im Jahr 2009 entschieden sie sich, ein eigenes Architekturbüro in Magdeburg zu gründen: das AI.Studio. Bereits mit der Namensgebung drücken sie aus, dass sie Architekten- und Ingenieurwissen in ihrer Arbeit vereinbaren. Das Büro bietet die Bearbeitung aller Leistungsphasen der HOAI an. „Eine Bauaufgabe von der ersten Vision bis zur Umsetzung zu begleiten, ist für uns die beste Möglichkeit, die Langlebigkeit eines Gebäudes und das Ganzheitliche zu denken“, sind sich die beiden Geschäftsführer einig. Stete Akquisearbeit ließ ihr Aufgaben- und Auftragsspektrum kontinuierlich wachsen.

Von der Drohne in die CAD-Software
Seit Mitte 2019 bearbeiten sie mit dem Wohnpark im sachsen-anhaltischen Burg ein repräsentatives Vorhaben. Für die dortige Wohnungsbaugenossenschaft haben sie auf einem zentralen Grundstück 43 Wohneinheiten geplant. Im Entwurf entstand ein Mix aus barrierefreien Zwei-, Drei- und Vier-Raumwohnungen. Vor Beginn der Planungen haben die Architekten Bethge und Gbur das gesamte Gelände mit einer Drohne aufgemessen und aus den Fotos (Abb. 2) ein 3D-Modell erstellt, das digitale Verfahren der Photogrammetrie. Dieses 3D-Modell wurde in die CAD-Software übernommen, die Planung konnte perfekt in die Höhenlage des Geländes und in die städtebauliche Situation eingefügt werden. Ein Brutto-Grundflächen-Modell nach DIN 277 liefert für den Investor damit auch einen schnellen ersten Überblick zu Verkehrs-, Konstruktions- und Wohnflächen, und damit zur Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens. Ihre Offenheit zur Nutzung neuer Technologien, ihre Softwareaffinität und ihre Überzeugung, digitale Werkzeuge als gewinnbringend anzusehen, machen es möglich, dass BIM bereits in ihrem nur vierköpfigen Büro Einzug hält.

Von der CAD-Software in ORCA AVA
Mit der Entscheidung für ORCA AVA hat AI.Studio in 2019 dazu den richtigen Grundstein gelegt. Das Komplett-Paket unterstützt alle Leistungsphasen. Um die BIM-Thematik optimal zu fördern, setzt ORCA AVA auf den offenen IFC-Standard. Die digitale Datenübernahme aus 3D-CAD-Modellen erspart Fehler und schenkt Zeit. „Wir schätzen an der Software zum Beispiel das strukturierte Layout, das eine schnelle Einarbeitung möglich macht. Man findet sich sofort im Workflow zurecht “, so Geschäftsführer Bethge. „Für die Gewerkeschätzungen, die wir für die Besprechungen mit den Bauherren erstellen, erhalten wir auf Grund der Klarheit und Übersichtlichkeit oft positives Feedback. Das macht es uns auch leicht, Alternativen in Materialien anzubieten, um so den Bauherren verschiedene Kostenvarianten vorstellen zu können“

Bei der CAD-Software werden sie in den nächsten Wochen den Anbieter wechseln, für das Zusammenspiel mit ORCA spielt das keine Rolle, der Austausch über die IFC-Schnittstelle funktioniert mit verschiedensten Herstellern. Mit BIM geht es für AI.Studio in die richtige Richtung: „Aus unserer Sicht wird das vernetzte Arbeiten große Vorteile und viele Erleichterungen bringen.“

In ihrem Büro vergeben sie die Leistungen einzeln und können so alle Qualitäten direkt beeinflussen, die Kurztexte der Leistungsverzeichnisse machen ersichtlich, was von ihnen kalkuliert wurde. Sehr hilfreich ist dabei das in die ORCA AVA übernommene 3D-Modell: „Ich möchte es beinahe schon als existentiell bezeichnen“, unterstreicht Bethge die Wichtigkeit dieses Workflows. „Alle Prozesse werden von uns digital geplant, dem Bauherrn anschaulich durch fotorealistische Visualisierungen präsentiert und mit Kosten hinterlegt.“

Effiziente Abwicklung
Um dies effizient abwickeln zu können nutzen die Architekten die Sicht Gebäudegeometrie in ORCA AVA. Zum Beispiel wurden im Wohnpark Burg für die Balkone unbeschichtete Stahlbetonplatten geplant, um keine unnötigen Abdichtungsdetails zu schaffen und auch, um die Bewirtschaftungskosten für den Eigentümer niedrig zu halten. Die Menge der Balkone, ihr Volumen und damit das benötigte zu verbauende Material für das LV ziehen sie mit der zeitsparenden Funktion „Gleichartige Maße wählen“ aus der IFC-Datei: ein Gebäudeteil wird ausgewählt, mit einem Klick werden alle angezeigt und übernommen, die grafische Darstellung visualisiert die Auswahl. Wäre es ein mehrschichtiger Aufbau, könnten einzelne Komponenten separiert für die Mengen- und Massenermittlung herangezogen werden. Dass die Mengenberechnung VOB-konform mit Berücksichtigung zum Beispiel der Übermessungsregel erfolgt, ist für die Architekten ein Must-have.

Und der Blick nach vorne?
„Wir arbeiten möglichst papierlos und hoffen auf digitale Bauanträge. Die Schritte von der Aufnahme mit der Photogrammetrie, Erstellung eines ersten 3D-Modells, Übernahme in die CAD-Software, Planung und weitere Übernahme in die AVA-Software sind für uns die ersten im gesamten BIM-Prozess. An Insellösungen sind wir nicht interessiert, sondern an einem effektiv funktionierenden Open BIM. Für uns bedeutet das Gesamtheit, Kontinuität und Langlebigkeit“, so richten die Architekten von AI.Studio den Blick nach vorne.

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