Qualitätssicherung im BIM- Planungsprozess

Kollaboration und integrales Planen bei Schulneubauten

bauplaner 04/2021
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Die Stadt Wien setzt beim Schulbau-Pilotprojekt im Stadtteil Kagran neben der BIM-basierten Planung auf ein tiefgehendes Qualitätsmanagement sowie die Modellierung und Koordination der Fachmodelle mit dem beauftragten Architekturbüro Franz&Sue. So wird das Projekt schon frühzeitig umfassend beschrieben, der Generalunternehmer hat zur Angebotslegung eine abgestimmte Dokumentation mit hoher Planungstiefe und das zwischen den Disziplinen abgestimmte Projektwissen ist für die geforderte Projektumsetzung viel früher als gewohnt vorhanden.

Die Qualitätssicherung in einem Bauvorhaben – egal ob Hochbau, Tiefbau- oder Infrastrukturprojekt – beginnt bereits vor der ersten Entwurfszeichnung. Die Entscheidung, mit welchen Werkzeugen ein Architektur- oder Ingenieurbüro an die Bearbeitung der Projektidee geht, ist dabei elementar verknüpft mit der Qualität und Prüfbarkeit des über den Planungsverlauf entwickelten Gebäudemodells. Sind die BIM-Planungssoftware und die Tools für das Qualitätsmanagement gut gewählt, ermöglicht dies die frühzeitige vertiefte Koordination der eigenen Planung und der eingebundenen Fachplaner.

Das gilt jedoch ebenso im Umkehrschluss: Ungenügende Software mit schlechten Schnittstellen zu der Fachsoftware der Partner sowie vor allem unzureichende Schulungen der einzelnen Beteiligten erschweren eine reibungsarme Projektumsetzung – und das von der ersten Planbesprechung bis zur Übergabe und im Gebäudebetrieb. Essentiell ist darüber hinaus zu Beginn des Projektes ein gemeinsames Commitment zwischen den Planungsbeteiligten und das gegenseitige Verständnis über die Möglichkeiten der verwendeten Programme.

Das Qualitätsmanagement früh verankern
Vor allem, wenn der Zeitdruck hoch ist, ist es für die Auftraggeber wichtig, den Planungsstand regelmäßig und in definierter Art und Weise überprüfen zu können. Die logische Konsequenz daraus ist, Qualitätsprüfung und Qualitätssicherung bereits früh im Projekt zu verankern. Neben den klassischen und altbekannten Projektmanagement-Tools, die vor allem Projektsteuerer oder Generalplaner seit vielen Jahren effektiv nutzen, gibt es planungsspezifische Programme für die modellbasierte Qualitätsprüfung. So ist mit Solibri, das als Besonderheit eine regelbasierte Qualitätskontrolle bietet, die Prüfung der verschiedenen BIM-Fachmodelle und ihr Abgleich mit dem Architekturmodell des Architekten verlässlich möglich. Die Funktionsweise ist in den gängigen Programmlösungen gleich: In der BIM-Planungssoftware des Architekten, beispielsweise in Archicad, wird eine IFC-Austauschdatei des Architekturmodells erzeugt. Diese lässt sich in das Prüfprogramm einlesen und mit den anderen Fachplanungen (die Fachplaner liefern ebenfalls IFC-Dateien) abgleichen und als Problempunkte, sogenannte Issues, protokollieren und bewerten. Es gibt darüber hinaus eine weitere Möglichkeit. Über ein „Connection“ genanntes Add-on zwischen Archicad als Modellierungssoftware und Solibri als Prüfprogramm kann das Modell direkt aus Archicad übergeben und in Solibri Office überprüft werden, was bidirektional möglich ist. Das heißt, in Solibri bearbeitete Elemente werden parallel in Archicad markiert, korrigiert und umgekehrt. Dieses ergänzende Qualitätsmanagement erfordert Zeit und Ressourcen, die in klassischen Leistungsbildern bisher nicht abgebildet sind und daher zusätzlich von den Auftraggebern beauftragt werden.

Hohe Kostensicherheit und weniger Fehler
Was als Issue zugeordnet wird und wie notwendig dessen schnelle Korrektur ist, wird bereits im Prüfprogramm als Standard hinterlegt oder lässt sich über eigene Regeln individuell festlegen. Diese Regeln zu erstellen erfordert Fachwissen und Abstimmung zwischen Auftraggebern und Planern. Hierfür sind ebenso Zeit und Kapazität zu kalkulieren. Die Issues werden nach der Prüfung als detailliertes Protokoll durch das für die BIM-Koordination beauftragte Architekturbüro ausgegeben und von einem versierten BIM-Projektarchitekten oder internen BIM-Manager bewertet und zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Die Fachplaner korrigieren ihre Fachmodelle und schicken eine neue IFC-Datei zurück an das koordinierende Büro. Danach wird ein neuer Prüfprozess angestoßen. Viele Kollisionen und Fragen in der Projektabstimmung lassen sich über diese Arbeitsweise früh erkennen und rechtzeitig eliminieren. Die Vorteile, die sich aus regelbasierter Qualitätskontrolle und Qualitätsmanagement ergeben, liegen auf der Hand: Das Gebäudemodell, das mit Baubeginn vorliegt, wird für die ausführenden Firmen automationsgestützt und tiefgreifender kalkulierbar und mit deutlich weniger Fehlerpotenzial in die Realität umgesetzt.

Vernetzte Strukturen und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Die enge Zusammenarbeit über Fachdisziplinen hinweg und Teamwork werden immer wichtiger. Für das Wiener Architekturbüro Franz&Sue ist ihr Bürositz, der „Stadtelefant“ im Sonnenwendviertel, daher von besonderer Bedeutung. Eingebettet in ein neues Wohngebiet, ist das Quartiershaus Bürogebäude und Architektur-Cluster in einem und zeigt, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit funktionieren kann. Verschiedene Unternehmen aus dem Architekturbereich sind hier unter einem Dach vereint. Kurze Wege, schneller Know-how-Transfer und flexible Arbeits- sowie Bürostrukturen zeichnen das Stadtelefant-Konzept aus. Davon profitieren ebenso Franz&Sue: Mit A-Null ist ein kompetenter Partner für alle Fragen der BIM-Implementierung und Architektursoftware im eigenen Haus. Darüber hinaus besteht mit dem Tragwerksplanungsbüro Petz ZT im Dachgeschoss des Stadtelefanten eine enge Zusammenarbeit. Beide Büros planen gemeinsam an Projekten sowie in einer Projektdatei, teilen sich Datenleitung und Server-Struktur für ihre Kollaboration im Planungsprozess und können so am gemeinsamen File die Vorteile der integralen BIM-Planung leben.

Franz&Sue setzen konsequent Archicad als BIM-Planungslösung und Solibri als regelbasiertes Tool zur Qualitätssicherung und BIM-Qualitätskontrolle ein. Mit etwa 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören sie zu den großen und über Österreich hinaus bekannten Wettbewerbsbüros. Die Vielzahl der Projekte werden nach einem Wettbewerbsgewinn beauftragt. Franz&Sue sind meist als Generalplaner tätig. Das heißt, dass sie die Planungen der Fachingenieure koordinieren und eine modellbasierte, integrale Planung mit allen Partnern vorantreiben können. Die Bandbreite der realisieren Bauten reicht von Wohngebäuden und öffentlichen Projekten über Schulen und Forschungsbauten bis zur neuen U-Bahnlinie 5 in Wien. Eine besondere Expertise des Architekturbüros liegt dabei im Schulbau.

Erst die Infrastruktur, danach die Flächenentwicklung
Eines der ersten Vorhaben, das als BIM-Projekt für die öffentliche Hand entsteht, ist der Neubau der Wiener Volks- und Mittelschule im Stadtteil Kagran (Abb. 4). Franz&Sue gingen aus einem offenen EU-weiten Wettbewerb als Gewinner hervor und planen den Neubau als Generalplaner und BIM-Gesamtkoordinator. Anders als beispielsweise in Deutschland, muss in Österreich für die Erschließung größerer Stadtentwicklungsgebiete zuerst die komplette Infrastruktur entstehen. Dazu gehören unter anderem Schulen und Kindergärten. Erst mit deren Fertigstellung können die Flächen fertig entwickelt, vermarktet und besiedelt werden.
Die Stadt Wien entwickelte im Rahmen ihres Pilotprojekts für insgesamt drei zu planende Schulen ein detailliertes Anforderungsprofil für die Verwendung von BIM. Es gibt ein umfassendes Pflichtenheft der Auftraggeberin (AIA – Auftraggeber-Informationsanforderungen), das die Projektparameter sowie wichtige Planungsinhalte und -ziele definiert. Bereits vor Projektbeginn formulierten Franz&Sue darauf basierend eine passende Struktur für ein effizientes Qualitätsmanagement in Modellierung und weiterer Planung.

Pilotprojekt mit großer Strahlkraft
Die Durcharbeitung des Architektenentwurfes und die Gesamtrealisierung erfolgt hier äußerst forciert, um die erforderliche Infrastruktur in dem wachsenden Stadtgebiet rechtzeitig zur Verfügung stellen zu können. Sophie Wiedemann, BIM-Managerin bei Franz&Sue, macht die Herausforderungen deutlich: „Es ist ein Pilotprojekt. Die Zusammenarbeit mit den anderen Fachplanern ist somit ein erstes, gegenseitiges Kennenlernen. Wir sind gemeinsam im ständigen Austausch. Die Planungsarbeit ist dabei keine Sackgasse, sondern eine konsequente Weiterentwicklung auf allen Seiten. Einerseits herrscht ein hoher Zeitdruck in diesem Projekt, andererseits zeigt die Stadt Wien parallel große Flexibilität und bietet umfassende Unterstützung. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit funktioniert überdies mit den Fachplanern gut. Wir sehen in diesem Pilotprojekt einen großen Mehrwert und streben bei anderen Bauvorhaben ebenso die Zusammenarbeit mit unseren Fachplanern im BIM-Prozess an.“

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