Rauch- und Wärmeabzugsanlagen in der Praxis

Großprojekte: Herausforderungen und Lösungsansätze

bauplaner 11/2018

Große Bauvorhaben bergen häufig besondere Herausforderungen auch in Bezug auf die Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA). Diese Anforderungen sind sehr individuell – mal sind es extreme Gerätegrößen, mal spezielle Zusatzausstattungen, mal besondere optische Ansprüche oder komplexe Steuerungsabläufe. Oft besteht aufgrund der großen Auftragsvolumina auf allen Seiten ein Interesse an der Erarbeitung von Lösungen, selbst wenn diese mit hohen Fixkosten verbunden sind. Umgelegt auf große Stückzahlen ergeben sich meist trotzdem wirtschaftlich vertretbare Konzepte.

Es ist immer ein Wechselspiel von Anforderungen, besonderen Erschwernissen oder Erleichterungen und Lösungsmöglichkeiten, die im konkreten Fall abgewogen werden müssen. Auch größte Objekte und beste Budgets unterliegen jedoch den Grenzen der Physik. Insbesondere der Einfluss des Windes auf den natürlichen Rauchabzug wird oft übersehen. Aber auch andere physikalische Grenzen im Bereich der Mechanik lassen sich nicht endlos verschieben. Typische Herausforderungen und Lösungsansätze sollen am Beispiel konkreter Großprojekte verdeutlicht werden. 

Nuovo Centro Congressi in Rom
Im 12.000 Quadratmeter großen Dach des Kongresszentrums in Rom waren 640 RWAund Lüftungsflügel von zum Teil enormer Größe zu realisieren. Erschwerend kam der Einsatz einer speziellen Verglasung mit sehr hohem Flächengewicht hinzu. Die größten Flügel kamen so auf eine Fläche von gut 4,5Quadratmetern und ein Gewicht von zirka 250 Kilogramm. Nicht nur an die Errichtung,  ondern auch an die über die Nutzungsdauer  erforderliche regelmäßige Wartung warzu denken. Diese wird neben den enormen Flügelmaßen dadurch erschwert, dass die natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräte (NRWG) im Glasdach nicht ohne Weiteres von unten zugänglich sind. Die Anforderungen schienen zwar zunächst hoch, die enorme Flügelanzahl eröffnete jedoch auch besondereMöglichkeiten. Eine gezielte Produktentwicklung und Prüfung in diesem Umfang wäre bei „normalen“ Aufträgen nicht wirtschaftlich machbar. Im konkreten Fall lag es aber im Bereichdes Vertretbaren, da sich die Kosten – auf so viele Geräte verteilt – verträg ich zeigten.

Neue Messe Hamburg
Die Messehallen der Neuen Messe Hamburg werden von aneinandergereihten etwa 20 Meter breiten Tonnendächern geschützt. Die Deckung besteht aus Aluminium-Stehfalzbahnen auf einem hölzernen Tragwerk. Insgesamt waren 315 Lichtkuppeln als NRWG einzubauen. Zwei Zusatzfunktionen waren dabei mit der RWA-Funktion in Einklang zu bringen. Insbesondere der Wunsch nach einem verstellbaren Sonnenschutz, der wahlweisevon Lichtlenkung über Verschattung bis hin zu annähernder Verdunkelung fungieren  sollte, stellte eine Herausforderung dar. Hinzukam die mehrstufige Lüftung für Schön- und  chlechtwetter mit teilweise enormen Lüftungshüben bis 1.100 Millimeter. Die Basis bildete zunächst ein Standard-Lichtkuppel-NRWG vom Typ „Lamilux Rauchlift F80“ in der Größe 180/250. In dessen Kuppeloberteil wurde ein eigens dafür entwickeltes leichtes Sonnenschutzlamellensystemintegriert. Die Lüftung  urde mit mehrstufigen Pneumatikzylindern realisiert, die in ihren funktionsrelevanten Teilen  baugleich mit den geprüften sind. Durch eine eigens entwickelte weggebundene Führung werden die Verriegelungsbolzen in jeder beliebigen Lüftungsstellung exakt auf derKre sbahn des Verriegelungsschlosses im Kuppeloberteil  gehalten. Damit wird insbesondere das schwierige Einkoppeln beim Schließen aus der RWA-Stellung mit ausgefahrenen Lüftungszylindern gewährleistet.

BMW-Welt München
Die extravagante Architektur der BMW-Welt in München prägt natürlich auch die Dachkonstruktion  mit den darin befindlichen NRWG. Die aus dem formgebenden Doppelkegel entspringende 16.000 Quadratmeter große Dachwolke wird von nur zwölf Pendelstützen  etragen und vermittelt einen schwebenden Eindruck. Der Anspruch der Planer und Bauherren bestand darin, die nötigen NRWG von  ußen unsichtbar ins Dach zu integrieren. Als Basis dienten zunächst Standard-NRWG vom Typ „Lamilux Schwenkkuppel S“. Sie wurden flächenbündig in die äußere Dachhaut eingelassen und materialgleich bekleidet. Die sich daraus ergebenden negativen Einflüsse von  Seitenwind auf die Wirksamkeit des Rauchabzugeswurden durch eine gegenüberliegende  nordnung als Doppelklappe für bestmöglichen Windschutz kompensiert.

Rhein-Galerie Ludwigshafen
Die aus mehreren elliptischen Dächern bestehende und rund 2.900 Quadratmeter große Glasdachkonstruktion der Rhein-Galerie  in Ludwigshafen flutet die Mall mit reichlichTageslicht und sorgt für eine natürliche Lüftung  und Rauchabzug. Die erste Herausforderung bestand in der lokalen Konzentration der RWA-Flächen, die sich aus dem architektonischen Konzept ergab. Hinzu kamen hohe optische Ansprüche und der damit verbundene Wunsch auf Windleitwände zu verzichten. In die Glasdachkonstruktion wurden 100 NRWG vom Typ „Lamilux Rauchlift M“ integriert. Eine redundant aufgebaute Druckluftanlage mit etwa 20 Bar liefert die Energie für die RWAFunktion und ermöglicht ein zentrales Öffnen und Schließen ohne den Verbrauch von CO2-Flaschen. Eine komplexe vernetzte Steuerung us einer RWA-Hauptzentrale und vier  RWA-Unterzentralen mit Prioritätenverschaltungvon Entrauchungstableaus, Brandmeldeanlage (BMA), Gebäudeleittechnik (GLT) und  Handbedienstellen sorgt für ein effektives Zusammenwirken aller   A- und Lüftungsöffnungen im gesamten Objekt in jedem Betriebszustand.

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