Speichern statt dämmen: Wir müssen anders bauen!

Meinung

bauplaner Dämmtechnik 12/2018

Spätestens in diesem Jahr dürfte klar geworden sein, dass das Thema sommerlicher Hitzeschutz stärker als bisher in die Gebäudeplanung einfließen muss. Es ist wohl zu erwarten, dass wir Sommer wie diesen mit extremer Hitze und Trockenheit öfter und in zunehmend kürzeren Intervallen erleben. Doch wie schaffen wir es, in unseren Gebäuden ganzjährig für angenehme Temperaturen zu sorgen? Nach wie vor steht der Energieverbrauch, der für das Heizen benötigt wird, bei der Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden im Mittelpunkt. Auch das kommende Gebäudeenergiegesetz (GEG) ändert daran nichts Grundsätzliches. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde  mmerhin keine Verschärfung der derzeit gültigen EnEV als Ziel für das neue GEG definiert. Trotzdem wird ein Thema von grundlegender Bedeutung leider immer noch zu wenig beachtet: die Wärmespeicherfähigkeit von Baustoffen und die damit verbundene temperaturregulierende Wirkung, die nachweislich einen positiven Beitrag zur energetischen Gesamtbilanz von Gebäuden leistet.

Weniger Technik, bessere Gebäudehülle
 Wenn wir auf nachhaltige Weise ganzjährig für angenehme Temperaturen sorgen wollen, müssen wir uns wieder auf die  Speicherfähigkeit von Baustoffen besinnen. Mit Anlagentechnik lässt sich sommers wie winters jede gewünschte Temperatur in einem Gebäude erzeugen. Wer sich darauf verlässt, muss allerdings bedenken, dass die Technik meist sehr aufwendig ist, ständiger Wartung bedarf und laut einschlägiger Gutachten kaum länger als 15 Jahre hält. Der Ersatz der veralteten Technik kann sehr teuer sein. Noch ist der Anteil der Gebäudeklimatisierung am Energieverbrauch und an der CO2-Emissionen in Deutschland relativ gering. Weltweit gesehen fließt aber bereits ein Zehntel des verbrauchten Stroms in Klimageräte und Lüfter. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich dieser Wert aufgrund des Klimawandels bis 2050 verdreifachen wird. Werden wir künftig mehr Energie fürs Kühlen statt fürs Heizen aufwenden, weil wir verlernt haben, wie man richtig baut?

Die Wärmespeicherfähigkeit von Baustoffen ausnutzen
 Ein Stein, der von der Sonne beschienen wurde, fühlt sich immer noch angenehm warm an,  wenn die Sonne längst untergegangen ist. Dies  st ein einfaches physikalisches Prinzip, denn je schwerer, je kompakter ein Material ist, desto mehr nimmt es Wärmeenergie auf, speichert sie und gibt diese als Strahlung wieder an eine kühlere Umgebung ab. Anders ausgedrückt: Massive Ziegelbauten dämpfen die Temperaturamplitude und sorgen für eine Phasenverschiebung des Temperaturverlaufs. Das bedeutet im Winter, dass es drinnen angenehm warm ist und im Sommer bleibt es im Inneren angenehm kühl.  ie Menschen im Mittelmeerraum bauen seit  Jahrtausenden nach diesem Prinzip. Deshalb gehören dort beispielsweise massive Gebäude aus ebranntem Ton zur Lebens- und Baukultur.

Nachhaltige Gebäude haben eine hochwertige Gebäudehülle Ich verweise in diesem Zusammenhang immer wieder gern auf das mehrfach preisgekrönte und vielfach diskutierte Bürogebäude 2226 von Baumschlager Eberle Architekten – nicht nur, weil es aufgrund seiner enormen thermischen Speichermasse dank 76 Zentimeter starkem, zweischaligem Ziegelmauerwerk ohne Heizung, technische Lüftung und Klimatisierung auskommt, sondern vor allem, weil einer der Architekten, Prof. Gerd Jäger, Nachfolgeprojekte  in Deutschland plant, und zwar explizit auch im Wohnungsbau. Ich bin sehr auf die Umsetzung gespannt!

Natürlich lässt sich in der Baupraxis nicht jedes Gebäude so bauen, wie gerade beschrieben. Mein Anliegen ist es, dass sich die Entscheider  im Bauwesen wieder darauf besinnen, architektonisch ansprechende, qualitativ hochwertige, langlebige und energetisch auf einfache Weise optimierte Gebäude zu bauen. Eine klug geplante,  werthaltige Gebäudehülle steht 100 Jahre und mehr. Wer auf Technik setzt, muss diese in dieser Zeit mindestens fünfmal erneuern. Das ist nicht meine Vorstellung eines nachhaltigen Gebäudes.

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