Vergabeverfahren stärker von Ingenieuren begleiten lassen

67. Bundesingenieurkammer-Versammlung

Deutsches Ingenieurblatt 6/2021
Kammern
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Die 67. Bundesingenieurkammer-Versammlung am 23. April 2021 wurde Corona-bedingt als Online-Sitzung durchgeführt. Auch wenn vielen der Delegierten der bilaterale Austausch und die persönlichen Gespräche im Umfeld der Veranstaltung fehlten, waren die Diskussionen angeregt und die Ergebnisse zielführend.

Dr. Heinrich Bökamp führte zum ersten Mal als BIngK-Präsident durch die Bundesingenieurkammer-Versammlung, seit er im vergangenen Herbst in dieses Amt gewählt wurde. Die thematischen Schwerpunkte des Tages waren –neben der HOAI – aktuelle Vergabethemen, die Digitalisierung im Baubereich sowie das Erfordernis einer bundesweit einheitlichen Listenführung.

Hierzu erklärte Dr. Frank Rogmann, Präsident der saarländischen Ingenieurkammer, dass die EU-Kommission eine vergleichsweise homogene Liste zum Bauvorlageberechtigten ins Visier genommen habe. Ende Oktober 2020 hatte die Europäische Kommission (KOM) Deutschland aufgefordert, seinen Verpflichtungen u. a. bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen nachzukommen und in diesem Zusammenhang Deutschland eine mit Gründen versehene Stellungnahme übersandt, was die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens darstellt. Im Hinblick auf die Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie in Deutschland äußerte die KOM insbesondere Bedenken, ob die Umsetzungsvorschriften der Bundesländer in Bezug auf den freien Dienstleistungsverkehr bei Ingenieurleistungen und die Anerkennung von Ingenieuren für Niederlassungszwecke mit der Richtlinie übereinstimmen. Darüber hinaus merkte die KOM an, dass Bestimmungen der Richtlinie in Bezug auf Ingenieure, Beratende ScherfIngenieure und bauvorlageberechtigte Ingenieure nicht korrekt umgesetzt wurden. Hierbei handelte es sich vor allem um die Regelungsbereiche „Kammermitgliedschaft und Listeneintrag“, „Beratende Ingenieure“, „Bauvorlageberechtigung“ und „Ausgleichsmaßnahmen“ – betroffen davon sind fast alle Bundesländer.

Die Länder haben sich gegenüber der KOM dahingehend geäußert, dass die gerügten Sachverhalte aus ihrer Sicht im Wesentlichen unzutreffend seien. Eine Gegenäußerung der KOM liegt derzeit noch nicht vor.

Da es dem Föderalismus im Baubereich geschuldet bei den sicherheitsrelevanten Bereichen eine große Heterogenität in der Listenführung gebe, müsse man an dieser Stelle schnell aktiv werden, waren sich die Delegierten der BKV einig.

Europa: Reformempfehlungen für die Berufsregulierung
Europa bleibt berufspolitisch eine Herausforderung. So hat beispielsweise der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) des Europäischen Parlaments vor geraumer Zeit eine Studie über den Zustand des EU-Binnenmarkts mit dem Titel „Legal obstacles in Member States to Single Market rules“ angefertigt. Im Mittelpunkt stehen verschiedene einschränkende Aspekte des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, der Niederlassungsfreiheit, des digitalen Binnenmarkts sowie des Verbraucherschutzes und des öffentlichen Beschaffungswesens.

Dabei gingen die Autoren auch auf freiberufliche Berufsregulierungen ein. Nach ihrer Einschätzung zeichnet sich der Dienstleistungsbinnenmarkt durch eine große regulatorische Heterogenität zwischen den Mitgliedsstaaten aus, was per se zu erhöhten „Kosten“ bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung führt. Die Studie erkennt grundsätzlich an, dass die Mitgliedsstaaten das Recht haben, verhältnismäßige und durch übergeordnete Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigte Berufsregulierungen zu erlassen. Die Autoren betonen auch, dass es für belastbare Aussagen weitergehender Einzelfallanalysen bedürfe und es am Ende allein beim Europäischen Gerichtshof liege, über die EU-Rechtskonformität von Berufsregulierungen zu befinden. Gleichwohl legen sie sich insoweit fest, als sie die Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer oder zu ändernder Berufsregulierungen als einen sinnvollen Schritt erachten und empfehlen, den Anwendungsbereich auf alle Dienstleistungen zu erweitern. Hinsichtlich bestehender Berufsregulierungen fällt in der Studie das wiederholte Rekurrieren auf unterschiedlichste Fremdkapitalbestimmungen auf. Beispielhaft werden die Vorschriften bei Anwälten, Architekten, Steuerberatern und auch Ingenieuren genannt. Die Autoren empfehlen, dass die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten Leitlinien an die Hand geben solle, wie – in einem ersten Schritt – die Verhältnismäßigkeit solch existierender Bestimmungen bewertet werden könnte.

Anfang März hat die Europäische Kommission ihren „Fahrplan“ (Roadmap) bezüglich einer überarbeiteten Mitteilung zu Reformempfehlungen für die Berufsregulierung vorgestellt. Die Empfehlungen konzentrierten sich hauptsächlich auf Unternehmensdienstleistungen – insbesondere auf Dienstleistungen von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Architekten, Ingenieuren und Patentanwälten. In den Empfehlungen wurde die Restriktivität von Hindernissen analysiert und bewertet, um letztlich entsprechende Reformen in den Mitgliedsstaaten anzustoßen.

Die bereits angekündigte Überarbeitung dieser Mitteilung soll sowohl neue Entwicklungen als auch getätigte Regulierungsreformen untersuchen sowie diejenigen Empfehlungen bekräftigen, die bis heute nicht angegangen wurden. Zudem werden der Restriktivitätsindikator und die Reformempfehlungen aktualisiert. Mit einer Verabschiedung der überarbeiteten Mitteilung seitens der EU-Kommission wird im zweiten Quartal 2021 gerechnet.

Die genannten Aktivitäten lassen erahnen, dass insbesondere die EU-Kommission nun wieder verstärkt ihre Deregulierungsanstrengungen weiterbetreiben wird. Es ist nicht auszuschließen, dass neben dem bereits benannten Vertragsverletzungsverfahren wegen der Berufsregeln künftig weitere Herausforderungen auf den Berufsstand zukommen. Die BIngK wird daher im Verbund mit dem BFB und weiteren Akteuren der planenden Berufe verstärkt den Austausch mit Brüssel suchen.

HOAI: Mit der Modernisierung gegen den Preisverfall
Die Vizepräsidentin der Bundesingenieurkammer, Sylvia Reyer-Rohde, berichtete im Folgenden über die Eckpunkte der HOAI-Novellierung. Die HOAI 2021 war mit dem 1. Januar 2021 nach umfangreichen Verhandlungen und Gesprächen mit den zuständigen Bundesministerien in Kraft getreten. Die BIngK war in das Verfahren ebenfalls mit eingebunden. Im Vergleich zur HOAI 2013 wurden die nach dem Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 notwendig gewordenen Änderungen eingearbeitet. „Es ist uns gelungen, auskömmliche Honorare zumindest in die Ermächtigungsgrundlage der HOAI, das ArchLG, aufzunehmen“, unterstrich Reyer-Rohde.

Keine leichte Aufgabe, da insbesondere die kommunalen Spitzenverbände und andere öffentliche Auftraggeber Widerstand geleistet hatten. Das gesamte Verfahren, das von der BIngK, dem AHO und der BAK für die planenden Berufe begleitet wurde, stand jedoch unter Zeitdruck, da die mit den Vorgaben des EuGH-Urteils verbundenen Fristen einzuhalten waren. Insofern konnten die übrigen notwendigen Novellierungs- und Modernisierungsansätze im zurückliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden. Dies muss nun zeitnah folgen; der AHO, die BIngK und die BAK werden federführend daran arbeiten. Immerhin wird die Modernisierung der HOAI auch durch die kommunalen Spitzenverbände unterstützt.

Sylvia Reyer-Rohde appellierte an die Delegierten, alle Kollegen darin zu bestärken, ihre Honorare auskömmlich zu kalkulieren. Seit es keine verbindlichen Honorarsätze mehr gebe, sei das wichtiger denn je. Und sie gab der Hoffnung Ausdruck, dass eine gute Kalkulationsgrundlage dem Preisverfall, der sich im Moment abzeichne, etwas entgegenwirken könne.

Vergabe: Preisdumping keinen Vorschub leisten
Dr. Werner Weigl, Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und Leiter des Arbeitskreises Vergabe der Bundesingenieurkammer, bedauerte im Bereich der Ober- und Unterschwellenvergabe, dass der Preis bei der Vergabe der Aufträge eine viel zu große Rolle spiele. Auch würden oft überzogene Anforderungen an Art und Anzahl der Referenzen gestellt. Die Veröffentlichung von „Submissionsergebnissen“ für Ingenieur- und Architektenleistungen im Unterschwellenbereich sah Dr. Weigl wie viele andere auch eher kritisch. Einerseits führe es zwar zu mehr Preistransparenz, andererseits stehe zu befürchten, dass die Vergaben noch mehr auf den reinen Preis reduziert würden. Die Qualität spiele dann eine untergeordnete Rolle und dem Preisdumping werde damit Vorschub geleistet. Außerdem sei im Unterschwellenbereich mit einem vergleichbaren Formalismus und Aufwand in der Angebotsphase zu rechnen, wie es bereits bei der Oberschwellenvergabe der Fall sei. Und zwar für alle Beteiligten: sowohl für Auftraggeber als auch Auftragnehmer. Eine Teilnahme am Vergabeverfahren wäre dann insbesondere für kleinere Ingenieurbüros nicht mehr zu realisieren.

Im Moment wird die Begleitung von Vergabeverfahren für öffentliche Auftraggeber als Dienstleistung häufig von Rechtsanwälten oder Architekten erbracht. Die Erfahrungen zeigen, dass insbesondere Rechtsanwälte Vergabeverfahren häufig zu formalisiert ausgestalten und auch ungeeignete Eignungs- oder Zuschlagskriterien wählen. So berichten Kammermitglieder aus dem Bereich Tragwerksplanung regelmäßig von Referenzanforderungen, die dem Gegenstand des Vergabeverfahrens nicht gerecht werden.

Dem Markt sollen nun entsprechend qualifizierte Vergabeberater zur Verfügung gestellt werden. Indem Mitglieder über eine von den Kammern geführte Liste die Möglichkeit haben, eine besondere Qualifikation nachzuweisen, können sie sich am Markt positionieren. Zudem profitieren die an Vergabeverfahren teilnehmenden Mitglieder von praxisgerechten Vergabeverfahren.

Derzeit finden zwischen den bisher beteiligten Länderingenieurkammern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Abstimmungsgespräche über Umfang und Inhalt der Fortbildungsmaßnahmen zum Erlangen der Eintragung statt. Die Qualifizierung übernehmen dann im jeweiligen Bundesland die Fortbildungseinrichtungen der Kammern. Die Listeneintragung soll jedoch länderübergreifend gelten. Auch sollen die Kosten für Eintragung und Listenführung einheitlich gefasst sein. Zielgruppe der Listenführung sind allein Kammermitglieder.

Prof. Stephan Engelsmann, Präsident der Ingenieurkammer Baden-Württemberg, bat die Vertreter der anderen Länderingenieurkammern, sich an dieser Initiative der drei Ingenieurkammern zu beteiligen. „Wir ärgern uns bei der Betreuung von Vergabeverfahren darüber, dass sie aus einer nicht vorhandenen Fachkenntnis formuliert worden sind“, so Engelsmann. „Deshalb haben wir angeregt, dass Vergabeverfahren künftig von Ingenieuren begleitet werden, wenn es um die Ingenieurleistungen geht.“ Er zeigte sich überzeugt, dass durch die geplanten Maßnahmen in den kommenden Jahren die Vergabeverfahren besser werden können.

Digitale Bundesauskunftsstelle von Architekten- und Ingenieurkammern
Am 24. Februar 2021 wurde die von Länderarchitektenkammern und Länderingenieurkammern gemeinsam geschaffene Einrichtung di.BAStAI (digitale Bundesauskunftsstelle für Architekten und Ingenieure) gegründet (dazu auch in dieser Ausgabe S. 22). Mit Gründung von di.BAStAI wird jetzt die Prüfung der Bauvorlageberechtigung durch die Bauaufsichtsbehörden im digitalen Verfahren mit der elektronischen Auskunft zum Eintragungsstatus in Kammerlisten und -verzeichnissen ermöglicht. „Insgesamt eine gute Sache“, lobte Wilhelmina Katzschmann, Vorstandsmitglied der BIngK, das Projekt. Im Anschluss berichtete Katzschmann aus der Arbeit im Aufsichtsrat der planen-bauen 4.0 (pb4.0). In der Vergangenheit war es vermehrt zu Diskussionen gekommen, da die pb4.0 bei Ausschreibungen in den direkten Wettbewerb zu einzelnen Planungsbüros getreten war. Um dies zukünftig zu verhindern, hat sich der zuständige Projektausschuss dafür ausgesprochen, dass die Geschäftsführung bei allen Aufträgen vorab die Zustimmung aller Aufsichtsrats-Mitglieder einholen müsse. Diesen Weg wolle man nun bis Ende des Jahres weiterverfolgen, um zu prüfen, ob somit die nicht gewünschte Konkurrenzsituation überwunden oder gemildert werden kann. Ansonsten müsse man prüfen, ob die BIngK Gesellschafterin der pb4.0 bleiben könne oder – so wie die BAK – ausscheiden müsse.

Das BMI hat unabhängig von BIM Deutschland seinen „BIM Masterplan Hochbau“ vorgestellt, an dessen Entwicklung BIngK und BAK indirekt mitgewirkt haben. Im Bereich BIM-Fort- und Weiterbildung konnten die beiden Bundeskammern die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Bundesbau ebenfalls intensivieren, was sich künftig auch in gemeinsamen Fort- und Weiterbildungsangeboten beim „BIM Professional“ niederschlagen soll. Eine weitere enge Zusammenarbeit hat sich zudem zum Thema „Beschleunigung des Bundesbaus“ entwickelt.

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