Von der Punktwolke bis zum digitalen Gebäudemodell

Aufmaß im Bestand

bauplaner 12/2021: digitalBAU2022
Spectra Logic Corporarion
Digitalisierung

Im Neubau unterstützen digitale Planungstools seit Jahren dabei, Fachplanungen wie TGA und Statik mit dem Architekturentwurf abzugleichen – und kritische Fehlerpunkte früh im Projekt mithilfe vielfältiger Parameter ausfindig zu machen.

Durch einen digitalen Planungsabgleich werden Zeit gespart, das Qualitätsmanagement im Projekt erleichtert und Folgekosten minimiert, die sonst im Rahmen einer baubegleitenden Planung entstehen. Wie verhält es sich aber, wenn der Bestand die Grundlage einer Planung ist? Wie lassen sich exakte Dimensionen, Maße, Höhen, konstruktive oder statische Abhängigkeiten von der Umgebungsbebauung oder der Topografie rund um das Bauwerk ermitteln? Ein detailliertes Aufmaß des Bestands ist hierbei die einzige Möglichkeit, alle relevanten und vorhandenen Rauminformationen zu bündeln und anschließend in Bestandsplänen auszugeben. Digitale, laserbasierte Aufmaße sind die exakte und sinnvolle Grundlage für alle anschließenden Planungen. Lange war das qualifizierte Aufmaß die Domäne spezialisierter Ingenieurinnen und Ingenieure in den Vermessungsbüros. Das ändert sich jedoch aktuell, denn Laserscanner sind erschwinglich geworden. Je nach Ausstattung und Hersteller sind Geräte ab 16.000 EUR erhältlich, die eine notwendige Profiqualität bieten. Hinzu kommt eine Software, die die Aufmaßdaten (Punktwolken) referenziert und für die Übergabe ins büroeigene Planungsprogramm vorbereitet. Sie kann angemietet werden und belastet das eigene Budget nur punktuell. Darüber hinaus lassen sich bei Dienstleistern bundesweit tageweise Laserscanner mieten, was die Kosten bei gelegentlichen Aufmaßen überschaubar hält.

Welches System? Und besser mieten oder kaufen?
Alexander Maier von zeit + raum aus Mainz vermietet und verkauft Laserscanner. Für ihn ist vor allem die Vermietung digitaler Scansysteme zu einem wichtigen Standbein im eigenen Büro geworden. Er unterscheidet die verschiedenen Systeme und Aufgabenbereiche grundsätzlich: „Wir arbeiten durchweg mit Punktwolken-Laserscansystemen. Hier unterscheiden wir zwischen Kleingeräten, mit denen man schnell einen Raum durchläuft und aufmisst, zum Beispiel mit dem ‚Leica BLK Go‘. Außerdem bieten wir Laserscanner auf dem Stativ an. Ein gutes Einstiegsmodell ist hier zum Beispiel der ‚Leica BLK 360‘; hinzu kommen Geräte vom Hersteller Faro. Beim Leica BLK 360 liegt man aktuell bei ca. 16.000 EUR in der Anschaffung, bei Geräten von Faro bei ungefähr 35.000 EUR.“ Neben den mobilen oder stationären Laserscansystemen gibt es Flugdrohnen mit integriertem LiDAR-Scanner. Bei ihnen wird aus der Drohne heraus vom überflogenen Gelände eine Punktwolke erstellt, die vor allem für das Außenaufmaß eines Gebäudes, die Gebäudehülle oder einen Scan der Umgebungsbebauung sinnvoll ist. Damit lässt sich im Nachgang beispielsweise überprüfen, wie gut ein Gebäudeentwurf in die Bestandsbebauung integriert ist oder sich im Gelände einfügt. Je nach Modell erzeugen die Laserscanner über die Punktwolke hinaus ergänzende 360°-Fotos, die sich für die umfangreiche Dokumentation eines Projekts nutzen lassen.

Vom Gebäudeaufmaß zum Bestandsmodell in sieben Schritten
Soweit die Theorie. Doch wie sieht die konkrete Umsetzung aus, wenn von einem Bestandsgebäude ein detailliertes 3D-Bestandsmodell entstehen soll? Im Wesentlichen sind es sieben Schritte, die durchlaufen werden, erklärt Vermessungsexperte Alexander Maier:

  1. Der Laserscan mit 360-Grad-Fotos vor Ort, am Projekt. Ein Scan dauert dabei pro Laserstandort 3 bis 4 Minuten. Beim Aufmaß sind stets verschiedene Standorte im und am Gebäude zu wählen. Die hierbei entstehenden Punktwolken werden in einem späteren Schritt (siehe 3.) referenziert und einander zugeordnet.
  2. Die Übertragung der Scandaten aus dem Scanner oder vom Tablet auf den Bürocomputer. Je nach Datenmenge dauert dieser moderate 15 Minuten oder länger.
  3. Die Aufbereitung der Scanrohdaten in einer Registrierungssoftware. Dort werden die einzelnen Scannerstandpunkte automatisch berechnet, zusammengeführt und überprüft.
  4. Das Erzeugen einer offenen „e57“-Datei und deren Export in die BIM-Software, so zum Beispiel in die Planungssoftware „Archicad“.
  5. Das Einlesen und Positionieren der e57-Datei in Archicad oder einer anderen kompatiblen Software.
  6. Die Nachmodellierung der Punktwolke in der Planungssoftware und der Aufbau als bauteilorientiertes BIM-Gebäudemodell.
  7. Die Nutzung des Gebäudemodells für die weitere Planung (Umbau, Revitalisierung, Erweiterung) bzw. die direkte Übergabe in das CAFM-System als Grundlage für den nachfolgenden Gebäudebetrieb.

Durchgängige Revision in der gesamten Bauphase
Das Ziel eines laserbasierten Bestandsaufmaßes ist die Überführung eines Bauwerks in ein bauteilbasiertes Gebäudemodell – als qualitätsvolle Basis für jede weitere Projektplanung. Eine möglichst exakte Planungsbasis zu haben, war immer der Wunsch von Planenden und unterscheidet das simple Handaufmaß nicht grundsätzlich vom lasergestützten Aufmaß. Neu ist aber die Qualität der Lasermessergebnisse auf der einen und die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten eines 3D-Bestandsmodells auf der anderen Seite. So kann das Bestandsmodell für alle weiterführenden Planungen, den Gebäudebetrieb und eine umfassende Bestandsdokumentation genutzt werden, ebenso wie für die exakte Verortung von technischen Einbauten oder eine kontinuierliche Revision des „War“-, „Soll“- und des „Ist“-Standes über den gesamten Projektverlauf hinweg. Das Architekturbüro steffen wurster aus Bolanden in Rheinland-Pfalz leiht seit mehreren Jahren immer wieder Laserscansysteme bei zeit + raum. Steffen Wurster sieht vor allem die Genauigkeit des Aufmaßes und die einfache und stetige Überprüfung zwischen dem Entwurfs- und Bestandsmodell als die größten Vorteile für seine Arbeit. Für größere Projekte bietet es sich ergänzend an, in wichtigen Projektphasen (also z. B. nach Abschluss der Rohbauarbeiten) weitere Zwischenaufmaße vorzunehmen. Konsequent fortgeführt bis in die Ausbaugewerke hinein erhalten die Planenden ein Aufmaß, das aus vielen Ebenen bestehend die gebaute Situation abbildet. Dennoch darf das nicht als As-built-Modell verstanden werden. Vielmehr sind hier verschiedene Punktwolken übereinandergeschichtet, die sich jeweils zu- und abschalten lassen. Das Facility Management kann so im nachfolgenden Gebäudebetrieb mithilfe einer AR-Anwendung „hinter die Wandverkleidung schauen“ und die technische Gebäudeausrüstung, Schächte oder ummantelte Konstruktionselemente wie verdeckte Pfeiler, Stützen und Unterzüge virtuell sichtbar machen.

Die Bauherrschaft stärker für den Nutzen sensibilisieren
Sowohl Alexander Maier wie Steffen Wurster betonen, dass für die Bauherrschaft das Bestandsaufmaß und ein den Baufortschritt begleitendes Aufmaß vor allem für den Gebäudebetrieb Vorteile bieten. Doch sei hierbei weitere Aufklärungsarbeit nötig, sagt Steffen Wurster: „Der Nutzen des Bestandsaufmaßes und des Gebäudemodells steht beim Bauherrn bisher nicht im Vordergrund. Sicher wird sich das in den kommenden Jahren ändern. Aktuell ist es aber vor allem für uns wichtig – und das nicht nur bei Sanierungsvorhaben. Für Neubauten verwenden wir es genauso, um beispielsweise die Umgebung oder Außenanlagen digital aufzunehmen. Ergänzende Sonnenstandsstudien lassen sich daraus ebenso leicht erarbeiten. Wir können in Archicad modellieren und die umgebende Bebauung, Bäume oder die Topografie direkt in den Entwurf einbinden. Die nötigen Daten sind mit dem digitalen Aufmaß einfach da. Also nutzen wir sie!“

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