Roadmap zur Klimaneutralität in der Kalksandsteinbranche

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"Wir können ab 2042 klimapositiv sein!"

Mit seiner Roadmap legt der Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. einen detaillierten Fahrplan vor, der den Weg der Branche in die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 aufzeigt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die 76 deutschen Kalksandsteinwerke unter optimalen Rahmenbedingungen bereits 2042 klimaneutral – und danach sogar klimapositiv werden können. In den Produkten wäre dann mehr CO2 eingelagert als im gesamten Produktionsprozess freigesetzt würde.

Die Studie

Damit dies gelingt, müssen allerdings die vor- und nachgelagerten Partner der Wertschöpfungskette sowie die Politik ihren Beitrag leisten.
Die gemeinsam mit der FutureCamp Climate GmbH und einem technischen Expertenrat der Kalksandsteinindustrie erarbeitete Studie zeigt auf 117 Seiten, welche Schritte und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität erforderlich sind, die damit verbundenen Kosten und wie die politischen Rahmenbedingungen zukünftig ausgestaltet sein müssen. Bei der Erarbeitung der Roadmap wurden neben dem Klimaneutralitätspfad zwei weitere Pfade als Vergleichsmaßstab modelliert: ein Referenzpfad, in dem der bestehende Status quo fortgeschrieben wird, sowie ein Pionierpfad, der nur jene Maßnahmen umfasst, welche betriebswirtschaftlich sinnvoll und vertretbar sind.

Roadmap für eine treibhausgasneutrale Kalksandsteinindustrie in Deutschland

Eine Studie für den Bundesverband Kalksandsteinindustrie e. V.

In der Roadmap beschreibt der des Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. einen detaillierten Fahrplan, der den Weg in die Klimaneutralität der Branche bis 2045 aufzeigt. Die Studie steht zum Download bereit unter www.kalksandstein.de

Recarbonatisierung als CO2-Senke

Die Roadmap basiert auf der aktuellen Umwelt-Produktdeklaration (EPD), nach der sich die CO2-Emissionen von Kalksandstein seit 2016 um weitere acht Prozent reduziert haben. Die gute Ökobilanz resultiert unter anderem auch aus der CO2-Bindefähigkeit von Kalksandstein. Bei der sogenannten Recarbonatisierung handelt es sich um eine natürliche chemische Reaktion. Das aus der Umgebungsluft aufgenommene CO2 wird dabei fest in das kristalline Gefüge der Kalksandsteine eingebunden und tritt auch bei einem Abbruch des Gebäudes nicht wieder aus. Untersuchungen des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwesen der Universität Kassel haben gezeigt, dass eine Tonne Kalksandsteinmaterial innerhalb von 50 Jahren rund 50 Kilogramm CO2 aufnimmt. Bei einer Produktionsmenge von acht Millionen Tonnen (2020) entspricht dies 400.000 Tonnen CO2. "Rund 40 Prozent des bei der Herstellung entstehenden CO2 werden während des Lebenszyklus wieder gebunden. Damit leistet die Recarbonatisierung einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung der Kalksandsteinindustrie – und dürfte langfristig sogar zu einer positiven Ökobilanz führen", bringt Jan Dietrich Radmacher, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Kalksandsteinindustrie e.V., die positiven Effekte der CO2-Speicherfähigkeit auf den Punkt. Deshalb wäre es nur folgerichtig, dass der Recarbonatisierungseffekt bei der ökobilanziellen Bewertung des Baustoffs Kalksandstein in Zukunft mindernd berücksichtigt wird.

Kalk als CO2-Treiber

Die deutsche Kalksandsteinindustrie emittierte 2020 rund 780.000 Tonnen CO2. Nur 20 Prozent (156.000 Tonnen) entstanden im eigentlichen Produktionsprozess durch die Verwendung fossiler Energien. Die restlichen 80 Prozent gehen auf die Verwendung des Bindemittels Branntkalk zurück. 624.000 Tonnen CO2 sind also "hinzugekauft" und werden von den Kalkherstellern, den vorgelagerten Partnern der Wertschöpfungskette, verursacht. Die Kalkindustrie arbeitet aktuell an Lösungen zur Abscheidung und Speicherung ihrer CO2-Emissionen. Die klimaneutrale Transformation der Kalksandsteinindustrie hängt maßgeblich davon ab, ob emissionsfreier Kalk ohne relevante Mehrkosten in naher Zukunft zur Verfügung steht. Parallel dazu forscht die Kalksandsteinindustrie an Rezepturen mit einem geringeren Kalkanteil, an alternativen Bindemitteln und an einem Verfahren, um die Recarbonatisierung von Kalksandsteinen zu beschleunigen. Dabei werden frisch gehärtete Kalksandsteine nach Abschluss der Dampfhärtung in nachgeschalteten Behältern für eine definierte Zeit einer CO2-Atmosphäre ausgesetzt. Auf diese Weise können Kalksandsteine bereits vor der weiteren Verarbeitung ganz oder teilweise recarbonatisiert werden.

Dampferzeugung als zentraler CO2-Hebel

Die Dampferzeugung ist der zentrale Hebel zur klimaneutralen Kalksandsteinproduktion. Ein durchschnittliches Werk verbraucht rund 8.800 MWh/a Gas für die Dampferzeugung und ca. 1.000 MWh/a Strom für die restlichen Produktionsschritte. Die Umstellung von fossilen Energien auf regenerativen Strom oder grünen Wasserstoff ist technisch möglich. Entsprechende Lösungen sind bereits auf dem Markt verfügbar – jedoch zu extrem hohen Preisen. Da klimaneutrale Energieträger aktuell noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, macht ein Brennstoffwechsel bei der Dampferzeugung aktuell allerdings nur dann Sinn, wenn die benötigte Energie selbst erzeugt wird. Hierzu ist eine ganz erhebliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren von Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien, wie Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen, unabdingbar. Weitere Einsparpotenziale eröffnen die effizientere Nutzung der bei der Dampfhärtung entstehenden Prozesswärme, die digital gestützte energieeffiziente Optimierung der Produktionsprozesse sowie die Umstellung des Werksverkehrs auf Elektroantrieb, Brennstoffzellen oder synthetische Kraftstoffe.

Hohe Investitionskosten als Hürde

Laut Berechnungen der FutureCamp Climate GmbH müssen zur Erreichung der Klimaneutralität der Kalksandsteinindustrie bis zum Jahr 2045 insgesamt rund 536 Millionen Euro investiert werden. Dies entspricht Investitionskosten von rund 7 Millionen Euro pro Werk. "Das ist eine Summe, die die mittelständisch geprägte Kalksandsteinindustrie ohne staatliche Fördergelder und Investitionshilfen nicht alleine stemmen kann. Zumal die Kostenbelastung durch die CO2-Bepreisung und steigende Energiepreise die finanziellen Handlungsspielräume unserer Unternehmen bereits deutlich einschränkt hat", mahnt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Kalksandsteinindustrie e.V., Frederic Dörlitz. Zwar sei der Ansatz richtig, durch die Verteuerung klimabelastender Technologien Anreize für die Investition in klimafreundliche Alternativen zu schaffen. Allerdings wären die energiebedingten Kosten mittelfristig höher als die Einspareffekte durch niedrigere Emissionen. Diese Wirtschaftlichkeitslücke müsse die Politik mit entsprechenden Maßnahmen schließen. Darüber hinaus muss der sich aus der CO2-Bepreisung für die Kalksandsteinindustrie im internationalen Wettbewerb ergebende Nachteil unbedingt durch einen Carbon-Leakage-Schutz ausgeglichen werden.

Politik als Wegbereiter

Die Roadmap zeigt, dass die Kalksandsteinindustrie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten kann – allerdings nur, wenn die Innovations- und Investitionskraft der Branche von wirtschaftsfördernden Rahmenbedingungen flankiert wird. Um die klimaneutrale Transformation zu ermöglichen, muss der Staat die Unternehmen mit maßgeschneiderten Förderprogrammen, Investitionszuschüssen, bezahlbaren Energiepreisen, erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff in ausreichender Menge, einer leistungsfähigen Infrastruktur sowie deutlich beschleunigten Genehmigungsverfahren unterstützen.

"Neben unseren Forderungen sind zahlreiche weitere Maßnahmen im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung verankert, die uns den Einstieg in die klimaneutrale Transformation erleichtern könnten. Ob Carbon Contracts for Difference, Superabschreibungen oder Transformationsfonds – das alles zeigt, dass man wirklich mehr Fortschritt wagen will. Wenn das rekordverdächtige Tempo auch bei der Umsetzung beibehalten wird und die für uns so wichtige Kalkindustrie ihre Hausaufgaben ordentlich macht, könnten wir bereits ab 2042 klimapositiv sein", gibt sich Jan Dietrich Radmacher, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Kalksandsteinindustrie e.V., zuversichtlich.