Qualität in der Bauwerksprüfung

10 Jahre VFIB

Deutsches Ingenieurblatt 7/8 2018
Im Januar 2008 wurde der „Verein zur Qualitätssicherung und Zertifizierung der Aus- und Fortbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren der Bauwerksprüfung“ – kurz VFIB oder „Verein der Ingenieure der Bauwerksprüfung“ – gegründet. Gründungsmitglieder waren der Bund, vertreten durch das Bundesverkehrsministerium, die Bundesländer, vertreten durch die Straßenbauverwaltungen der Länder, die Ingenieurkammern fast aller Bundesländer und die Lehrgangsstandorte in Bochum, Feuchtwangen und Lauterbach. Nach zehn Jahren zieht der Verein eine Bilanz.

In den vergangenen Jahren konnte sich der VFIB über einen kontinuierlichen Mitgliederanstieg freuen: Zu den genannten Gründungsmitgliedern sind inzwischen alle kommunalen Spitzenverbände als ordentliche Mitglieder hinzugekommen und auch die Zahl der außerordentlichen Mitglieder, zu denen fast alle größeren und kleineren Ingenieurbüros gehören, die sich mit Brückenprüfung beschäftigen, ist inzwischen auf über 200 gewachsen.

Brückenprüfungen durch qualifizierte Ingenieure sind eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe für alle Baulastträger. Es gilt, ein erhebliches Volksvermögen zu verwalten und zu erhalten, was nur dann erfolgreich funktionieren kann, wenn jederzeit umfassend über den Zustand der Bauwerke informiert wird.

Schätzungsweise rund 140.000 Brückenbauwerke gibt es in Deutschland, verteilt auf verschiedene Baulastträger. Allein in Bundesfernstraße nbeträgt das Volksvermögen etwa 60 Mrd. €, das sorgsam gepflegt und erhalten werden muss. Leider ist dies aber oft nicht der Fall, sodass der Zustand vieler Bauwerke inzwischen bedenklich ist und einer intensiven Überwachung bedarf. Erste Überlegungen zur Förderung der Qualität von Bauwerksprüfungen gab es schon im Jahr 2000. Im Unterausschuss Erhaltung des B/L-Hauptausschusses Brücken und Ingenieurbau wurde seinerzeit zunächst im kleinen Kreis die damalige Situation diskutiert und die Notwendigkeit erkannt, durchgezielte Schulungen die Qualifikation der Ingenieure der Bauwerksprüfung zu verbessern und zu verstetigen. Im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen waren die verwaltungsinternen Aus- und Fortbildungen in den Ländern teilweise stark zurückgefahren worden oder fanden gar nicht mehr statt. Auch stellte man fest, dass bei den Baulast trägern zunehmend Personal in diesem Bereich abgebaut wurde– und die verantwortungsvolle Aufgabe an Dritte überging.

Zur Verbesserung der Situation sollten daher bundeseinheitliche Lehrgänge angeboten werden. Eine Arbeitsgruppe erfahrener Kollegen aus Bund, Ländern und der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) erhielt den Auftrag, entsprechende Lehrgänge zu entwickeln. Der erste Pilotlehrgang fand im Oktober 2000 bei der BASt statt, zunächst allerdings nur für verwaltungseigenes Personal.

Doch bereits 2003 konnte ein fünftägiger Lehrgang in der Bauakademie Lauterbach angeboten werden, 2006 folgten weitere Lehrgänge an der Bayerischen Bauakademie Feuchtwangen und an der Fachhochschule Bochum. Jetzt auch für Mitarbeiter von Ingenieurbüros. Heute gibt es insgesamt vier Lehrgangs standorte, den vierten bei der Ingenieurkammer Sachsen in Dresden.

Schon in den ersten Jahren endete der fünftägige Lehrgang mit einer schriftlichen Prüfung. Wer sie bestand, erhielt ein Zertifikat zum Nachweis der Qualifikation. Die Nachfrage nach den Lehrgängen war groß und bis 2008 hatten bereits rund 1000 Ingenieurinnen und Ingenieure der Bauwerksprüfung ein Zertifikat erworben. Die Frage, ob das Lehrgangs angebot auch für Mitarbeiter von Ingenieurbüros geöffnet werden sollte, war zunächst durchaus umstritten. Denn damit hätte man den Trend zur Vergabe dieser wichtigen Aufgabe an Dritte aktiv unterstützt, statt wieder mehr eigenes Personal einzusetzen. Andererseits war aber auch erkennbar, dass dieser Trend aus haushaltspolitischen Gründen kaum aufzuhalten war und es zielführender und konsequenter wäre, für eine entsprechende Qualifikation der Drittanbieter zu sorgen.

Nach längerer Diskussion wurde die Entscheidung getroffen, das Geschäftsfeld Bauwerksprüfung für Ingenieurbüros weiter zu öffnen, gleichzeitig aber einen Nachweis der Qualifikation als Mindestvoraussetzung für eine Auftragserteilung zu verlangen. Mit der Bundesingenieurkammer und den Ingenieurkammern der Länder konnte schnell eine Einigung erzielt und der gemeinnützige Verein VFIB wurde aus der Taufe gehoben werden. Verwaltungsintern wurdes einerzeit lange um diese Entscheidung gerungen – denn die Verantwortung für die Sicherheit und die Erhaltung der Brücken- und Ingenieurbauwerke liegt auch bei Vergabe an Dritte bei den Baulastträgern – mit allen rechtlichen Konsequenzen.

Aktuelle Arbeitsschwerpunkte des VFIB

Die Arbeit des VFIB beruht im Wesentlichen auf drei Säulen: Förderung der Qualität der Bauwerksprüfungen durch Lehrgänge und Empfehlungen, Erfahrungsaustausch auf Fachtagungen und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Zur Förderung der Qualität dienen vor allem die Lehrgänge an den vier Lehrgangs standorten.

Neben dem fünftägigen Grundlehrgang gibt es inzwischen mehrere zweitägige Lehrgänge als ständige Fortbildung und als Nachweis für die Verlängerung der Zertifikate. Einzelne Lehrgangs standorte bieten darüber hinaus Lehrgänge zu wichtigen Einzelthemen an, wie z. B. „Bauwerksmanagement für die Bauwerksprüfung nach DIN1076 von Kommunen“ oder zum Spezialthema „Prüfung von Stahl- und Stahlverbundbrücken“.

Der Beirat des VFIB, der für die Inhalte und die Qualität der Lehrgänge zuständig ist, aktualisiert und erneuert die Lehrgänge regelmäßig. Das über den 5-tägigen Lehrgang erworbene Zertifikat hat mittlerweile eine zentrale Bedeutung: Die meisten Baulastträger bei Bund, Ländern und Kommunen verlangen inzwischen ein gültiges Zertifikat des VFIB als wesentliche Mindestvoraussetzung für die Vergabe von Bauwerksprüfungen.

Neu ist seit 2016 die „Empfehlung für Leistungsbeschreibung, Aufwandsermittlung und Vergabe von Leistungen der Bauwerksprüfung nach DIN 1076“, die von erfahrenen Fachleuten in einer Arbeitsgruppe des VFIB erarbeitet wurde. Sie richtet sich sowohl an Baulastträger als auch an Ingenieurbüros, die mit Bauwerksprüfungen befasst sind. Neben Hinweisen zu rechtlichen Grundlagen, zu Ausschreibung und Vergabe enthält die Empfehlung auch Leistungsbeschreibungen für Haupt- und Einfache Prüfungen, Vorschläge zur Aufwands- und Kostenermittlung dieser Leistungen sowie Vordrucke zur Angebotseinholung und Vergabe von Bauwerksprüfungen.

Da bisher eine bundeseinheitliche Empfehlung für die Vergabe von Bauwerksprüfungen fehlte, wurde dieses Werk sehr schnell in die Praxis übernommen und wird inzwischen auch vom Bundesverkehrsministerium zur Anwendung empfohlen. Die Empfehlung ist ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung und zur angemessenen Honorierung dieser verantwortungsvollen Aufgabe.

Neben den Lehrgängen und Empfehlungen sind auch die alle zwei Jahre stattfindenden Tagungen zum Erfahrungsaustausch eine wichtige Säule der Arbeit des VFIB. Mit einer Teilnehmerzahl von fast 600 Ingenieuren hat sich der Erfahrungsaustausch in der Fachwelt etabliert; das nächste Mal findet die Veranstaltung 2019 in Köln statt.

Die Öffentlichkeitsarbeit des VFIB bezieht sich in erster Linie auf die Information der Mitglieder, zielt daneben aber auch auf interessierte Fachleute und Laien ab. Die Homepage bietet inzwischen eine Vielzahl von Informationen, Fachaufsätzen und Berichten zu Themen rund um die Bauwerksprüfung. Newsletter zu aktuellen Themen und ein regelmäßiger Pressespiegelrunden das Angebot ab.

Durch die Mitgliedschaft der kommunalen Spitzenverbände besteht nun auch einneuer Zugang zu Städten und Gemeinden. Wohl wissend, dass bei den meisten Kommunen neben den vielen anderen Aufgaben die Bauwerksprüfungeher ein Randthema ist, bemüht sich der VFIB aktuell hauptsächlich darum ,den Entscheidungsträgern die rechtliche und technische Bedeutung der Bauwerksprüfung nahe zubringen. Diese Aufklärungs- und Informationsaktion scheint erste Früchte zutragen, denn das Interesse an diesem auch für Kommunen wichtigem Thema ist inzwischen deutlich gestiegen.

Das Wissen um frühere Bauweisen und -materialien

In den vergangenen zehn Jahren lag der Arbeitsschwerpunkt des VFIB hauptsächlich im Bereich der Fortbildung der Brücken prüfingenieure durch verschiedene qualifizierte Lehrgänge. Die große Nachfrage nach dem fünftägigen Grundlehrgang hat gezeigt, dass einer heblicher Bedarf bestand, der aber inzwischen mit rund 1500 Zertifikats inhabern gut abgedeckt ist.

Künftig wird er in erster Linie für Nachwuchsingenieure und die Mitarbeiterin Kommunen relevant sein. Die Nachfrage nach den zweitägigen Lehrgängen bleibt weiterhin hoch, da diese eine Grundvoraussetzung für die Verlängerung des Zertifikats sind. Ein großes neues Arbeitsfeld wird sich voraussichtlich in der Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden ergeben, denn es besteht weiterhin Aufklärungsbedarf über die Notwendigkeit und die Bedeutung der Bauwerksprüfungen.

In einigen Ländern haben auch die Rechnungshöfe dieses Thema aufgegriffen. Der Rechnungshof Rheinland-Pfalz beispielsweise kritisierte, dass selbst größere Gemeinden keinen oder nur ungenügenden Überblick über ihren Brückenbestand haben und keine regelmäßigen Bauwerksprüfungen durchführen. Bauwerksertüchtigungen und Ersatz von abgängigen Bauwerken werden alle Baulastträger noch viele Jahre beschäftigen. Die Prüfung und Beurteilung älterer Bausubstanz hat dabei große Bedeutung, um zu sachgerechten Entscheidungen zu kommen. Das Wissen um die früheren Bauweisen und Baumaterialien ist hierfür eine wesentliche Voraussetzung. Allerdings hat sich gezeigt, dass gerade bei jüngeren Ingenieuren eine umfangreiche Kenntnis in diesem Bereich teilweise fehlt. Dies ist daher ein wichtiges Thema, mit dem sich der VFIB künftig stärker beschäftigen wird und das in Fortbildungen einfließen muss.

Die fortschreitende Digitalisierung wird wie in vielen anderen Arbeitsfeldern auch beider Durchführung von Brückenprüfungen und bei der Erfassung des Brückenbestands und-zustands eine zunehmende Rolle spielen. Diese Herausforderung für alle Beteiligten eröffnet Chancen – birgt aber auch die Gefahr von Fehlentwicklungen. Das Thema „intelligente Brücken“, das zurzeit von der BASt im Rahmen eines Forschungsbereichs vorangetrieben wird, sowie die digitale Erfassung von Bauteilen und deren Reaktion bei Belastungen sind neben der Anwendung von BIM im Brückenbau nur einige Themen, die künftig auch die traditionellen Bauwerksprüfungen beeinflussen werden. Auch mit diesem Bereich wird sich der VFIB in Zukunt stärker beschäftigen.

Welchen Stellenwert wird die Bauwerksprüfung künftig bei der neuen Infrastrukturgesellschaft und bei den in den Ländern verbliebenen Teilen der Straßenbauverwaltungen haben?

Die Fachwelt und der VFIB setzen sich dafür ein, dass künftig auch weiterhin eigene Brückenprüftrupps einen wesentlichen Teil der Aufgaben übernehmen werden, damit das Know-how in den eigenen Reihen erhalten bleibt und eine ausreichende Balance zwischen dem Einsatz eigener qualifizierter Brückenprüfingenieure und der Vergabe an Dritte gewahrt bleibt. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahrzehnten haben gezeigt, dass dies eine wichtige Voraussetzung für die sachgerechte und wirtschaftliche Erhaltung des Bestands an Brücken und Ingenieurbauwerken ist.

Den Ingenieurinnen und Ingenieuren der Bauwerksprüfung gehen also auch in Zukunft die Aufgaben nicht aus. Der VFIB wird mit großem Engagement weiterhin dazu beitragen, dass das hohe Niveau der Bauwerksprüfung in Deutschland auch in Zukunft gewahrt bleibt.

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