Aktives Lastmanagement ist der Schlüssel zum Erfolg

Sportstadien als Bausteine in einer intelligenten kommunalen Energieversorgung

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green BUILDING 6/2013
Sportstadien als Bausteine in einer intelligenten kommunalen Energieversorgung

Der Diplom- und Wirtschaftsingenieur Thomas Heppe erläutert im Gespräch, wie aus energieintensiven Stadien nicht nur energieeffiziente Gebäude, sondern wichtige Bausteine in einer intelligenten kommunalen Energieversorgung werden können. Er leitete die Abteilung „Planung, Projektentwicklung & Energieeffizienz“ bei der Imtech Deutschland GmbH & Co. KG in der Region Süd-Ost. Stadien wertet das Unternehmen als Zukunftsmarkt und war am Bau verschiedener Arenen in Europa beteiligt, z. B. am Olympiastadion in London 2012 sowie an den EM-Stadien 2012 in Warschau, Danzig und Breslau. Bereits mehrere deutsche Stadien wurden von Imtech energetisch optimiert, z. B. die Imtech Arena in Hamburg. Seit 2012 ist das Unternehmen auch Technologiepartner des FC Bayern München.

greenbuilding: Energieeffiziente Stadien werden aktuell von führenden Vereinen angestrebt, allen voran vom FC Bayern München, der nun auch sein Stadion energietechnisch zur Nummer 1 machen will. Wie hoch ist der Energieverbrauch eines Fußballstadions im Jahr?

Das kann man pauschal nicht beantworten. Imtech hat viele Stadien diesbezüglich analysiert. Die Energieverbräuche variieren entsprechend verschiedener Parameter, wie z. B. der Stadiongröße, der Anzahl von Spielen/Veranstaltungen und der ansässigen Vereine oder der jeweiligen technischen Infrastruktur. In den von uns untersuchten Stadien haben wir einen Gesamtenergieverbrauch von durchschnittlich ungefähr 7.500 Megawattstunden ermittelt. Die elektrische Grundlast variiert zwischen 100 und 300 Kilowatt, die Spitzenlast liegt am Spieltag bei bis zu 8.000
Kilowatt.

greenbuilding: Welche Funktionen in einem Stadion verbrauchen die meiste Energie?

Das hängt von der baulichen Struktur eines Stadions, der Nutzung und den klimatischen Bedingungen ab. Unsere Analysen zeigen, dass zum Teil rund 40 Prozent der erforderlichen Energie für die Rasenbeleuchtung und -heizung verwendet werden. Ebenso kann die Belüftung abhängig von der Veranstaltungshäufigkeit oder der Architektur energieaufwändig sein. Ein Stadion ist ein komplexes Gebäude, das entsprechend dem Standort und der angestrebten Nutzung geplant werden sollte. Bei Neubauten wird bereits verstärkt drauf geachtet, bei bestehenden Stadien gibt es jedoch häufig erhebliche Energieeinsparpotenziale. Auf deren Analyse und energetische Optimierung hat sich Imtech spezialisiert. In der Imtech Arena wurden beispielsweise in einer ersten Analyse rund 40 Einzelmaßnahmen ermittelt, von denen wir in Kooperation mit dem HSV die wesentlichen umgesetzt haben. Dadurch werden im Betrieb der Imtech Arena jährlich bis zu 35 Prozent Energie eingespart.

greenbuilding: Wie verläuft ein solcher Optimierungsprozess?

Mit unserem integralen Ansatz „von innen nach außen“ wird eine Gesamtbetrachtung des Stadions durchgeführt. In der Regel startet man mit einer Vor-Ort-Besichtigung der Liegenschaft und einer Auswertung bzw. Analyse von Bestandsunterlagen sowie der Energieverbräuche. Mit unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung können wir beispielsweise mit dynamischen Simulationen die Energieströme darstellen. Ziel ist es, ein Gewerke übergreifendes
Energiekonzept zu erstellen. Die Bewertungskriterien sind individuell mit dem Kunden abzustimmen, denn eine reine ROI-Betrachtung ist oft zu kurzfristig gedacht. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit dem Kunden ein Konzept zu entwickeln, das sich an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens/Vereins orientiert. Dabei ist es notwendig, partnerschaftlich zusammenzuarbeiten.

greenbuilding: Der FC Bayern möchte mit seinem Heimat-Stadion, der Allianz-Arena in München, auch in puncto Energieeffizienz führend werden. Das Stadion soll künftig rund 2.000 Megawattstunden Energie pro Jahr weniger verbrauchen, was einer Energieeinsparung von mehr als 10 Prozent und einer Kosteneinsparung von jährlich 200.000 Euro gleichkommt. Mit welchen Technologien werden diese Ziele erreicht?

Die Maßnahmen reichen von einer schnell zu realisierenden Nachtabsenkung über die Anpassung der Nutzungszeiten bis hin zur Optimierung der Rasenheizung. Zudem setzen wir auf besonders nachhaltige Maßnahmen, um den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoß zu verringern. Derzeit werden z. B. alternative Energiekonzepte zur bisherigen Energieerzeugung untersucht sowie LED-Konzepte zur Fassadenbeleuchtung entwickelt.

greenbuilding: Imtech arbeitet auf Basis eines „Active Building“-Konzepts. Was ist unter diesem Konzept zu verstehen und wie wirkt sich dieses planerisch, baulich und gebäudetechnisch aus?

Das Imtech „Active Building“-Konzept umfasst drei wesentliche Bausteine: Das Energiemanagement, die Gebäudeleittechnik und die eigentliche Gebäudesubstanz mit ihren energietechnischen Anlagen. Die Gebäudeleittechnik wird über Smart Meter mit den vorgelagerten Netzen verbunden und ermöglicht die Kommunikation zwischen Gebäude- und Anlagentechnik sowie den Versorgungsnetzen. Darauf basierend wird die Anlagentechnik gesteuert. Ein wesentlicher Bestandteil von „Active Buildings“ ist zudem die Bausubstanz, das heißt Decken und Wände, die mit ihrer Masse große Speicher für Wärme und Kälte darstellen. Bei großflächigen Gebäuden wie Stadien ist dieser Aspekt sehr interessant. Ein übergeordnetes und integriertes Energiemanagementsystem ist in der Lage, auf ein fluktuierendes Angebot der Netze aktiv zu reagieren. Ein „Imtech Active Building“ kann sowohl Energieerzeuger wie ein Blockheizkraftwerk in Betrieb nehmen, wenn ein Unterangebot an Energie im Netz ist, als auch bei einem Überangebot Energieverbraucher wie Wärmepumpen und Kälteanlagen starten und die Energie bis zu einem späteren Verbrauch speichern.

greenbuilding: Imtech sagt, dass die größten Speicherkapazitäten in der Aktivierung von Gebäuden liegen. Was ist darunter zu verstehen?

Durch aktives Lastmanagement von 50 Prozent des Gebäudebestandes (also nicht nur Stadien) könnten im Jahr mehr als 300 Terrawattstunden Endenergie zwischengespeichert werden. Dies entspricht im Tagesmittel etwa einer Energiemenge von 1 Terrawattstunde – ein Vielfaches mehr, als Pump- und Druckluftspeicher oder Elektrofahrzeuge bereitstellen können.

greenbuilding: Welche Voraussetzungen sind notwendig, um in Europa Stadien als Baustein einer kommunalen Energieversorgung zu realisieren?

Bei Veranstaltungen treten in Stadien und Arenen hohe Lastspitzen auf, die Grundlast hingegen bewegt sich auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Der gesamte Energiebedarf wird zumeist über ein öffentliches Versorgungsnetz bereitgestellt. Konzepte zur reinen Eigenenergieversorgung müssen folglich auf diese speziellen Lastprofile angepasst werden. Wird jedoch der Fokus vom Stadion auf seine Umgebung erweitert, können sich für den Stadionbetreiber neue Möglichkeiten ergeben. Industrie- bzw. Gewerbegebiete benötigen ihre Energie oftmals an Werktagen, folglich antizyklisch zum Stadionbetrieb. Unter der Voraussetzung eines intelligenten Energieverbundes können die Erzeugereinheiten auf ein kumuliertes Lastprofil aus Stadion und Umgebung ausgelegt werden. Bei Veranstaltungen nutzt die Arena die benötigte Energie selbst, in veranstaltungsfreien Zeiten wird überschüssig erzeugte Energie an benachbarte Liegenschaften abgeben. Das Stadion könnte zum dezentralen Energieerzeuger und zu einem wichtigen Baustein in einer intelligenten kommunalen Energieversorgung werden. Diese vereinfacht dargestellten Zusammenhänge unterliegen den politischen-, rechtlichen-, städtebaulichen- und privatwirtschaftlichen Abhängigkeiten, die bei der Umsetzung aufeinander abgestimmt werden müssen.

Ich bedanke mich für das Gespräch!

Das Gespräch führte Elke Kuehnle, Journalistin in München, im Auftrag von greenbuilding

Rubrik: Interview

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