Editorial: Effizienzstrategie

green BUILDING 09/2014

Liebe Leserinnen und Leser,

versetzen wir uns einmal in die Lage eines privaten Bauherrn. Der hat, wenn er – vermutlich ein bis zwei Mal in seinem Leben, selten öfter – ein Haus baut, alles Mögliche im Kopf. Aber kaum die Frage, ob er sein Gebäude zertifizieren lassen sollte. Zahlreiche Vorschriften muss er beachten, vom Baurecht über die EnEV bis hin zu den Regelungen für Zuschüsse aus diversen Förderprogrammen ist alles dabei. Die Frage, ob eine Plakette in Silber, Gold oder Platin sinnvoll wäre, stellt sich dabei zunächst wohl eher nicht. Die Frage wird jedoch verstärkt bei professionellen Bauherren relevant, also bei Unternehmen, die Immobilien für den Eigenbedarf oder zur Vermarktung planen und bauen lassen. Das wundert nicht, denn dort sind Gebäudezertifikate ein wichtiger Faktor bei Vermietung und Verkauf. Was viel mit dem Selbstverständnis der Eigentümer und Mieter zu tun hat: Sie handeln aus Überzeugung und möchten mit der Nutzung von intelligent geplanten effizienten – und zertifizierten– Gebäuden verantwortungsbewusst agieren und dies auch dokumentieren. Die steigende Nachfrage nach Zertifizierungen hat aber auch damit zu tun, dass ein zunehmend international agierender Markt – und das ist der Immobilienmarkt– angewiesen ist auf eine Vergleichbarkeit eigentlich nicht vergleichbarer Einzelobjekte. Die großen Zertifizierungsorganisationen tun daher gut daran, sich und ihre Arbeit zu internationalisieren.

Und der „kleine“ Bauherr? Der ist angewiesen auf Zertifizierungen, die auch für sein Vorhaben geeignet sind und die zum Beispiel regionale Aspekte berücksichtigt. Er braucht neutrale Informationen zu den verschiedenen Methoden, um sich entscheiden zu können, ob eine Zertifizierung für ihn relevant ist. In der Regel erhält er diese Informationen von Architekten, Ingenieuren oder Energieberatern – und interessant ist auch die Überlegung, die derzeit in der Schweiz im Gange ist (siehe Interview in dieser Ausgabe), dieses umfassende Informationsangebot und -bedürfnis mit Hilfe einer Clearingstelle abzudecken.

Das effizienz-strategische Vorgehen, das mit einer Zertifizierung verbunden ist, ist weitaus wichtiger als das eigentliche Dokument oder die Plakette, die am Ende eines solchen Prozesses erteilt werden kann. Ob es so weit kommt, hängt ein wenig auch vom Geschick der Zertifizierer ab, die in einem gesunden– weil für die Branche förderlichen – Wettbewerb stehen. Zertifizierungssysteme sind Leitplanken und Wegweiser für eine nachhaltige Baustoffproduktion, für eine verantwortungsbewusste Planung, für eine qualitätsvolle Ausführung und für einen nachhaltigen Betrieb von Gebäuden. Deshalb sind sie unverzichtbar.

Harald Link
redaktion(at)greenbuilding-magazin.de

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