Nutzung von "Grauer Energie" statt Abriss und Neubau

Nachhaltige Sanierung und Erweiterung eines Kölner Wohnheims

bauplaner 06/2022
Gebäudetechnik
Hochbau
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Im Kölner Stadtteil Ehrenfeld wurde ein Wohnheim für junge Erwachsene barrierefrei zugänglich gemacht, erweitert und energetisch saniert. Dank der vollständigen Erneuerung der Haustechnik kommen nun auch Sonnenenergie und Regenwasser im Haus zum Einsatz.

Ehrenfeld im Westen Kölns ist sehr beliebt, besonders bei jungen Leuten. Seit 1950 bietet das Kolpinghaus vor allem Auszubildenden eine zentral gelegene, günstige Wohnmöglichkeit. Um das traditionsreiche Haus in der Fröbelstraße auf einen zeitgemäßen Standard zu bringen und das Platzangebot zu optimieren, beauftragte der Bauherr „Kolping Jugendwohnen“ das Kölner Planungsbüro Pannhausen + Lindener Architekten mit der Generalplanung und Objektbetreuung für eine energetische Modernisierung. Der Umbau des gesamten Gebäudes wurde vom Architekturbüro aus einer Hand geplant und realisiert – von den Außenanlagen bis zur Innenarchitektur. Dabei modernisierten die Planer:innen neben den Freizeit- und Gemeinschaftsflächen, Büros sowie dem Eingangsbereich und Treppenhäusern alle Zimmer inklusive der Bäder neu. Die Innenarchitektur ist geprägt durch ein harmonisches Miteinander von neuen Elementen und wertvollem Bestand. So hat man in den Treppenhäusern die ursprünglichen Werksteinbeläge und Handläufe bewusst erhalten. Um eine natürliche Belichtung des Haupttreppenhauses zu ermöglichen, wurde es vom Erdgeschoss bis zum 4. OG zur Hofseite hin verglast.

Durch die Sanierung konnte das Platzangebot des Wohnheims erheblich erweitert werden: Statt der bisher 50 Personen können nun 73 Bewohner:innen im Haus wohnen. Die von den Planer:innen neu eingerichteten Einzel- und Doppelzimmer verfügen alle über eigene Bäder. Auf jeder Etage ist eine Wohnküche untergebracht. Dank der Umbaumaßnahmen haben auch Menschen mit Handicap weitestgehend barrierefreien Zugang zum Gebäude: Neben dem zentralen Treppenhaus dient ein an den Baukörper gestellter Außenaufzug sowie eine Rampe zum Hochparterre der Erschließung. Im ersten Obergeschoss wurden zwei Einzelzimmer, die dazugehörigen Bäder und die Gemeinschaftsküche rollstuhlgerecht gem. DIN 18040 hergestellt.

Mehr Platz für Auszubildende und ein zeitgemäßer energetischer Standard
Als „Wohnheim für Gesellen“ entstand der Massivbau aus Erdgeschoss und drei Obergeschossen in den 1950er Jahren, das vierte Obergeschoss wurde 1966 ergänzt. Der rechteckige Baukörper (ca. 35 m x 13 m) umfasst insgesamt 2.400 m2 Bruttogeschossfläche. Um die Gebäudehülle inklusive der Fenster und des flachgeneigten Walmdachs auf den erforderlichen energetischen Standard zu bringen, wurden alle Bauteile gedämmt bzw. ausgetauscht. Das neue Dach ist für die erhöhten Lasten aus Dämmung, Solarthermie- und Photovoltaik-Paneele ausgelegt. Im Rahmen der Fassadensanierung erhielt der gesamte Baukörper eine neue Akzentuierung: Die Fensterbänder der ersten drei Obergeschosse wurden mit umlaufenden strahlend weißen Rahmen versehen, die Putzflächen zwischen den Zimmerfenstern leuchten im Kolping-typischen Orange. Die übrigen hellgrau gehaltenen Fassadenflächen und die Rahmen der anthrazitfarbenen Fenster und Türen geben dem Gebäude eine freundliche Ausstrahlung. Im Sockelbereich sind an allen vier Fassadenseiten Rankhilfen für eine umlaufende Fassadenbegrünung installiert. Hinter dem Gebäude wurde die dort bisher vorhandene eingeschossige Bebauung abgebrochen, die Baugrube aufgeschüttet. Der Hofbereich konnte so von der Straße sowie vom Erdgeschoss des Hauses aus zugänglich gemacht und neugestaltet werden. Dort ist nun Platz für Sitzbänke unter Bäumen und für Fahrradständer und Müllcontainer.

Welche Vorteile hat die Sanierung und Optimierung des Gebäudebestands im Vergleich zu Abriss und Neubau?
Um dies zu untersuchen, erstellte das Architekturbüro eine Ökobilanzierung mit dem Bilanzierungs-Tool eLCA. Dabei wurden die CO2-Emissionen von Neubau und Sanierung (bezogen auf den Rohbau) gegenübergestellt. Ergebnis: Für einen Neubau wären 5,93 kg/m2 NGF*a angefallen (= 100 %). Durch die Sanierung des Bestandsgebäudes fallen hingegen nur 2,20 kg/m2 NGF*a (= 45 % der CO2-Emissionen eines vergleichbaren Neubaus) an. Durch den Erhalt der „Grauen Energie“ des 50er-Jahre-Baus konnten also 55 % der CO2-Emissionen eingespart werden. Das Sanierungskonzept der Architekt:innen umfasste auch den vollständigen Austausch der Haustechnik. Die Gewerke Heizung, Sanitär und Elektro wurden bewusst nachhaltig erneuert. Die Planung hierfür erfolgte von Anfang an in enger Abstimmung mit den Fachplanungsbüros für die Technische Gebäudeausstattung (TGA) und Bauphysik. Solarthermie-Paneele auf der Süd-Ost-Seite des Daches unterstützen über einen Pufferspeicher die Heizung und die Warmwasserbereitung. Die auf der Süd-West-Dachseite installierte Photovoltaikanlage erzeugt Strom, der zu 75 Prozent im Haus verwertet wird. Um Regenwasser zu sammeln, wurden im Hof Zisternen eingebaut. Das so gewonnene Grauwasser wird für die Toilettenspülung verwendet. Für Heizung und Warmwasserversorgung kommen keine fossilen Energieträger wie Gas, Kohle oder Erdöl mehr zum Einsatz, stattdessen versorgen zwei Pelletkessel im Untergeschoss das Gebäude mit Wärme, die über klassische Heizkörper in den Räumen verteilt wird.

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