Baustellenaushub – Ressource für tragendes Lehmsteinmauerwerk

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Vom Abfall zum Baustoff mit 15 t Druck

Die Organisation "Bauhaus Erde" verfolgt mit seinem Think-and-Make-Tank das Anliegen, energieintensive Baustoffe durch regenerative Baumaterialien abzulösen und für das Bauen der Zukunft die lokale Wertschöpfung zu stärken. Als Innovation hat die Initiative einen ungebrannten Lehmstein für tragendes Lehmsteinmauerwerk aus Baustellenaushub entwickelt.

Suche nach Ressourcenquellen

Aufgrund einer Erweiterung des Baurechts (DIN-18940) ist seit Juni 2023 das Bauen mit tragendem Lehmsteinmauerwerk wieder möglich. Um lokale Lieferketten für Lehmsteine zu etablieren, hat die regionale Initiative in Berlin-Brandenburg untersucht, ob Böden, die bereits durch Bauvorhaben oder Tagebau in Bewegung gesetzt wurden, zur Herstellung von leistungsfähigen Lehmbaustoffen geeignet sind. Auch Böden aus Bodenwaschanlagen und Lehmabfälle aus dem Rückbau historischer Fachwerkhäuser wurden analysiert.

Rezepturentwicklung

Aus geeigneten Proben wurden Lehmsteine hergestellt und nach den Vorgaben der gültigen DIN auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft. Die Herstellung der Steine erfolgte in einer manuellen Presse, die die Steine mit einem Druck von 15 t in einer Form verdichtet. Obwohl Steine aus verschiedenen Ressourcenquellen und mit unterschiedlichen Rezepturen die technischen Anforderungen erfüllten, überzeugte ein Stein hinsichtlich der Umweltverträglichkeit am meisten, dessen Ausgangsmaterial aus einer Berliner Baugrube stammte.

Aus einer Tonne Aushub können im Bauhaus Erde LAB rund 105 Steine hergestellt werden. Lehmsteine die während der Produktion
nicht dem Qualitätsanspruch entsprechen können als Ausgangsmaterial für eine weitere Produktion verwendet werden.

Pürfungsprozesse

Die hergestellten Lehmsteine wurden vom Berliner Ingenieurbüro ZRS Ingenieure und der Bundesanstalt für Materialforschung auf ihre Leistungsfähigkeit überprüft. Die Ergebnisse zeigen, dass die Steine auch in mehrgeschossigen Gebäuden
(bis Gebäudeklasse 4) als tragendes Mauerwerk angewendet werden können.

In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin wurde ein erster hauseigener Produktionszyklus durchlaufen.

Das Forschungsteam von Bauhaus Erde erhält für die von ihm entwickelten Lehmsteine eine Baustoffzulassung, sodass sie als lizensiertes Bauprodukt in tragenden Bauteilen eingesetzt werden können.

Erstmalige Anwendung in Potsdam

Erstmalig zur Anwendung kommen die insgesamt 3.000 Steine demnächst in einem Demonstrationspavillon von Bauhaus Erde (Projekt ProtoPotsdam) in der Potsdamer Innenstadt. Damit beträgt die Wertschöpfungskette der Lehmsteine zwischen der Baugrube in Berlin-Marzahn, Zwischenlagerung in Altlandsberg, Verarbeitung in Mariendorf und dem Verbau in Potsdam lediglich 72 Kilometer.

Wie geht es weiter?

Im nächsten Schritt strebt das Forschungsteam die Zulassung eines geeigneten Lehmmauermörtels aus Baustellenaushub an und arbeitet an der Entwicklung konkreter Bauteilen, die die Steine mit weiteren regenerativen Baustoffen zu vollständigen Wand- und Deckenaufbauten kombinieren.
Übergeordnet bestrebt Bauhaus Erde die systemische Integration der Forschung an Lehmsteinen in die regionale Boden- und Mauerwerksindustrie. Hierzu werden in den nächsten Monaten die Möglichkeiten des Aufbaus einer größeren Produktionsstätte untersucht, um Lehmsteine als regeneratives Baumaterial in größerem Umfang zu produzieren.

Prof. Dr. Christof Ziegert, Vorsitzender des Normenausschusses und verantwortlich für die Erstprüfung der Lehmsteine von Bauhaus Erde:

"Der Großteil des Wohnungsbaus in Deutschland findet innerhalb der Gebäudeklassen 1 bis 4 statt. Nach dem aktuellen Normentwurf für Lehmsteinmauerwerk kann nun auch mit gängigem Bauantrag Lehmsteinmauerwerk bis Gebäudeklasse 4 gebaut werden. Dadurch lässt sich ein Großteil des konventionellen Mauerwerks – mit hohem Energieanspruch bei der Herstellung – im Wohnungsbau ersetzen. Gleichzeitig tauchen zunehmend Herstellende auf dem Markt auf, die Lehmsteine produzieren, wodurch mit einem Kostenangleich der Lehmsteine an Kalksandsteine zu rechnen ist. Die Massivlehmbauweise in Form von Lehmstein Mauerwerk hat großes Potential, die Bauwende maßgeblich voranzutreiben."

Weitere Informationen

Mehr zum Projekt unter bauhauserde.org/resources