CO2-neutraler Beton: Schweizer Forscher setzen auf Pflanzenkohle

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Das Potenzial von CO2-neutralem oder gar CO2-negativem Beton loten in der Schweiz Forschende des „Concrete & Asphalt Labs“ der Empa mit dem Einbringen von Pflanzenkohle in Beton aus. Für die Praxistauglichkeit verarbeiten sie die Kohle vorab zu Pellets und ersetzen damit handelsübliche Gesteinskörnungen.

Damit die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden kann, sind Methoden und Abläufe notwendig, die mehr CO2 binden als freisetzen. Diese sogenannten Negativemissionstechnologien (NET) sollen den voraussichtlich verbleibenden Emissionen im Jahr 2050 entgegenwirken und sicherstellen, dass die Emissionsbilanz am Ende  „Netto Null“ ergibt. Vor allem der Baubereich ist als einer der größten Emittenten gefordert. Etwa acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen entstehen durch die Zement-Produktion.

Gleichzeitig gibt es erste Bestrebungen, den Bausektor mit seinem massiven Ressourcenverbrauch als mögliche Kohlenstoffsenke zu nutzen. Eine Möglichkeit, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, ist, den Kohlenstoff als Rohstoff für Baustoffe zu nutzen und auf diese Weise langfristig aus der Luft zu binden. Um solche Ideen eines Tages Wirklichkeit werden zu lassen, sind umfangreiche wissenschaftliche Grundlagen notwendig – wie sie zurzeit im  „Concrete & Asphalt Lab“ der Empa erarbeitet werden. Eine Gruppe von Forschenden unter der Leitung von Abteilungsleiter Pietro Lura entwickelt eine Methode, wie Pflanzenkohle sicher in Beton eingebaut werden kann.

Pflanzenkohle ist das Ergebnis eines pyrolytischen Verkohlungsprozesses, der ohne Luft stattfindet und hauptsächlich aus purem Kohlenstoff besteht – demselben Kohlenstoff, den die Pflanzen als CO2 aus der Luft aufgenommen haben, als sie gewachsen sind. Wenn man Pflanzen verbrennt, gelangt das CO2 wieder in die Atmosphäre, aber in der Pflanzenkohle bleibt es dauerhaft gebunden. Heutzutage gibt es schon einige Betonprodukte, die Pflanzenkohle enthalten.  

Allerdings wird die Kohle oft unverändert in den Beton gemischt, was zu verschiedenen Problemen führen kann.  „Die Pflanzenkohle ist sehr porös und absorbiert deshalb nicht nur viel Wasser, sondern auch teure Zusatzmittel, die bei der Betonherstellung verwendet werden“, erklärt der Empa-Forscher Mateusz Wyrzykowski.  „Außerdem ist die Handhabung schwierig und auch nicht ganz ungefährlich. Der Kohlenstaub ist problematisch für die Atemwege und birgt eine gewisse Explosionsgefahr.“

Verarbeitung als Pellets
Aus diesen Gründen schlagen die Forschenden in ihrem eben erschienenen Paper im  „Journal of Cleaner Production“ die Verarbeitung der Pflanzenkohle in Pellets vor. „Solche leichten Gesteinskörnungen gibt es heute bereits aus anderen Materialien wie Blähton oder Flugasche. Das Know-how im Umgang mit diesen Stoffen ist in der Branche vorhanden und damit steigen Auch die Chancen, dass das Konzept in die Praxis übergeht“, sagt Wyrzykowski.

Das Team verwendete einen Rotationsmischer, um Pflanzenkohle, Wasser und Zement zu einer Masse zu vermischen, aus der sich durch das Drehen kleine Kugeln mit einem Durchmesser von 4 bis 32 Millimetern bildeten. Diese Kugeln setzten sie ein, um Normalbeton der Festigkeitsklassen C20/25 bis C30/37 herzustellen – dies sind die am häufigsten verwendeten Klassen im Hoch- und Tiefbau. 

„Bei einem Anteil von 20 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton erreichen wir Netto-Null-Emissionen“, sagt Mateusz Wyrzykowski. Das heißt, die gespeicherte Menge Kohlenstoff kompensiert alle Emissionen, die bei der Produktion der Pellets wie auch des Betons anfallen. Während man wohl auch beim Normalbeton (Dichte zwischen 2000 bis 2600 kg/m3) mit 20 Volumenprozent die Grenze noch nicht erreicht hat, wird das negative Emissionspotenzial bei Leichtbeton (Dichte ca. 1800 kg/m3) besonders sichtbar: Ein Anteil von 45 Volumenprozent Kohlenstoffpellets im Beton führen zu insgesamt negativen Emissionen von minus 290 kg CO2/m3. Zum Vergleich: Ein herkömmlicher Beton schlägt mit plus 200 kg CO2/m3 zu Buche.

Kohlenstoff aus der Atmosphäre
Für Abteilungsleiter Pietro Lura ist die Forschung in seinem Labor ein entscheidender Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Als wichtigste Kohlenstoffquelle sieht er nicht in erster Linie die Pflanzenkohle, die bei der aktuellen Forschung als Modellmaterial gedient hat. Vielmehr lenkt er den Blick auf das breit angelegte Konzept  „Mining the Atmosphere“, das mehrere Forschungsabteilungen an der Empa verfolgen: die Produktion von synthetischem Methangas mithilfe von Sonnenenergie, Wasser und CO2 aus der Atmosphäre in sonnenreichen Regionen der Erde und die anschliessende Pyrolyse des Gases.  „Dadurch erhält man Wasserstoff, den man als Energieträger in der Industrie oder der Mobilität nutzen kann und festen Kohlenstoff, den wir – wie die Pflanzenkohle – zu Pellets verarbeiten und in den Beton einbringen können“, erklärt Lura.

www.empa.ch