Mit Photovoltaik und Recycling-Baumaterial zur nachhaltigen Büroimmobilie

Schwaiger Group

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Energie
Aus der Praxis
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Trotz gestiegenem Bewusstsein für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit setzen Investoren bei ihren Objekten meist noch auf Abriss und Neubau. Dass es auch anders geht, zeigen die Projekte der in München ansässigen Schwaiger Group, die sich auf die nachhaltige Revitalisierung von Objekten spezialisiert hat.

 

Revitalisierung: Green Building statt Green Washing

Der Büro­ und Gewerbekomplex Centro Tesoro – vormals eine Sektkellerei – zeigt auf, welche Potenziale im Gebäudebestand schlummern und dass sich bei sorgsamem Umgang mit der grauen Energie dennoch eine Rendite erzielen lässt.

Die Revitalisierung unserer Bausubstanz ist allein schon deshalb sinnvoll, weil nicht nur das Resultat nachhaltig ist, sondern auch der Weg dorthin. Ähnlich wie beim E-Auto muss am Ende die Ökobilanz stimmen. Bei der Revitalisierung von Immobilien beträgt der Bedarf von mineralischen Baustoffen im Durchschnitt nur 40 % dessen, was bei einer Entscheidung für einen Abriss einschließlich Neubau derselben Immobilie fällig geworden wäre.

Green Building statt Green Washing muss deshalb die Devise lauten. Damit Nachhaltigkeitszertifikate wie LEED, breeam, DGNB oder ÖGNI den geprüften Gebäuden nicht nur einen grünen Anstrich verleihen, kommt es bei der Zertifizierung auf die Details an, um zu beurteilen, ob das entsprechende Objekt einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leistet und auch hinsichtlich der Energieeffizienz überzeugt. Dennoch haben Zertifikate ihre Berechtigung, denn die sie ermöglichen eine erste Einschätzung, inwieweit ein Green Building am Markt seinem Namen gerecht wird. Anders als beim Neubau stellen die Anforderungen bei Bestandsimmobilien Projektentwickler vor größere Herausforderungen. Insofern verwundert es nicht wirklich, dass das Centro Tesoro der Schwaiger Group die bundesweit erste Bestandsimmobilie ist, die im Zuge der Revitalisierung mit LEED Platin zertifiziert wurde. Das war nicht zuletzt aus wirtschaftlicher Sicht kein einfaches Unterfangen.
 

Centro Tesoro: „Nachhaltigste Immobilie 2019“

Seinen Anfang nahm das Projekt 2016, als die Schwaiger Group den Gebäudekomplex der ehemaligen Nymphenburger Sektkellerei im Münchner Osten erworben hat. Die beiden auf dem Gelände verteilten Gebäude aus den 1980er und 1990er Jahren waren sichtlich in die Jahre gekommen. Trotzdem sah das Konzept vor, die Substanz zu erhalten und sie in einen modernen und ineinander übergehenden Bürokomplex zu überführen, der auf knapp 24 000 m2 Fläche ökonomisch und ökologisch neue Standards setzt.

Die Entscheidung für eine Revitalisierung der Immobilie hat sich gerechnet: Gegenüber einem Neubau lagen die Kosten bei der Sanierung um fast zwei Drittel tiefer – bei weniger als 400 Euro / m2.
Ein wesentlicher Grund für die Einsparungen liegt auch in dem Umstand begründet, dass die Schwaiger Group keinen GU beauftragt, sondern jede Leistung selbst vergibt und anschließend abnimmt. Statt mit Dienstleistern zu arbeiten, versucht das Unternehmen stets den Einkauf, aber auch die Verarbeitung bzw. den Einbau direkt über den Hersteller zu bekommen.
 

Größte innerstädtische Aufdach-PV-Anlage

Der Clou und wichtige Säule der energetischen Sanierung war die größte innerstädtische Aufdach-Photovoltaikanlage Münchens, die die Schwaiger Group in Kooperation mit den Stadtwerken München (SWM) auf einer Fläche von 10 000 Quadratmetern auf dem Dach des Centro Tesoro installiert hat. Insgesamt 1.354 PV-Module mit je 320 Watt produzieren mit einer Gesamtleistung von 428 kWp den grünen und kostengünstigen Direktstrom für die Mieter. Was sich als absolutes Plus für die Vermarktung der Büroflächen herausstellte, denn das Mieterstromkonzept sprach ausgewählte Unternehmen an, die grün erzeugten Strom in ihrem Pflichtenheft haben. Der weltweit größte E-Scooter-Anbieter LIME etwa hat vor allem deshalb einen großen Teil der Hallenfläche langfristig gemietet, weil er für eine Anmietung Ökostrom vorausgesetzt hatte.

Günstiger Strombezug dank Mieterstrommodell

Mieterstrommodelle bieten Immobilienunternehmen grundsätzlich die Möglichkeit, in die Erzeugung und den Vertrieb von dezentralem Ökostrom einzusteigen. Welche Rolle die Eigentümer solcher Objekte einnehmen, hängt davon ab, welchen Grad an Autonomie sich Immobilienwirte wünschen. Entweder man möchte die Dachfläche verpachten oder man übernimmt die Betreiberrolle.

Die Übergabe der Betreibereigenschaft und aller sonstigen energiewirtschaftlichen Verpflichtungen an Dritte kommt für alle Immobilienwirte in Frage, die sich insgesamt nicht mit den Anforderungen des Energiemarktes beschäftigen oder größere Investition vermeiden wollen. Weil die Schwaiger Group bereits als Projektentwickler, Bauunternehmer und Verwalter eigene Objekte betreut, hat sie sich dafür entschieden, die Dachfläche des Centro Tesoro an die Stadtwerke München (SWM) zu verpachten. Die SWM übernehmen damit die Rolle des Erzeugers sowie des Lieferanten und bieten den Strom allen Unternehmen im Centro Tesoro zu günstigeren Konditionen an. Erzeuger und Verbraucher gehen dabei eine direkte Vertragsbeziehung ein, was beim sonst üblichen Stromhandel über die Börse nicht oder nur indirekt der Fall ist.

Die Mehrheit der Verbraucher kann bei einem Mieterstrommodell zudem persönlich an der Energiewende teilnehmen und so ebenfalls kostengünstigen Solarstrom erhalten – beim Centro Tesoro ist dieser rund 10 % günstiger als zugekaufter Strom aus dem Netz. Überschüssige Energie aus der Anlage fließt ins Stromnetz ein. Wird mehr Strom benötigt als die Anlage erzeugt, wird der Bedarf aus dem Netz gespeist. Trotzdem profitieren die Mieter im Centro Tesoro von konkurrenzlos günstigen Nebenkosten in Höhe von 1,38 Euro / m2.
 

Die drei Säulen der Energiewende: Gebäudehülle, Anlagentechnik und Erzeugung

Weil die Energiewende bei Immobilien nur gelingen kann, wenn die drei Säulen Energieerzeugung, Gebäudehülle und Gebäudetechnik berücksichtigt werden, wurden beim Centro Tesoro im Zuge der Revitalisierung auch Hülle gedämmt und die TGA erneuert. Der Dämmstamdard des Gebäudes liegt nun 40 % über den gesetzlichen Vorgaben, und eine neue, hoch effiziente Heizanlage mit Gas-Brennwert-Technik verbessert die Anlageneffizienz. Last but not least regelt eine smarte Gebäudeleittechnik die TGA-Einrichtungen wie Heizung, Hebeanlage und Aufzüge.

Der intelligenten Steuerung kommt hinsichtlich des Einsparpotenzials bei den Stromkosten (bis zu 50 % sind möglich!) eine besondere Bedeutung zu, wenn sich damit Anlagen vorübergehend abschalten lassen, die gerade nicht benötigt werden. Für eine effiziente Stromnutzung müssen allerdings auch Gebäudenutzer, Erzeugungsanlagen und Speicher eines Betriebsgebäudes in das Energiemanagement einbezogen werden. Das bedeutet, dass nicht nur Maschinen und Anlagen, sondern auch Klimatechnik, Beleuchtung und Heizung berücksichtigt und mit der PV-Anlage gekoppelt werden müssen.
 

Klimaschutz erfordert Sekundärbaustoffe

Um den Verbrauch von Primärrohstoffen so gering wie möglich zu halten, setzte die Schwaiger Group beim Centro Tesoro verstärkt auf recyceltes Material. Etwa beim Bodenbelag für den Innenausbau oder bei der Mineralwolle für die Dämmung. Die Aufstockung um zwei Etagen und die Verstärkung der vorhandenen Bausubstanz erfolgte mit Recycling-Beton.

Zwar sind die Hürden noch erheblich, um Projekte konsequent mit Sekundärbaustoffen umzusetzen. Das Ziel muss aber sein, sich konsequent daran auszurichten, Rohstoffe nicht zu verschwenden, sondern sich auf Lösungen zu konzentrieren, die die Wiederverwendung von Altbaustoffen als hochwertige Werkstoffe ermöglichen.

Ein geschlossener Materialkreislauf funktioniert nicht, wenn mineralische Baumaterialien im Sinne eines Downcycling ihre Zweitverwertung im Tiefbau finden und somit fix aus dem Kreislauf herausfallen. Hier ist es dringend nötig, veraltete Regularien und Normen zu aktualisieren. Die Herstellung von rezyklierten Beton (R-Beton) beruht immer noch auf dem Stand der Technik der 90er Jahre. Zur Herstellung von R-Beton darf aktuell keine feine rezyklierte Gesteinskörnung verwendet werden, und eine grobe rezyklierte Gesteinskörnung ist nur beschränkt erlaubt. Diese Vorschriften vernachlässigen die technische Entwicklung der vergangenen 30 Jahre und berücksichtigen etwa nicht neue Betonzusatzmittel oder Fortschritte bei der Aufbereitungstechnik. Hier muss dringend nachgebessert werden.

Damit sich ein Bewusstsein für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft durchsetzen kann, steht vor allem auch die öffentliche Hand in der Pflicht, in ihren Ausschreibungen zwingend auf Recyclingstoffe zu verweisen. Ein Punkt, der für das Erreichen der Klimaschutzziele ausschlaggebend ist, aber kaum Eingang in die Baupraxis findet, obwohl das Kreislaufwirtschaftsgesetz dies verlangt. Dazu gehört auch, sich kritisch dem Problem der Nachverfolgung des Recycling-Prozesses zu widmen – niemand darf befürchten müssen, minderwertige Ware „untergejubelt“ zu bekommen.
 

Auseinandersetzung mit der TGA: Der Aufwand lohnt sich

Auch beim 30 000 m2 umfassenden Bürokomplex Hatrium in Unterhaching hat sich die Schwaiger Group dazu entschieden, auf erneuerbare Energieträger umzustellen. Neben einer großflächigen Aufdach-PV-Anlage wurde die gesamte TGA im Gebäude für die Geothermienutzung über Fernwärme umgestellt. Eine Aufgabe, die bei Bestandsimmobilien normalerweise keiner freiwillig in Angriff nimmt.
Ist die TGA älter als 16 Jahre, ist sie nicht mehr wirtschaftlich. Weder mit Blick auf die Energieeffizienz noch in Bezug auf die Zuverlässigkeit. Daher ist es unabdinglich, dass man sich bei einer Revitalisierung mit dem Altbestand differenziert auseinandersetzt. Die Analyse des Bestandes stellt die wirklich aufwändige und anspruchsvolle Herausforderung dar.

Die Maßgabe bei der Beurteilung der einzelnen Komponenten des Hatrium war ein größerer Wirkungsgrad sowie eine bessere Ökologie und Energiebilanz. Der Wärmeaustausch findet deshalb nicht etwa über einen Kessel, sondern über Wärmetauscher statt. Und nicht über wartungsintensive Plattenwärmetauscher, sondern mittels Rohrbündelwärmetauscher. Bei der Regeltechnik verlässt sich der Projektentwickler auf die Samson AG. Die Regelung funktioniert cloudbasiert, so dass sich von jedem Handy alle Parameter über eine manuelle Regelung abrufen lassen. Einen wichtigen Beitrag für die energieeffiziente Umstellung der TGA haben Hocheffizienzpumpen geleistet, die vollautomatisch den hydrostatischen Druck im Rohrleitungssystem messen. Je nach Anforderung regeln sich die Pumpen aufgrund des hydrostatischen Drucks von selbst und laufen nicht durchgehend auf voller Leistung. Außerdem wurden die Ventile ersetzt, um eine noch bessere Kommunikation mit den Pumpen zu gewährleisten. Die Ansteuerung funktioniert dabei nicht wie gewöhnlich über manuelle Thermostatköpfe, sondern über Thermoantriebe.

Ein Blick auf die Zahlen rechtfertigt letztendlich den doch erheblichen Mehraufwand: Der Primärenergiefaktor der geothermischen Fernwärme in Unterhaching ist mit aktuell 0,24 vergleichsweise niedrig und liegt damit deutlich günstiger als der Faktor für Erdgas (1,0). Heizöl liegt sogar noch höher. Durch die Umstellung auf Geothermie via Fernwärme spart die Schwaiger Group beim Hatrium 43 % der Energie. Auch die kleinteilige Auseinandersetzung mit der TGA macht sich finanziell bemerkbar: Allein die neuen Hocheffizienzpumpen bringen eine zusätzliche Ersparnis von rund 20 000 Euro Stromkosten im Jahr


Autor: Tristan Thaller