Was es bei der Planung und Vergabe von öffentlichem Holzbau zu beachten gilt

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Interview mit FNR-Geschäftsführer Andreas Schütte

Wenn Bund, Länder und Kommunen den gesetzlich geforderten klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 erreichen wollen, besteht akuter Handlungsbedarf. Ein Wandel hin zu einer klimapositiven Baukultur wird vielerorts greifbar – es entstehen Schulen, Kitas und mitunter ganze Wohnquartiere aus Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen. Welche Besonderheiten öffentliche Bauherren bei der Planung und Vergabe von Holzbauprojekten berücksichtigen sollten, erläutert FNR-Geschäftsführer Andreas Schütte.

Herr Dr. Schütte, Bauen mit Holz ermöglicht Kommunen bedarfsgerechte, klimabewusste und zukunftsorientierte Lösungen. Wo steht Deutschland beim Holzbau heute?

In den letzten 20 Jahren ist viel passiert. Der Baustoff Holz hat schon lange sein nostalgisches Image abgelegt. Wir sprechen heute von einer hoch technologisierten und digitalisierten Bauweise, welche verschiedenste Konstruktionen und Größenordnungen ermöglicht. Intelligente Holzmischbauweisen bieten nachhaltige Lösungen, z. B. für Schulen, Verwaltungsgebäude, Kindergärten, Feuerwehren, Kultureinrichtungen oder Krankenhäuser. In Norwegen wurde 2019 der „Mjøstårnet“, ein 18-stöckiges Gebäude aus Holz, fertiggestellt. Die größte zusammenhängende Holzbausiedlung Deutschlands im Prinz-Eugen-Quartier in München umfasst 566 Wohnungen. Deutsche Softwareentwickler und Holzbau-Maschinenbauer sind Weltmarktführer.

Diese Innovationen dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Holzbau in der Breite noch lange kein Standard ist. Zwar hat sich der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser in Holzbauweise von gerade einmal sechs Prozent zu Beginn der 1990er-Jahre auf mittlerweile 23% mehr als verdreifacht, doch im städtischen Wohnungsbau ist Holzbau mit 4% noch völlig unterrepräsentiert. Um hier eine Wende herbeizuführen, kommt es besonders auf die Kommunen und Landkreise an. Mit ca. 40.000 Schulen, 50.000 Kindergärten, 176.000 Verwaltungsgebäuden und tausenden Wohnungen gehören sie zu den größten öffentlichen Gebäudebesitzern. Darüber hinaus sind Kommunen auch Waldbesitzer, sie haben den Baustoff also mitunter direkt vor der Tür. 20% des deutschen Waldes sind Kommunalwald.

Bei aller Einsicht in die Sachzwänge und die offensichtlichen Vorteile von Holz – es herrscht auch eine große Verunsicherung auf Seiten der öffentlichen Bauherren. Die Fragen gehen in die Richtung des Vergaberechts, des Baurechts und der Bautechnik. Leider sind die Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren noch immer komplex und in jedem Bundesland verschieden. Das macht eine solide Planung für Holzbauprojekte umso wichtiger.

Welche Einflussmöglichkeiten haben Kommunen und öffentliche Bauherren auf das Bauen mit Holz?

Zunächst geht es um eine politische Grundsatzentscheidung. Gemeinderäte, Bürgermeister, Landräte und Kreisräte sollten den Wunsch des nachhaltigen Bauens – am besten eingebettet in eine zentrale Nachhaltigkeitsstrategie – ganz eindeutig formulieren, verfolgen und umsetzen. Das schafft Klarheit und Sicherheit für die nachgelagerte Verwaltung und alle anderen Beteiligten. Nachhaltigkeitsziele können im Rahmen der Planungshoheit als Grundlagen für den Städtebau einer Kommune formuliert werden.

Aber unabhängig von übergeordneten politischen Leitlinien: Bei jedem einzelnen Bauprojekt sollte zu Beginn eine Grundsatzentscheidung – pro Holz sowie zu anderen Nachhaltigkeitsanforderungen des Gebäudes – getroffen werden. Gibt es bereits entsprechende Bauleitlinien oder kommunale Verordnungen, werden diese Entscheidungen erleichtert. Wenn nicht, wird im Einzelfall entschieden. Wie bei jeder konventionellen Baumaßnahme ist es dringend zu empfehlen, die eigene interne Strategie bezüglich der Bauqualitäten zu erörtern, zu planen, und gleich zu Beginn den erforderlichen politischen Gremien zur Entscheidung vorzulegen. Bei der Vergabe gilt für Bauherren das Leistungsbestimmungsrecht. Dies ermöglicht es, einen Holzbau explizit vorzugeben oder unter Nachhaltigkeitsaspekten sogar Angaben zur gewünschten Holzart zu machen. Auch die Nutzung von eigenem Holz aus dem Kommunalwald ist ohne weiteres zulässig.

Ob nun auf städtebaulicher Ebene oder auf Ebene eines einzelnen Bauprojekts, das Motto lautet also: Solange ich nicht weiß was ich will, wird es schwierig hierfür Planungs- und Bauangebote zu erhalten, die den gewünschten Erfolg sicherstellen. Jede spätere Änderung in der Planungs- oder Bauphase führt zwangsläufig zu Mehrkosten und Verzögerungen.

Wenn die grundsätzliche Entscheidung pro Holz gefallen ist, was gilt es bei der weiteren Planung zu beachten?

Bauen mit Holz eröffnet neue Möglichkeiten, erfordert gleichzeitig aber auch eine neue Planungskultur und -disziplin seitens der Bauherren und aller beteiligten Gewerke. Digitale Planung ist bereits heute Realität und Notwendigkeit für den Holzbau, der streng auf dem Prinzip der Vorfertigung beruht. Auf der Baustelle angekommen, werden die Elemente mit großer Geschwindigkeit aneinandergefügt. Je nach gewünschtem Grad an Vorfertigung sind sie bereits befenstert, haben fertige Innenwände und Fassaden. Da bleibt kein Platz mehr für improvisierte „Nachbesserungen“.

Das bedeutet, Entscheidungen müssen zwingend zu einem viel früheren Zeitpunkt getroffen werden, als dies bisher in konventionellen Planungsabläufen geschieht. Auch die Einbindung der einzelnen Gewerke erfolgt entsprechend früh. Improvisationen und Spontaneinfälle in bereits laufende Planungen hinein sind kontraproduktiv und sehr teuer.

Es gilt: Erst zu Ende planen, dann bauen. Dafür wird möglichst eine für alle Fachdisziplinen einsehbare digitale Plattform genutzt, auf der Abstimmungen erfolgen und Konflikte sofort erkennbar werden. Diese Planungsmethode heißt Building Information Modelling (BIM). Angenehmer "Nebeneffekt": Ökobilanzdaten lassen sich einfacher erheben, denn alle relevanten Bauwerksdaten werden digital erfasst und dokumentiert. Das unterstützt sogar eine mögliche spätere Wieder-/Weiterverwendung der Materialien nach dem Cradle-to-Cradle Prinzip.

Damit eine solche Planung und deren Umsetzung gelingt, ist es zwingend erforderlich, eine nachgewiesene Holzbaukompetenz von Anfang an im Planungsteam zu verankern. Ist diese hausintern nicht vorhanden, kann ein zusätzlicher Planer hinzugezogen werden, beispielsweise ein Holzbauingenieur.

Welche Auswirkungen hat die integrale Planung beim Holzbau auf öffentliche Vergabeverfahren?

Neben den bereits erwähnten Aspekten wie der Nutzung des Leistungsbestimmungsrechts, der veränderten Gesamtplanung und der Absicherung von Holzbaukompetenz durch Referenzen ist die Zusammenlegung von Losen ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor bei der Holzbauvergabe. 

Der Gesetzgeber sieht ausdrücklich vor, dass auf eine Losaufteilung verzichtet werden kann, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Seine Ermessensentscheidung muss der Auftraggeber nur entsprechend nachvollziehbar begründen und dokumentieren. Das wird bei vielen Projekten nicht schwerfallen. Typische Beispiele für solche Loszusammenlegungen sind Fassaden (Lieferung mit passgenauen und abgedichteten Fenstern) oder Dämmung (mit werkseits vorgefertigter und eingeblasener Dämmung).

Lässt sich ein Preisunterschied zwischen Holz und konventionellem mineralischem Bau ausmachen?

Die Preisfrage ist bei nachhaltigen Bauprojekten natürlich immer der Elefant im Raum. Man sollte sie auch offen adressieren. Seriöse Kalkulationen lassen sich in der derzeitigen inflationsgeprägten Preislandschaft bei keinem Bauprojekt anstellen. Immerhin ist Holz – wenn richtig geplant und ausgeführt – deutlich schneller und mit der hohen Vorfertigung erhält man zum Zeitpunkt des Zuschlages ein relativ preissicheres Angebot. Das ist schon ziemlich viel.

Studien haben gezeigt, dass klimaneutrale Holzgebäude in etwa vergleichbare Lebenszykluskosten aufweisen wie Standardbauten. In der Baustatistik – ohne Berücksichtigung der Lebenszykluskosten – kommt man auf eine Preisdifferenz von etwa 7-8% zu Lasten des Holzes. Dabei ist jedoch nicht berücksichtigt, dass Holzhäuser zumeist hochwertiger ausgestattet sind, z. B. mit teureren Holzfenstern sowie Holzfußböden. Außerdem befinden sich im "Sammeltopf" Statistik auch viele Bauten, die mit geringeren Vorfertigungsgraden und mehr handwerklich erstellt wurden.

Darum gilt es in jedem Fall, die Vorteile des Holzbaus voll auszuschöpfen. Das heißt: Qualität, Schnelligkeit und Vorfertigung maximieren und damit betriebswirtschaftlich optimieren. Wenn wir – so wie in Skandinavien bereits üblich – auch beim Holzbau industrialisiert-modular bauen, werden sich die Kosten noch einmal deutlich senken lassen, gerade auch beim sozialen Wohnungsbau.

Welche Themen spielen beim kommunalen Bauen mit Holz in den kommenden Jahren eine besondere Rolle?

Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist es, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen – klimagerecht und bezahlbar. Auch Städte und Gemeinden sind hier in der Pflicht. Ein großes Thema ist dabei die Erweiterung und Aufstockung bereits bestehender Gebäude sowie die innerstädtische Nachverdichtung. Holz ist für diese Anforderungen auch aufgrund seiner Materialeigenschaften und der Kürze der Bauzeiten bestens geeignet. Modulares und serielles Bauen mit Holz wird in diesem Zusammenhang eine immer größere Rolle spielen. Die moderne Holzmodulbauweise ist z.B. bestens für den Schul- und Kita-Bau geeignet, um dem enormen Bedarf an Bildungseinrichtungen zu begegnen, wird aber auch im städtischen Wohnungsbau relevant werden.

Auch die Stärkung von regionalen Wertschöpfungsketten sowie die Nutzung von Holz aus dem Kommunalwald werden wichtige Themen sein. Der Klimawandel verändert unsere Wälder. Mit dem Aufbau klimastabiler Wälder steht künftig deutlich mehr Laubholz am Markt zur Verfügung als bisher. Holzindustrie, Architekten und Ingenieure stellen sich auf diese neuen Anforderungen ein.

Interview: Ute Papenfuß / FNR

Weitere Informationen

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe unterstützt Städte, Gemeinden sowie Institutionen der öffentlichen Hand bei Maßnahmen zur Klimaneutralität. Sie stellt dazu umfangreiches Informationsmaterial für den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen, z.B. in den Bereichen Energieversorgung, nachhaltiges Bauen und Sanieren sowie nachhaltige Beschaffung u.a. unter www.fnr.de zur Verfügung.