Gute Bauqualität kontinuierlich verbessern

VHV-Bauschadenbericht Hochbau 2019/20 erschienen

Deutsches Ingenieurblatt 06/2020
Management

Die Baubranche befindet sich in einer Hochkonjunkturphase, doch wie ist es um die Qualität der Planungs- und Bauleistungen in Deutschland bestellt? Eine der Fragen, denen der im Frühjahr erschienene VHV-Bauschadenbericht Hochbau 2019/20 auf den Grund gegangen ist. Ein Fazit: Die Planungs- und Bauqualität in Deutschland ist – vor allem vor dem Hintergrund des riesigen Bauvolumens, das aktuell zu bewältigen ist – grundsätzlich gut. Jedoch: Trotz rückläufiger Schadenmeldungen bewegen sich die Schadenkosten auf einem hohen Niveau bzw. steigen in bestimmten Bereichen an.

Die Grundlage des Berichts bildet eine umfangreiche Datenauswertung zu Baumängeln und Bauschäden im Bereich Hochbau, die das Institut für Bauforschung e.V. (IFB) im Auftrag der VHV Versicherungen durchgeführt hat. Die aufschlussreichen Ergebnisse vermitteln ein aktuelles Bild der Planungs- und Bauqualität in Deutschland. Der Bericht enthält zudem Beiträge verschiedener am Planungs- und Bauprozess beteiligter Akteure, die sich mit der Qualitätsverbesserung und Bauschadenprävention befassen. In den Beiträgen werden vielfältige Wege aufgezeigt, was in der Branche bereits getan wird bzw. noch weiter getan werden muss, um die Qualität beim Planen und Bauen weiter zu verbessern.
Die Analyse der Schadenkosten, -arten, -ursachen- und betroffenen Bauteile zeigt, dass das Potenzial für Verbesserung vorhanden ist. Das gemeinsame Ziel aller am Bau Beteiligten muss demnach sein, diese Potenziale zur weiteren Verbesserung der Qualität beim Planen und Bauen zu erkennen und in der Zukunftstrategisch zu nutzen.

Schadenzahlen sinken, Schadenkosten steigen

Der Bericht basiert auf der Analyse einer umfangreichen Datensammlung: Die VHV Versicherungen haben rund 144.000 anonymisierte Datensätze aus den Jahren 2013 bis 2017 zur Verfügung gestellt. Die daraus generierte Daten-Basis, die als Grundlage für die weitere Bearbeitung diente, umfasste 51.218 Schäden aus dem Bereich Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherungen sowie 3.504 Schäden aus dem Bereich Technische Versicherungen. Insgesamt wurden rund 55.000 Datensätze für die Schadenanalyse ausgewertet.
Die Ergebnisse offenbaren ein breites Spektrum, das es differenziert zu betrachten und zu bewerten gilt. Die Gesamtschadenzahlen zeigen im Untersuchungszeitraum einen leichten Rückgang um rund 13 Prozent. In den Jahren 2015 bis 2017 bewegt sich dabei die Anzahl der Schadenmeldungen auf gleichbleibendem Niveau. Komplett entgegengesetzt verläuft dagegen die Entwicklung der anfallenden Schadenkosten, die eine insgesamt steigende Tendenz zeigen. (Nach einem leichten Rückgang im Jahr 2014 stiegen sie konstant an und verzeichneten allein zwischen 2016 und 2017 einen Zuwachs von rund fünf Prozent.)
Das hohe Niveau, auf dem sich die Schadenkosten derzeit bewegen, verdeutlicht die Auswertung der durchschnittlich pro Schadenfall und Jahr auftretenden Schadenkosten, die im letzten Jahr des Untersuchungszeitraums ihren jeweils aktuellen Höchststand von mehr als 9.000 Euro (Bereich Haftpflicht) bzw. rund 6.000 Euro (Bereich Technische Versicherungen) erreicht haben. Im Zusammenhang mit der Feststellung mutmaßlich abnehmender Schadenzahlen bedeutet dies, dass die Regulierung eines Bauschadens offenbar immer höhere Kosten verursacht.

Bauschäden werden komplexer

Das Bauen hat in Deutschland eine lange Geschichte und basiert auf Traditionen und einem hohen Maß an Erfahrung. Weiterentwicklungen, Innovationen und nicht zuletzt die gesetzlichen Vorgaben verändern die Abläufe beim Planen und Bauen stetig. Die Analyse der Schadendaten hat ergeben, dass es heute grundsätzlich zu komplexeren Bauschäden kommt. Das heißt, in der Regel sind bei einem Schaden gleich mehrere Bauteile betroffen. Grund ist häufig die Komplexität des gesamten Bauwerks. Die hohe Komplexität im heutigen Planungs- und Bauprozess, der Einsatz neuer Technologien und Materialien, die Einbindung moderner Technik und die damit verbundenen gestiegenen Anforderungen an das Planen und Bauen stellen Planer und Ausführende vor große Herausforderungen. Vor allem vor dem Hintergrund der hohen technischen, wirtschaftlichen und genehmigungsrechtlichen Anforderungen erfordert die Komplexität des Bauens eine entsprechend detaillierte und vor allem praxistaugliche Betrachtung.

Was bedeutet der Begriff „Qualität“?

Eine juristisch eindeutige Definition des Begriffs „Planungs- und Bauqualität“ ist in Deutschland nicht festgelegt. Eine weit gefasste Bedeutung umschreibt die Tatsache, dass alle Abläufe über den gesamten Planungs- und Bauprozess hinweg den vertraglich vereinbarten Anforderungen entsprechen. Das Bestreben, eine hohe Bauqualität zu erreichen, beginnt demnach im Idealfall bereits bei der Zielsetzung für das Bauvorhaben und den ersten Gestaltungsentwürfen („Leistungsphase Null“). Diese Zielsetzung bildet in der Folge die Grundlage der Vertragsgestaltung und erstreckt sich schließlich über alle Phasen der Planung bis hin zur Fertigstellung des Gebäudes. Aber auch danach ist die Zielsetzung für hohe Bauqualität weiterhin wirksam, denn: Sie wirkt sich in der Regel auch auf die Nutzung (inklusive Wartung und Instandhaltung) bzw. den Rückbau des Bauwerks aus. Die Planungs- und Bauqualität beeinflusst also den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes wesentlich.
Die Aspekte von Planungs- und Bauqualität sind vielschichtig und lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Technische Qualität: z. B. Funktionssicherheit, Dauerhaftigkeit, Wartungsfreundlichkeit
  • Ökonomische Qualität: z. B. Preis, Terminsicherheit, Marktwert, Nutzungs- und Lebenszykluskosten
  • Ökologische Qualität: z. B. Energieeffizienz, Nachhaltigkeit, Einsatz ressourcenschonender, schadstoffarmer und -freier Materialien, Lebensdauer
  • Soziale Qualität: z. B. Wohnqualität und -komfort, Funktionalität, Bedienbarkeit, Anpassbarkeit und Variabilität
  • Gestaltungsqualität: z. B. Wahrnehmung von Ästhetik, Proportionen, Formen, Farben
  • Städtebauliche Qualität: z. B. Versorgungsinfrastruktur, Nahverkehr, Lärmbelastung

Kommt es zu Abweichungen (bzw. der Wahrnehmung), dass vereinbarte oder erwartete Aspekte bzw. Kriterien der Planungs- und Bauqualität nicht erfüllt sind, entstehen in der Regel Konflikte zwischen den Beteiligten. Deshalb sind klare gemeinsame Vereinbarungen zur Erfüllung der Kriterien bzw. Aspekte sowie eine gute und kontinuierliche Kommunikation während des gesamten Planungs- und Bauprozesses eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Ergebnis.

Abweichungen können zu Konflikten führen

Abweichungen von der (vereinbarten oder erwarteten) Planungs- und Bauqualität werden von den am Bau Beteiligten naturgemäß aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen und häufig mit Mängeln und Schäden gleichgesetzt. Dies ist jedoch stets im Einzelfall zu prüfen und zu bewerten. Eine Aufgabe, die im Konfliktfall entsprechenden Sachverständigen (zum Beispiel Sachverständigen für Schäden an Gebäuden) vorbehalten sein sollte.
Kritik an der aktuellen Situation in Deutschland bezüglich der Qualität üben die verschiedenen Akteure im Planungs- und Bauprozess mit beispielhaften Aussagen, die durch Befragungen und Gespräche für den Bauschadenbericht zusammengefasst wurden. So beklagten etwa Unternehmer mangelnde praktische Fachkenntnisse auf Seiten der Planer. Daraus resultieren Qualitätsmängel in der Ausführungsplanung. In der Baupraxis kommt hinzu, dass vor Beginn der Bauausführung der Planungsprozess häufig noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Zudem werden immer kürzer werdende Planungs- und Bauzeiten sowie enormer Kostendruck von zahlreichen Unternehmern kritisiert. Daraus resultierende kurze Planvorlaufzeiten lassen in der Folge wenig Spielraum für Abstimmungen oder Korrekturen der Planung. Als weiteres Hemmnis für das Erreichen guter Planungs- und Bauqualität wird von den Bauausführenden eine „Rechtsunsicherheit“ benannt, die eine Zurückweisung von Planungsunterlagen durch Bauunternehmer mit sich bringe. Durch daraus resultierende Verzögerungen im Bauablauf (und gegebenenfalls eine Verlängerung der Bauzeit) entstünden zusätzliche Kosten.
Diesbezügliche Verantwortlichkeiten ließen sich häufig nicht eindeutig klären. In der Folge seien ausführende Bauunternehmen nicht selten gezwungen, selbst Planungsleistungen zu erbringen. Daraus entstünden zum Teil erhebliche Haftungsrisiken und gegebenenfalls Mehrkosten.
In einer Befragung von Planern werden die Gründe für Probleme im Bauprozess in mangelhafter Auseinandersetzung mit den Planungsunterlagen seitens der Bauunternehmen benannt. Weitere Kritikpunkte sind der Einsatz von unzureichend qualifiziertem Personal bei den bauausführenden, koordinierenden und überwachenden Firmen, hoher Kosten- und Zeitdruck sowie Unachtsamkeit bei der Ausführung.
Für Auftraggeber ist hingegen vielfach eine fehlende Prüfbarkeit und Bewertbarkeit der Planungs- und Bauleistungen insgesamt problematisch.
Branchenübergreifend werden als weitere Gründe für mangelnde Qualität die hohe Marktauslastung im Bausektor und der Fachkräftemangel benannt, ebenso wie die Tatsache, dass das Bauen aufgrund höherer gesetzlicher Anforderungen und zunehmender Komplexität anspruchsvoller geworden ist, z. B. durch die Verwendung neuer, innovativer Materialien, deren Verarbeitung oft nicht sachgemäß erfolgt. Als Folge steigt die Fehleranfälligkeit, sowohl in der Planung, als auch der Bauausführung. Schlussendlich werden oft einfache Fehler, die im täglichen Geschehen auf der Baustelle passieren, als ursächlich für Mängel bzw. Schäden am Bau benannt. Hinzu kommt mangelnde Kommunikation auf der Baustelle als Grund für Missverständnisse oder Informationslücken. Diese können schwerwiegende – und nicht zuletzt teure – Folgen haben. Besonders problematisch sei dies, wenn sich Rahmenbedingungen– beispielsweise bei großen Bauprojekten – im Verlauf des Bauprozesses verändern und entsprechend darauf reagiert werden muss.

Ansprüche und Erwartungen steigen

Eine weitere aktuelle Entwicklung zeigt: Die Erwartungen der Auftraggeber steigen. Dies betrifft sowohl öffentliche, als auch private Bauherren. Dabei wächst zudem der Stellenwert von Design, Detailästhetik und Genauigkeit. Der Vergleich mit der Präzision etwa im Metallbau oder in der Automobilbranche wird zunehmend auch zum Maßstab für den Bausektor. Nicht selten trifft die Branche auf Unverständnis, wenn Ansprüche als handwerklich nicht erfüllbar bewertet werden.
Umso wichtiger ist auch in diesem Zusammenhang eine gute Kommunikation vor Vertragsschluss und über den gesamten Planungs- und Bauprozess hinweg. Nicht einfach, aber unbedingt notwendig zu vermitteln ist, dass „robuste Konstruktionen“ sinnvoll sind, welche die vertraglichen Anforderungen erfüllen und gleichzeitig wenig fehleranfällig in der Herstellung und der Nutzung sind. Dies erleichtert die Herstellung nachhaltiger Bauwerke und trägt maßgeblich zur Erhöhung der Qualität bei. Jedoch: Verbände stellen übereinstimmend eine Entwicklung fest, die eindeutig nachteilige Auswirkungen auf das Qualitätsempfinden der Verbraucher hat: Je komplexer die Planungen, je komplizierter die eingebauten Geräte sind, desto sensibler ist das gesamte Projekt. Dadurch entsteht nicht nur beim Verbraucher der Eindruck, dass die Qualität insgesamt schlechter wird.
Ein weiterer schwieriger Aspekt, den Verbände und Kammern kritisieren, ist die Tatsache, dass die Erwartungen und Ansprüche in Sachen Qualität, Fehlerfreiheit und Ästhetik einerseits steigen, andererseits jedoch die Bereitschaft, den damit für die ausführenden Betriebe verbundenen Aufwand auch zu bezahlen, sinkt. Die Leistung soll vielmehr möglichst günstig und zum Festpreis angeboten werden.
Ein „Spagat“, dem sich viele Bauausführende täglich stellen müssen. Auch hier zeigt sich wieder, dass eine gute Kommunikation ein guter Lösungsansatz sein kann. Optimal ist eine frühzeitige Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Planungsphase, um das Risiko für Ausführungsfehler oder Umplanungen zu minimieren.
Dabei kommt ein Aspekt besonders zum Tragen: In der heutigen Projektabwicklung lassen sich Planung und Ausführung nicht mehr so strikt trennen wie früher – Planungs- und Ausführungsprozesse greifen immer mehr ineinander. Da Baumaßnahmen zumeist keine standardisierten Massenprodukte sind, ist ein reibungsloses Zusammenwirken zahlreicher Beteiligter nur mit rechtzeitiger Kommunikation zu realisieren. In der Praxis erweisen sich vor allem jene Projekte als komplikationslos, in denen Änderungen und Abweichungen rechtzeitig kommuniziert werden.
Dies wird erleichtert, wenn sich die Baubeteiligten im Vorfeld auf eine Vorgehensweise verständigt haben, wie zum Beispiel mit witterungsbedingten Terminverschiebungen, Lieferengpässen oder geänderten Kundenwünschen umgegangen werden soll.

Überwachung und Digitalisierung als Lösung?

Die beschriebenen Entwicklungen führen dazu, dass Bau- und Ausbaubetriebe den Fokus auf die Qualitätsüberwachung richten. So wird deutlich mehr in Qualitätsmanagementsysteme investiert. Auch die systematische Weiterbildung von Mitarbeitern in Hinblick auf Schadenvermeidung wird kontinuierlich ausgeweitet. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den Auftraggebern. Auch hier werden zunehmend Sachverständige und baubegleitende Qualitätskontrollen beauftragt.
Ein weiterer Baustein, der die seit Jahrzehnten praktizierten Arbeitsweisen in der Bau- und Ausbaubranche besonders gravierend und schnell verändert, ist die Digitalisierung. Am Beispiel des Building Information Modeling (BIM) wird deutlich, dass Betriebe derzeit eine Entwicklung durchlaufen: So steht kooperatives Arbeiten stärker im Fokus, die Unternehmen müssen ihre Prozesse definieren, um eine sorgfältige Vorplanung gemeinsam mit den Planern gewährleisten zu können. Zudem sind die richtige Software-Auswahl und ihre Implementierung von großer Bedeutung – ebenso wie die vermehrte Nutzung von gemeinsamen Plattformen. Diese BIM-Verfahren können helfen, die Kommunikation zwischen allen Beteiligten und die damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Qualität zu verbessern. Ein wesentlicher Punkt für die Qualitätssicherung ist in diesem Prozess das Einüben der optimierten Zusammenarbeit zwischen Planern und Ausführenden.
So kann eine Verbesserung der Kommunikation zwischen den Akteuren für alle Beteiligten Vorteile bringen.

Lösungsorientierte Zukunftsstrategien

Der VHV Bauschadenbericht 2019/20 zeichnet auf der Grundlage der Auswertungen der Vergangenheit bzw. der Analysen und Praxiserfahrungen der Gegenwart mit den Fakten zu zum Beispiel Schadenanzahl, -kosten und -ursachen einen guten Überblick zur Planungs- und Bauqualität in Deutschland.
Die Daten bilden jedoch nur einen Ausschnitt der Schadenrealität ab und zeigen mit ausschließlichen Schadendaten ein einseitiges Bild, das der grundsätzlich positiven Bau-Qualität nicht gerecht wird. Deshalb kommen im dritten Teil des Bauschadenberichts wesentliche Akteure am Planungs- und Bauprozess zu Wort, die einen Blick in die Zukunft wagen. Sie beschreiben z. B. Grundsätze, Maßnahmen, Projekte, Kampagnen und Strategien, daneben aber auch technische oder logistische Innovationen, die der Vermeidung von Mängeln und Schäden und damit der Sicherstellung bzw. Verbesserung der Qualität dienen.
Die meisten sind bereits erprobt bzw. kurz-, mittel- oder langfristig geplant, manche befinden sich gerade erst in der Ideen- oder Entwicklungsphase. Im VHV-Bauschadenbericht berichten Experten aus 15 Unternehmen, Verbänden, Kammern und wissenschaftlichen Institutionen in Form von Interviews oder Statements über ihre Lösungsansätze. Strukturiert sind die Interviews und Statements in die Bereiche Planungsprozess, Bauprozess und Verbands- und Kammerinitiativen.

Beispiel: BIM und innovative Baustelle

Die technologische Entwicklung im Bereich des Planens und Bauens eröffnet allen Beteiligten vielfältige Möglichkeiten. Building Information Modeling (BIM) etabliert sich derzeit als Planungsmethodik und birgt Potenziale, die noch längst nicht ausgeschöpft sind.
Die BIM-Methodik bietet erstmals die Möglichkeit einer durchgängigen modellbasierten Planung – von der ersten Idee bis zur Realisierung, weitergehend über die Bewirtschaftung und den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Vorteil: Die bei konventioneller Planung entstehenden Medienbrüche zwischen einzelnen Leistungsphasen entfallen. Um alle Möglichkeiten ausschöpfen zu können, ist jedoch eine breite Etablierung dieser Methodik sowie die Nutzung in sämtlichen Phasen des Bauwesens erforderlich. Hier gibt es noch großen Handlungsbedarf in allen Bereichen der Baubranche. Die Herausforderung: Für die neue Technologie ist (noch) ein grundsätzlich hohes Maß an technischem Verständnis notwendig, da die Verknüpfung von Geometrie und Daten sowie der Datenaustausch technisch anspruchsvoll und in den jeweiligen Abläufen sehr komplex sind.
Das Ziel einer durchgängigen digitalen Planungsmethode erfordert mittelfristig weitaus mehr notwendiges Wissen als bisher – und dies in allen Bereichen der Bauwirtschaft. Angefangen bei der notwendigen stärkeren Betrachtung des Themas BIM an den Hochschulen, über verbesserte umfassende Angebote an den Berufsschulen, bis hin zu Fort- und Weiterbildungsangeboten in den Unternehmen. Insgesamt müssen sich Unternehmen und Handwerk branchenübergreifend stärker technologisch ausrichten. Nicht zuletzt muss auch die schulische Ausbildung frühzeitig entsprechend angepasst werden.

Beispiel: intelligente Gebäudetechnik

Die Auswertung der Schadenzahlen und -daten zeigt, dass das Thema Feuchtigkeit während der Bauphase einen großen Raum einnimmt. Die Grafik macht deutlich, dass der Schwerpunkt mit einem Anteil von rund 51 Prozent bei den Feuchte- und Feuchtefolgeschäden liegt. In diesem Bereich gibt es die unterschiedlichsten Erscheinungsformen: Die Schäden können praktisch an jedem Bauteil auftreten. Klassische Feuchte- und Feuchtefolgeschäden äußern sich zum Beispiel durch Verfärbungen (zum Beispiel Mauerwerk, Innenputz) und Wasserränder, teilweise mit Salzausblühungen, sowie Farb- und Putzablösungen.
Weitere typische Schadenbilder bei Feuchtigkeitsproblematiken sind Wasserablaufspuren, Schimmelpilzbefall und beschädigte/zerstörte Holzbauteile durch holzzerstörende Pilze.
Daher ist es von zunehmender Wichtigkeit, sich mit den Arten und Ursachen von Feuchteschäden auseinanderzusetzen, um nachhaltige Präventionsstrategien in diesem Bereich zu entwickeln. Ein Schwerpunkt ist dabei die Früherkennung mithilfe von Sensortechnik. Es werden aktuell Lösungen (weiter-)entwickelt, die es ermöglichen, Feuchtigkeitsschäden möglichst schnell zu erkennen, um diese in einem kleinen Rahmen zu halten bzw. Sekundarschäden zu vermeiden. So ist es zum Beispiel möglich, mithilfe von Sensoren weitergehende Messungen in Bauwerken durchzuführen. Diese übertragen dann zum Beispiel den U-Wert der Bausubstanz. Vielfältige weitere Lösungsansätze aus verschiedenen Bereichen befinden sich derzeit in der Forschungs- oder Entwicklungsphase. Die Herausforderung ist, die passenden Lösungen so aufzubereiten, dass sich diese etablieren und zum Nutzen aller sinnvoll eingesetzt werden können. Ein Beispiel ist der Einsatz von „IoT(Internet of Things)-Lösungen“. So können beispielsweise über neue Monitoring- und Steuerungsmöglichkeiten erhebliche Mehrkosten eingespart werden, da hierbei Personal- oder Maschineneinsatz und Fahrkosten etc. deutlich reduziert werden können.

Beispiel: Fachkräftezukunft und Digitalisierung

Die Baubranche tut viel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. So wurden nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB) in den vergangenen zehn Jahren 20 Prozent mehr Beschäftigte eingesetzt, um dem vielfaltigen Bauaufgaben und dem anhaltenden Bauboom gerecht zu werden. Nicht zuletzt, um die Qualität in der Baubranche weiter zu verbessern, wird die vermehrte Nachfrage nach Fachkräften als eine zentrale Herausforderung gesehen. Doch trotz vermehrter Investitionen in die Ausbildung hält man angesichts des demografischen Wandels weitere Maßnahmen für notwendig, die es der Bauwirtschaft ermöglichen, mehr Fachkräfte zu gewinnen. So setzt der Verband etwa auf Fachkräfteeinwanderung aus dem Ausland, insbesondere dem Nicht-EU-Ausland.
Kritik gibt es diesbezüglich an dem von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Belange der Bauwirtschaft nicht ausreichend widerspiegele, da es zu wenig Möglichkeiten gebe, berufspraktische Qualifikationen anzuerkennen.
Hier gebe es Nachbesserungsbedarf.
Eine weitere große Herausforderung sieht der Verband in der Digitalisierung. Erfordert dazu auf, diese als Möglichkeit zur Gestaltung der Zukunft zu begreifen: Prozesse, Planung und Ausführung werden „smart“ und der gesamte Bauablauf immer vernetzter.
Nicht zuletzt durch die vermehrte Nutzung von BIM. Aber auch Themen wie etwa Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) werden aus Sicht des Verbands in Zukunft enorm an Bedeutung gewinnen. Hier sieht man große Chancen. Denn: Wenn Prozesse effizienter werden, kann die Produktivität gesteigert werden. Wichtig sei, die Digitalisierung als einen fortlaufenden Prozess und nicht als einmalig zu erledigenden Vorgang zu begreifen.
Auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sieht in der Digitalisierung große Veränderungen: Hier fordert man die Branche auf, alles dafür tun, dass möglichst viele Unternehmen von der Digitalisierung profitieren und nicht den Anschluss verpassen. Alle am Bau Beteiligten müssten realisieren, dass die Digitalisierung vor allem eine Veränderung von Prozessen und Strukturen innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette ist. Dieser Aspekt dürfe nicht unterschätzt werden. Er stelle einen fundamentalen Wendepunkt für das Rollenverständnis aller dar, die innerhalb der Wertschöpfungskette Bau arbeiten: also Planer, Architekten, Bauausführende, Lieferanten und Bauherren. Die Digitalisierung werde die Arbeitswelt am Bau neu definieren. Dies erfordere enorme Anstrengungen aller, berge jedoch zudem große Chancen. So werde die Faszination des Bauens, die durch den Einsatz digitaler Technologie entsteht, die Attraktivität der Bauberufe steigern und sie für angehende Ingenieure und Fachkräfte attraktiv machen.

Beispiel: Honorierung

Eine weitere Stellschraube für die Verbesserung der Planungs- und Bauqualität ist die Honorierung von Architekten und Ingenieuren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der Honorar- und Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) „gekippt“. In dem Urteil betont der EuGH, „dass die Existenz von Mindestsätzen für die Planungsleistungen im Hinblick auf die Beschaffenheit des deutschen Markts grundsätzlich dazu beitragen kann, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten.“
Kurz: Ein Wettbewerb ausschließlich über den niedrigsten Preis führt in aller Regel nicht zum besten Ergebnis. Die Bundesingenieurkammer drückt es im VHV-Bauschadenbericht noch deutlicher aus: „Wer billig plant, bekommt oftmals keine gute Qualität und baut am Ende teurer.“ Eine angemessene Honorierung hingegen trage zur Qualitätssicherung bei. Aber auch Fachlichkeit spiele eine wesentliche Rolle. In dem EuGH-Urteil wird beanstandet, dass in Deutschland Planungsleistungen auch von Dienstleistern erbracht werden können, die ihre entsprechende fachliche Eignung nicht nachweisen müssen. Daher schlüge der Versuch fehl, die Planungsqualität über die Mindestsätze zu gewährleisten, da bereits die Grundvoraussetzung dafür fehle.
Die Bundesingenieurkammer sieht in der Qualifizierung von Planern – zum Beispiel durch regelmäßige Fortbildungen – ein immer wichtiger werdendes Kriterium. In diesem Zusammenhang gibt es bereits Gespräche mit den zuständigen Ministerien für das Modell eines Berufsrechtsvorbehalts. Weiterhin werden Gespräche zu einer Verschärfung des Berufsrechtsvorbehalts mit der Argebau geführt. Der Ansatz lautet also, Planungsleistungen gut ausgebildeten Planern vorzubehalten, die für ihre Leistungen entsprechend honoriert werden.

Entwicklung und Innovation für mehr Qualität

Die verschiedenen Beispiele zeigen, dass es zahlreiche Entwicklungen, Bestrebungen und Strategien gibt, um die Qualität beim Planen und Bauen in Deutschland weiter voranzubringen.
Einige finden sich im VHV-Bauschadenbericht, viele andere mehr kommen täglich hinzu. Dass es auch weiterhin Verbesserungsbedarf gibt, zeigen die Zahlen. Der Bericht offenbart ein differenziertes, breitgefächertes und vielschichtiges Bild vom Bauen in Deutschland.
Tatsächlich wird Planen und Bauen immer anspruchsvoller, nicht zuletzt auch bedingt durch immer komplexer werdende Regelwerke bzw. die insgesamt hohen Anforderungen, die an Gebäude heute gestellt werden. Und tatsächlich dauert es oft länger und ist kostenintensiver, als ursprünglich geplant, zu planen und zu bauen. Zudem muss im Detail nach den Ursachen geforscht werden, die vielfältig sind.
Aber: Ganz klar ist auch, Planen und Bauen ist nicht zwangsläufig mit Bauschäden verbunden! Die Vielzahl von funktionssicheren, mangel- und schadenfreien, hocheffizienten, und nachhaltigen Gebäuden in Deutschland ist Beweis dafür. Diese Tatsache gilt gleichermaßen für neu errichtete Gebäude wie für modernisierte oder sanierte Bestandsgebäude. Und es zeigt sich, dass hierzulande im Allgemeinen auf technisch und qualitativ hohem Niveau gearbeitet wird.
Die Auswertungen innerhalb dieses Bauforschungsberichts zeigen auch, dass im Planungs- und Bauprozess nicht alles perfekt ist. Die Höhe der ermittelten Schadenkosten stieg in den vergangenen fünf Jahren stark an. Die Schadenarten und Schadenstellen liegen weiterhin in Bereichen, die erhebliche Risiken für kostenintensive Folgeschäden bergen. Und die Schadenursachen verdeutlichen, dass das Handeln der beteiligten Akteure die Hauptursache darstellt. Diese Erkenntnisse bilden eine Basis, auf deren Grundlage weitergearbeitet werden kann. Sie geben zudem Ansatzmöglichkeiten für notwendige Verbesserungen.
Einige sollen hier konkret aufgeführt werden:

  • Eine konstruktive Diskussion während der „Leistungsphase Null“ zur Definition der Anforderungen und Ziele des Bauvorhabens, auch vor dem Hintergrund der Suffizienz.
  • Umfassende Beratung, Information und Einbindung des Bauherrn „auf Augenhöhe“, um Rechtssicherheit für alle Planungs- und Bauphasen zu schaffen und zu vermitteln.
  • Eine genaue Definition und Beschreibung der Leistungen in einer abgestimmten vertraglichen Vereinbarung, die Pflichten und Ansprüche definiert.
  • Verstärkte Anwendung moderner Technik bzw. technischer Hilfsmittel, zum Beispiel die durchgehende Nutzung von 3D-Modellen als Kommunikationsmedium über den gesamten Planungs-, Bau- und Nutzungsprozess.
  • Ein verändertes Kommunikationsverhalten der Baubeteiligten untereinander, zum Beispiel in frühzeitiger Zusammenarbeit aller Planungs- und Baubeteiligten.
  • Eine Weiterentwicklung des Bauablaufs, zum Beispiel durch transparente und schlanke (Management-)Prozesse, die die Motivation und Eigenverantwortung der Beteiligten stärken.
  • Die Planung und Errichtung robuster und nachhaltiger Bauwerke, die weniger mangel- und schadenanfällig sowie nutzerfreundlich sind.
  • Ein neues Verständnis für den Wert und Nutzen von Daten, zum Beispiel von Bauteildaten, aus der Planung bis in die Nutzung hinein.
  • Eine auskömmliche Honorierung/Bezahlung fachgerechter Leistungen und die Vermittlung deren Werts.
  • Eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Fachkompetenzen der Planungs- und Baubeteiligten und die Anpassung an die sich stets weiterentwickelnden Anforderungen an den Planungs- und Bauprozess.

Die aufgeführten Beispiele zeigen: Eine entscheidende Voraussetzung für eine Verbesserung der Qualität beim Planen und Bauen ist, dass sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung und Verantwortlichkeiten bewusst sind, dass das Erreichen eines schadenfreien Bauergebnisses als gemeinsames Ziel verinnerlicht wird und die entsprechende Zusammenarbeit stets vor diesem Hintergrund erfolgt.

Ausblick und Aufruf zur Mitarbeit

Gemeinsame Ziele aller am Bau Beteiligten müssen also sein: eine bessere Zusammenarbeit, die Erhöhung der Fachkompetenz, klare Verantwortlichkeiten, die Verbesserung der technischen, logistischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, die Erhöhung der Transparenz sowie eine bessere Kommunikation in allen Planungs- und Bauprozessen. Kurz: Eine Erhöhung der Bauqualität durch nachhaltige Planungs- und Bauprozesse. Kompetenz und Kommunikation sind dafür Grundvoraussetzungen, an denen in vielen Bereichen gearbeitet wird. Die neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisierung, wie zum Beispiel das Building Information Modeling (BIM), können dabei erheblich unterstützen, jedoch das notwendige Wissen und verantwortungsvolle Handeln aller keinesfalls ersetzen.
Der VHV-Bauschadenbericht ist der Auftakt einer Reihe, die jährlich – im Wechsel zwischen Hoch- und Tiefbau – erscheinen wird. Das Thema wird also vertieft, erweitert und optimiert. Das Institut für Bauforschung fordert deshalb ausdrücklich zur Mitarbeit, Unterstützung und zu konstruktiver Kritik auf.

Die Herausgeber

Die Forschung des Instituts für Bauforschung (IFB) befasst sich seit fast 75 Jahren mit praxisrelevanten Themen. Mit den Ergebnissen werden alle Beteiligten und Interessierten angesprochen, die in den Planungs- und Bauprozess eingebunden sind. Thematische Schwerpunkte sind aktuell vor allem die Bauqualität, Bauschäden und der Bereich der Digitalisierung. Im Auftrag bzw. in Zusammenarbeit mit den VHV Versicherungen entstanden bereits Studien zu Kabel- und Leitungsschäden, zur Risikobewertung von Wärmedämmung, zum Brandschutz im Gebäudebestand und zu Bauschäden durch Klimawandel.
Das Institut für Bauforschung e.V. (IFB) mit Sitz in Hannover wurde 1946 gegründet. Kernaufgaben sind wissenschaftliche Forschung und deren Förderung im Bereich Planung im Bauwesen, Baustoffe, Bauarten, Baubetrieb sowie Bauschäden und deren Ursachen. Die Erkenntnisse werden den mehr als 100 Mitgliedern und allen am Bau Beteiligten unter anderem durch Fachtagungen, Schulung, Gutachten und Bücher zur Verfügung gestellt. Mitglieder sind die für das Bauwesen und den Wohnungsbau zuständigen Ministerien des Bundes und mehrerer Bundesländer, Spitzenverbände der Bau-, Wohnungs- und Energiewirtschaft, Universitäten, Städte, Wohnungsunternehmen und Unternehmen der Wirtschaft. Als Gründungsmitglied des internationalen Rats für Forschung, angewandte Forschung und Dokumentation im Bauwesen (CIB) steht das IFB zudem in vielfältigen nationalen und internationalen Beziehungen und Partnerschaften zugleich gerichteten Institutionen im In- und Ausland.

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