Machen Digitalisierungs­strategie und internationales Datennetzwerk EPDs interessanter?

Im Gespräch

green BUILDING 02/2018 (#84)

Mit dem wachsenden Interesse am nachhaltigen Bauen wächst auch das Interesse an umweltbezogenen Produktinformationen. Mittels sogenannter EPDs werden diese bereitgestellt. Zum Beispiel von Europas größtem EPD-Programmbetreiber, dem Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU). Aber, ob und wie EPDs tatsächlich das nachhaltige Bauen fördern, das hat greenBUILDING den IBU-Geschäftsführer Dr. Burkhart Lehmann gefragt.

EPDs sind in Fachkreisen als Informationsgrundlage für Gebäude-Ökobilanzierungen bekannt. Wie relevant sind EPDs tatsächlich, wenn es um nachhaltiges Bauen geht?

Dr. Burkhart Lehmann: EPDs spielen dabei im Hinblick auf die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Sie sind nicht zu verwechseln mit Ökolabeln, die Produkte im Hinblick auf einzelne Umweltaspekte bewerten. Das ist bei EPDs nicht der Fall, denn sie liefern basierend auf Ökobilanzen umfassende und fundierte Informationen über Umweltwirkungen einzelner Bauprodukte, und zwar im Hinblick auf den gesamten Lebenszyklus. Somit bilden EPDs eine verlässliche Datengrundlage für die Gebäude-Ökobilanz. Schon bei der Gebäudeplanung ermöglichen EPD-Daten Vergleichsrechnungen. So kann schon in der Entwurfsphase die unter ökologischen Gesichtspunkten ideale Kombination von Bauprodukten ausgewählt werden. Die EPD ist also vorrangig ein Instrument, um Baukonstruktionen und Gebäude hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen zu vergleichen und zu optimieren. Apropos Optimierung: Im Rahmen der EPD-Erstellung können Hersteller Hotspots entlang ihrer Produktions- und Prozessabläufe ausmachen und entsprechende Veränderungen in ihren Prozessen oder Rezepturen vornehmen. Das rentiert sich in der Regel auch finanziell.

EPDs werden seit sechs Jahren gemäß der EN 15804 erstellt. Die hohe Transparenz dieses Verfahrens und auch der damit verbundene unabhängige Überprüfungsprozess haben der EPD hohe Akzeptanz verschafft. Wie macht sich das bemerkbar?

Dr. Burkhart Lehmann: Das Interesse an EPDs hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Über 200 sind im vergangenen Jahr im IBU zur Verifizierung eingereicht worden und wir verzeichnen ein kontinuierliches Wachstum. Das bedeutet, immer mehr Hersteller erstellen EPDs für ihre Bauprodukte. In 2017 haben sich 14 neue Unternehmen und Verbände aus dem In- und Ausland dem IBU angeschlossen. Mit unseren mehr als 200 Mitgliedern verstehen wir uns als internationales Programm, denn ein Drittel kommt aus dem Ausland, aus insgesamt 22 Nationen.

Hersteller zeigen also großes Interesse an EPDs. Wie steht es um die Anwender?

Dr. Burkhart Lehmann: Das ist natürlich ein wichtiger Punkt. Nur, wenn EPDs auch tatsächlich genutzt werden, kann nachhaltiges Bauen gelingen und vorangebracht werden. Und das liegt mir ganz besonders am Herzen. Um Anwendern einen echten Mehrwert zu verschaffen und ihnen die Arbeit zu erleichtern, haben wir im vergangenen Jahr im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie die Plattform IBU.data konzipiert und umgesetzt. Mit der Digitalisierung aller EPDs und deren Veröffentlichung auf IBU.data müssen Anwender die EPD-Daten nicht mehr manuell aus PDF-Dokumenten in ihre Anwendungen transferieren. Sondern Architekten, Planer, Auditoren und jeder andere Interessierte kann sich kostenfrei registrieren und einzelne EPD-Datensätze als XML-Datei herunterladen. Über entsprechende Schnittstellen können Planungs- und Gebäude-Ökobilanzierungstools direkt auf die benötigten Daten zugreifen und diese in ihre Berechnungssoftware implementieren.

Können Sie abschätzen, wie groß die Nachfrage seitens der Anwender nach EPDs insgesamt und insbesondere nach digitalen EPD-Datensätzen ist?

Dr. Burkhart Lehmann: Auf der IBU-Website gab es im vergangenen Jahr über 130.000 Downloads und Zugriffe auf EPDs im konventionellen PDF-Format. Für IBU.data sind monatlich seit der Einführung im Juni 2017 mehrere hundert Zugriffe auf die digitalen EPD-Datensätze zu verzeichnen, nicht nur aus Deutschland, sondern aus ganz Europa und auch aus den USA. Es haben sich bereits über 100 Nutzer registriert, um die Daten direkt in ihre Projekte einzubinden.

Das IBU scheint – wie so oft – auch beim Thema Digitalisierung eine Vorreiterrolle einzunehmen. Was kann man denn als nächstes vom IBU erwarten?

Dr. Burkhart Lehmann: Je mehr EPD-Daten digital verfügbar sind, desto einfacher ist es für Akteure, nachhaltige Gebäude zu realisieren. Deshalb bleiben Digitalisierung und Standardisierung von Datenformaten weiterhin wichtige Themen. Als Mitglied der Arbeitsgruppe InData arbeiten wir derzeit am Aufbau eines internationalen Datennetzwerkes. Ziel ist, dass Nutzer über eine einzige Schnittstelle auf alle digital verfügbaren EPDs zugreifen können. Mit den IBU-EPDs bieten wir schon jetzt Zusatzinformationen, die über die klassischen Umweltindikatoren nach EN 15804 hinausgehen. Zudem wollen wir künftig Zusatzinformationen, die von internationalen Zertifizierungssystemen gefordert werden, auch digital anbieten. Der nächste Schritt ist im Moment zwar noch Vision, aber wir planen, dem ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit stärker gerecht zu werden, indem wir Gesundheits- und Sozialaspekte in unser Portfolio aufnehmen wollen. 

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